Interview mit Bischof und Generalvikar
"Aus Besuchen werden Begegnungen"

Bischof Alois Schwarz und Generalvikar Christoph Weiss im Interview mit "Kirche bunt"-Chefredakteurin Sonja Planitzer. | Foto: Thomas Fischbacher/Diözese St. Pölten
  • Bischof Alois Schwarz und Generalvikar Christoph Weiss im Interview mit "Kirche bunt"-Chefredakteurin Sonja Planitzer.
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Vom 5. bis 27. Oktober finden im Dekanat Maria Taferl die Begegnungstage mit der gesamten Diözesanleitung statt. Im Vorfeld sprechen Bischof Dr. Alois Schwarz und Generalvikar Dr. Christoph Weiss über die Begegnungstage, die damit verbundenen Vorbereitungen sowie die Impulse und Ziele dieser Tage.

Warum geht die Diözese weg von den Pfarrvisitationen hin zu Begegnungstagen in Dekanaten?

Bischof Alois Schwarz: Der Grund dafür ist, dass wir eine längere Zeit direkt in der Region verbringen wollen. Ich sage „wir“, weil die gesamte Diözesanleitung eingebunden ist. Wir entwickeln gemeinsam mit den Menschen vor Ort ein Programm, das nach diesen Tagen die Freude am Glauben in der Region stärkt.

Generalvikar Christoph Weiss: In den vergangenen Jahren reduzierte sich die Pfarrvisitation zunehmend zu einem Besuch mit Gottesdienst, einem Treffen mit dem Pfarrgemeinde- und Pfarrkirchenrat und einem gemeinsamen Essen. Wir haben uns vorgenommen, uns auf vielfältige Begegnungen einzulassen. Ich persönlich finde die Bezeichnung „Begegnungstage“ passend, da werden aus Besuchen nun Begegnungen – nicht nur zwischen der Diözesanleitung und den Menschen im Dekanat, sondern auch zwischen den Menschen untereinander. Das beginnt bereits im Vorfeld der Begegnungstage: Hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Pfarren bzw. Pfarrverbänden treffen sich, um gemeinsam zu überlegen: Was wollen wir in diesen Wochen machen? Was ist uns wichtig? Begleitet wird die Vorbereitung, die schon im Vorjahr beginnt, vom für diese Region zuständigen Pastoralcoach.

Erste Erfahrungen mit diesem neuen Konzept gab es im Vorjahr im Dekanat Neulengbach. Dort wurde ein breites Programm an ganz unterschiedlichen Begegnungsorten zusammengestellt, z. B. an Schulen oder in Gasthöfen. Wird das bewusst so gewählt?

Bischof Schwarz: Wir gehen dorthin, wo die Menschen leben, wo sie ihren Alltag gestalten, wo sie den Glauben miteinander teilen und feiern. Das Programm wird nicht von uns vorgegeben. Wir haben gesagt: „Wir möchten gerne drei bis vier Wochen kommen, schlagt uns vor, welche Begegnungen es bei euch geben soll.“

Generalvikar Weiss: Die Begegnungstage in Neulengbach waren ein Pilotprojekt. Wir haben erlebt, wie gut das angenommen wurde und wie die Menschen mit uns und untereinander ins Gespräch gekommen sind.

Was sind die Ziele der Begegnungstage?

Bischof Schwarz:
Ein Ziel ist, dass die Menschen im Dekanat uns erzählen, wie bei ihnen der Glaube gelebt, gefeiert und geteilt wird. Indem sie es uns erzählen, entdecken sie selbst die Schönheiten ihrer Orte, ihrer Pfarrkirchen und ihrer christlichen Initiativen. Manchmal sind sie sich gar nicht bewusst, was sie alles an Reichtum in ihrer Region haben, weil vieles so selbstverständlich ist. Aber wenn sie es uns zeigen, erkennen sie selbst, wie schön es eigentlich bei ihnen zu Hause ist. Das kann auch ein Impuls für den Glauben sein. Im Grunde geht es darum, dass sie Freude daran haben, dass in ihrem Dekanat Menschen den christlichen Glauben leben.

Generalvikar Weiss: Wir freuen uns, wenn die Menschen uns bei den Begegnungstagen ihre Heimat, ihre Kirche, ihre Pfarre zeigen. Unsere Hoffnung ist, dass da auch Menschen dabei sind, die vielleicht nicht mehr so am Pfarrleben teilnehmen, aber bei diesen Begegnungstagen mitmachen und dabei wieder entdecken, was es alles gibt, wofür man dankbar und worauf man stolz sein kann. Uns ist wichtig, dass wir über unseren Glauben ins Gespräch kommen. Ein weiteres Ziel ist die Vernetzung. Wir sehen bei der Entstehung von Pfarrverbänden, wie wichtig diese Vernetzung untereinander ist. Wenn sich Pfarren fragen, was sie gemeinsam tun können, was lokal vor Ort geschehen muss oder was sie für bestimmte Zielgruppen wie Jugendliche oder Familien machen können, dann bringt das dem Dekanat oder Pfarrverband wirklich etwas – und somit den Menschen dort. Uns geht es bei den Begegnungstagen also auch darum, diese Vernetzung im Dekanat zu fördern. In Maria Taferl wird es z. B. einen Abend der Barmherzigkeit für das gesamte Dekanat geben.

