Die Bitten im Vaterunser
„… erlöse uns von dem Bösen“

Bananen gelten als „gesund“ – der Kauf einer Banane kann aber zum ethischen und moralischen Problem werden, wenn etwa Erntearbeiter ungerecht entlohnt werden und durch den Einsatz von Pestiziden selbst gesundheitlichen Schaden erleiden.
	 | Foto: Pezibear on Pixabay
  • Bananen gelten als „gesund“ – der Kauf einer Banane kann aber zum ethischen und moralischen Problem werden, wenn etwa Erntearbeiter ungerecht entlohnt werden und durch den Einsatz von Pestiziden selbst gesundheitlichen Schaden erleiden.
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Das Vaterunser – auch „Herrengebet“ genannt – ist das Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte. Es führt in die Mitte des Glaubens. Die Siebenzahl der Bitten steht für Vollkommenheit. In Zusammenarbeit mit den THEOLOGISCHEN KURSEN erschließt Kirche bunt in insgesamt sieben Folgen die einzelnen Bitten. 7. Folge

Die letzte Bitte im Vaterunser-Gebet ist kein sanftes Ausklingen einer siebenteiligen Bitt­litanei, sondern ein Paukenschlag: die Macht des Bösen und die Bitte um ein Eingreifen Gottes werden hier zum Ausdruck gebracht.

Die Macht des Bösen

Kaufen Sie manchmal Bananen? Diese haben schon den berühmten Theologen Karl Rahner vor ein schwieriges Dilemma gestellt: Bananen zu essen ist zwar nicht verwerflich, doch das Kaufen der Bananen kann zum Problem werden. Ihr niedriger Preis kann nämlich mit den Arbeitsumständen der Bananenpflücker, ihrer Ausbeutung und den jahrhundertlangen Ungerechtigkeiten in der Handelspolitik zusammenhängen. Indem ich also ein bestimmtes Produkt kaufe, werde ich ein Teil des Bösen, obwohl ich persönlich nichts Verwerfliches getan habe. Was Theologen als die „strukturelle Sünde“ bezeichnen, wird für uns zur Lebensrealität beim Tanken (Ölförderung), Anziehen (Arbeitsbedingungen der Hersteller) oder Duschen (Gasquellen). Schon bei den einfachsten Handlungen sind wir somit mit dem Bösen konfrontiert.

Dass wir dem Bösen ausgesetzt sind und selbst das Böse verursachen, ist selbstverständlich: Krankheiten, Naturkatastrophen, politische Strukturen, Mord, Lüge, Betrug – eine Lis­te, die sich ins Unendliche fortsetzen lässt. Das Böse ist eine Realität, die man nicht leugnen kann. Egal ob von Einzelnen oder Gruppen verschuldet – es ist da. Das Böse, realis­tisch – aber nicht entschuldigend – gesehen, gehört zur Welt dazu.

Was konkret im Vaterunser unter dem „Bösen“ verstanden wird, lässt sich nicht genau feststellen: Im Griechischen wie auch im Deutschen kann mit dem Bösen „das Böse“ oder „der Böse“ gemeint sein. Im zweiten Fall würde es sich um die Umschreibung für satanische Mächte handeln. Wie auch immer die Entscheidung fällt, handelt es sich in beiden Fällen um eine zerstörerische Macht, die keinen Sinn hat. Frei nach Papst Benedikt gesprochen: Übel kann reinigen, das Böse zerstört nur.

Erlösungsmacht Gottes

Wie verhält sich aber Gott zum Bösen? Das Vaterunser ist zwar kein theologischer Traktat, der den Zusammenhang von Gott und dem Bösen („Warum lässt Gott das Leiden zu?“) behandelt. Indem das Gebet aber die Bitte um die Erlösung/Errettung/Bewahrung vor dem Bösen formuliert, bringt es zum Ausdruck, dass Gott Macht über das Böse besitzt. Da er eingreifen könnte, trägt in dieser Bitte – so der Katechismus – „die Kirche das gesamte Elend der Welt vor den Vater“. Die Betenden sagen also: „Schau, was hier los ist.“ Dabei nimmt diese Bit­te fast den Geschmack einer Klage an: „Schau, was hier los ist – das hat dich anzugehen!“

Es geht freilich nicht nur darum, einen zusätzlichen Zuschauer, Gott, zu gewinnen. Indem wir Gott als Retter bekennen, bitten wir und nehmen zugleich in Anspruch, dass er etwas tun soll: Herr erlöse uns, Herr rette uns. Dies wird in der Messe im Anschluss an das Vaterunser noch einmal zusätzlich verdeutlicht: „Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde […].“

Inhalt der Bitte

Worum bitten wir aber konkret, wenn wir um Erlösung von dem Bösen bitten? Schließlich kann es nicht um Kleinigkeiten gehen – gegen diese haben wir selbst genug Gegenmittel: Wir wissen, dass gegen Kopfschmerzen Medikamente helfen und gegen unbedachte Bemerkungen Selbstdisziplin wirkt.

Die Macht des Bösen ist viel größer als diese Beispiele. Deshalb ist die Bitte todernst gemeint und kann als Bitte, als Erinnerung, als Bekenntnis, als Hoffnung und als Frage verstanden werden. Als Bitte um die Kraft, dass man dem Bösen Einhalt gebieten kann, dass man dem Bösen nicht erliegt oder an dem Bösen nicht zerbricht. Als Erinnerung, dass wir in der Taufe dem Bösen und seinen Mächten entsagt haben, also uns zu einem anständigen Leben verpflichtet haben. Als Bekenntnis, dass unser Gott oft die letzte und einzige Macht ist, die das Böse besiegen kann. Als Hoffnung, dass am Ende nicht das Böse das letzte Wort hat. Und schließlich als die Frage „Wo bist du?“, die eine doppelte Ausrichtung hat: als Frage an Gott, wo er bleibt angesichts des Leidens in dieser Welt und als eine Frage an uns, wo wir selbst angesichts des Bösen bleiben.  Von Dr. Piotr Kubasiak

Dr. Piotr Kubasiak

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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