Heiliger Franziskus von Assisi
Freude über Schöpfung: 800 Jahre Sonnengesang

Der Sonnengesang kann uns motivieren, Freude an der Schöpfung zu finden – und Verantwortung für sie zu übernehmen. 
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  • Der Sonnengesang kann uns motivieren, Freude an der Schöpfung zu finden – und Verantwortung für sie zu übernehmen.
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800 Jahre Krippe, 800 Jahre Stigmata, 800 Jahre Sonnengesang. Der heilige Franz von Assisi (1181/82-1226) hinterließ ein großes Erbe und große Jubiläen. Im Winter 1224/1225 – zwei Jahre vor seinem Tod – war Franziskus schon sehr geschwächt. Um sich in Ruhe erholen zu können, zog er sich nach San Damiano zurück. Hier bot ihm eine Hütte im Garten der heiligen Klara Quartier. Dort betete er viel; und im Gebet erhielt er durch eine göttliche Offenbarung die Gewissheit, dass er durch das Ertragen der Krankheit zur ewigen Freude des Himmelreichs gelangen werde.

Hierüber freute sich Franziskus so sehr, dass er ein Lied dichtete: den Cantico delle Creature (Loblied der Geschöpfe), im deutschen Sprachraum Sonnengesang genannt. Dieser findet auch im Liedgut der Kirche – sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen – Verwendung.

Für Franziskus ist die „Umwelt“ eine „Mitwelt“. Die Schöpfung und mit ihr die Geschöpfe sind um ihrer selbst willen da, nicht als „Gebrauchswert“ für den Menschen. Sie verweisen auf Gott als den Schöpfer allen Seins. Dies kommt besonders im Sonnengesang zum Ausdruck.

Für Franziskus kommt alles von Gott her. Mit den Geschöpfen und durch alle Geschöpfe preist er Gott im Sonnengesang für alles, was ihm geschenkt ist. Das Leitmotiv des Sonnengesangs ist die geschwisterliche Gemeinschaft mit den kosmischen Erscheinungen.

In schwerer Zeit verfasst

In der vielleicht schwersten Zeit seines Lebens hat der heilige Franz von Assisi für die Nachwelt eines der wunderbarsten Gedichte der Menschheitsgeschichte hinterlassen. Der Sonnengesang zeigt in wundervoller Weise die Liebe zur Schöpfung Gottes.

Der vielleicht bekannteste Heilige der katholischen Kirche verfasste das Werk in einer Phase, wo vieles „kaputt“ war, erinnert der Provinzial der österreichischen Franziskanerprovinz, Pater Fritz Wenigwieser. Mit einer – so würden wir es heute benennen – brutalen Methode hatte sich Franz von Assisi einer „Augenoperation“ unterzogen, bei der die Schläfe mit heißem Eisen gebrannte wurde. „Jeder Sonnenstrahl dürfte schon schlimme Schmerzen in den Augen verursacht haben“, so Österreichs oberster Franziskaner. Auch Milz und Leber dürften schon in schlechtem Zustand gewesen sein. Der Heilige war auf diese schwere Lage vorbereitet, er hatte sie zeitlebens „eingeübt“. Er wäre wohl verbittert gewesen, hätte er nicht viel Schönes im Leben erfahren.
Franz von Assisi hat etwa die Hälfte seines Lebens in „extremer Natur, wie etwa in Höhlen verbracht“, erzählt Pater Fritz. So habe der Heilige beide Seiten kennengelernt: die Schönheiten sowie Schmerzen und die Härte der Natur. Etwa, wenn er auf Felsen schlief. Diese beiden Seiten beleuchte auch der Sonnengesang. Wer sich als Bruder oder Schwester der Schöpfung sieht, der gehe anders mit der Natur um, betont Pater Wenigwieser, der als Franziskaner und als Bauernkind für das Thema sensibilisiert ist. Der Sonnengesang lasse sich theologisch ableiten aus der Christus-Beziehung des großen Heiligen.