Bischof Schwarz: Es wird eine Reihe von Gebetsinitiativen im Dekanat Maria Taferl geben. Die Menschen sollen spüren, dass das Netzwerk der geistlichen Gemeinschaft enger geknüpft wird. Auch über die Reels (Kurzvideos) in den Sozialen Netzwerken merken wir, wie dankbar die Menschen sind, wenn man für sie betet oder sie einen Segen bekommen. Jede und jeder kann bei uns sein Gebetsanliegen abgeben. Es wird für sie gebetet.

Können die Begegnungstage auch ein Impuls für das kirchliche Ehrenamt sein? Gibt es die Sorge, dass das ehrenamtliche Engagement in der Kirche zurückgeht?

Bischof Schwarz: Ich mache mir keine Sorgen, dass das ehrenamtliche Engagement zurückgeht. Ich entdecke, dass es für verschiedene Projekte sehr viele engagierte Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche gibt. Auch bei der Ministrantenwallfahrt heuer nach Rom waren viele Ehrenamtliche dabei, die die Kinder und Jugendlichen begleitet haben. Das Ehrenamt lebt in unseren Dörfern und kleinen Pfarrgemeinden in großer Selbstverständlichkeit.

Noch ein anderes Thema: In unserer Diözese entstehen derzeit einige Pfarrverbände. Was ist Ihnen da wichtig?

Bischof Schwarz: Wichtig ist mir zu betonen, dass ein Pfarrverband nicht von uns auf dem Papier gemacht wird, sondern dass es im Vorfeld und im Prozess der Entwicklung viele Gespräche gibt. Da werden viele Menschen miteinbezogen. Viele nehmen wahr, wie sich eine Pfarre sich demografisch verändert und dass es neue Wege braucht. Wir beobachten, dass sich viele, vor allem auch Jüngere, auf die Zusammenarbeit zwischen den Pfarren freuen und sagen: „Das ist schön, das können wir doch miteinander machen.“

Generalvikar Weiss: Bei der Gründung der Pfarrverbände gehen wir schrittweise vor. Dieses Jahr entsteht in Absprache mit dem Stift Seitenstetten ein neuer Pfarrverband rund um das Stift. Auch andere Klöster überlegen sich, wie sie die Seelsorge bei sich neu strukturieren können. Wir versuchen die Gründungen von Pfarrverbänden professionell zu begleiten, durch Regionalbegleiter, die im strukturellen und personellen Bereich tätig sind, und durch Pastoralcoaches, die auf die pastorale Seite schauen. Die Reaktionen in den Pfarrverbänden sind unterschiedlich, aber wir merken bei den ersten Treffen, dass die Leute sagen: Wir machen das, wir schaffen das! Und sehr häufig werden dann Dinge gefunden, die sie gemeinsam machen wollen – das wird oft auch als Entlastung erlebt.

Wohin soll sich die Diözese St. Pölten in Zukunft bewegen?

Bischof Schwarz: Mein Wunsch ist, dass in der Diözese die Erinnerung an Gott lebendig bleibt. Wir leben in einer Gesellschaft, wo die Gottvergessenheit überhand nimmt. Wenn den Leuten bewusst wird, dass wir einen Gott haben, der der Schöpfer unseres Lebens ist, dass wir zu ihm beten können, dass Gott bei uns nicht vergessen wird, das ist mein Anliegen.

Sehen Sie darin eine Gefahr, wenn Menschen sich immer mehr vom Glauben und der Kirche abwenden?

Bischof Schwarz: Die Gefahr ist, wenn ihnen nichts mehr fehlt, wenn Gott fehlt, dass sich dann der Mensch zum Maß aller Dinge macht. Das ist unerträglich, denn dann stellt sich die Frage, welche Ideologie und welche Machtverhältnisse sich stattdessen durchsetzen? Wenn der Mensch weiß, dass er von Gott geschaffen und ihm gegenüber verantwortlich ist, dann gibt es ein positives Miteinander.

Herr Bischof, Sie sind praktisch täglich mit Reels in den Sozialen Medien präsent, geben dort Impulse zum Glauben, auch ganz praktische. Diese Videobotschaften werden tausendfach geklickt. Wie merken Sie, dass Sie die Menschen erreichen?

Bischof Schwarz: Die Menschen wollen ein klares Wort haben, wie ihr Leben gelingen kann, wie sie Versöhnung finden können, wie sie mit den Unheilssituationen zurechtkommen. Sie schreiben, dass ihre Ehe zerbrochen ist, dass es mit den Kindern Probleme gibt oder dass sie verzweifeln, weil sie schwer krank sind. Die Menschen erleben so viele Unheilssituationen. Daraus können sie sich selbst nicht erlösen und befreien. Wenn man ihnen sagen kann: „Schau, es gibt einen, der an deiner Seite ist, der mit dir in deiner Not aushält“, dann atmen sie auf oder schreiben „Danke“ zurück oder „Hat mir geholfen“.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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