Gesprächsbasis mit anderen

Franz von Assisi stehe durchaus für „Extreme“. Das, was er sagte und vorlebte, mache ihn zu einem guten Gesprächspartner etwa mit Buddhisten oder kirchenfernen Menschen. Franziskus rettete Würmer und kaufte Lämmer frei, die geschlachtet werden sollten. „Franz von Assisi ging an Grenzen und steht für Spannungen.“ Der Heilige sah hinter den Geschöpfen und der Schöpfung Gott, gleichzeitig war er kein Esoteriker oder Pantheist, der in allem Gott meint. Pater Wenigwieser hat die Radikalität selbst bewusst auf sich genommen: indem er etwa von Assisi nach Santiago pilgerte oder indem er eine Zeitlang bewusst auf der Straße gelebt hat.

Wer heute den Sonnengesang liest oder betet, wird herausgefordert, die Natur zu lieben, ihr Ehrfurcht zu erweisen und sich für ihren Erhalt einzusetzen.

Der Sonnengesang ist eine Hymne auf die von Gott ins Leben gerufene Schöpfung und zugleich fordert er dazu auf, den Schöpfer selbst zu loben. Franziskus dichtete das Lied in Altitalienisch; das Werk gilt als das wichtigste Zeugnis für die Volkssprache des 13. Jahrhunderts in Italien. Der Sonnengesang ist gleichermaßen Gebet und Lyrik. In viele Sprachen übersetzt, gehört er heute zur Weltliteratur.

Sonne als Sinnbild des Schöpfers

Im Sonnengesang zeigt sich die Naturbeziehung des heiligen Franziskus. Der Sänger lobt Gott und tut dies gemeinsam mit allen Geschöpfen, besonders mit „Bruder Sonne“, in dem er „ein Sinnbild“ des Schöpfers sieht. Franziskus fühlt sich in die Natur eingebunden, mit der er einen geschwisterlichen Umgang pflegt. Die Gestirne, Wasser, Feuer, den Wind und die Erde, ja sogar den Tod spricht er mit Schwester oder Bruder an. Wer heute den Sonnengesang liest oder betet, wird eingeladen und herausgefordert, die Natur zu lieben, ihr Ehrfurcht zu erweisen und sich für ihren Erhalt einzusetzen.

Weniger ist mehr

Pater Fritz kündigt an, dass das 800-Jahr-Jubiläum der Hymne in den Konventen in Wien, Salzburg oder Graz mit dem Blick auf die Bewahrung der Schöpfung gewürdigt wird. Die Fachstelle für franziskanische Forschung wird in Salzburg eine Ausstellung organisieren. Für den Franziskaner-Oberen ist der Sonnengesang auch ein Appell, den Wert der Geschwisterlichkeit zu pflegen, zu teilen und für einen bescheideneren Lebensstil. Das sei auch ein wichtiger Beitrag für die Natur, denn ein „Immer-mehr geht nicht“ und „ein Weniger kann ein Mehr“ sein. Das Sonnengesang-Jubiläum könne eine Chance sein, wichtige Themen anzusprechen, sagt der Franziskaner-Provinzial.

Der Sonnengesang erinnert uns daran, dass sich die Natur und das Klima verändern – dass aber nicht alles hoffnungslos ist.

Der Gesang von Bruder Sonne
(Gesang der Geschöpfe)

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr, mit allen
deinen Geschöpfen, besonders dem Herrn Bruder Sonne,
der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz: von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr,
für Schwester Mond und die Sterne.
Am Himmel hast du sie geformt, klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Wind, für Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deine Geschöpfe am Leben erhältst.
Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Wasser.
Sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer,
durch den du die Nacht erhellst. Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt, mit bunten Blumen und Kräutern.
Gelobt seist du, mein Herr, für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen und Krankheit ertragen und Not.
Selig, die ausharren in Frieden, denn du, Höchster, wirst sie einst krönen.
Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester,
den leiblichen Tod; kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn und dankt und dient ihm mit großer Demut.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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