Dr. Klaus Gabriel
Nachhaltiges Investieren ist ein „Megatrend“

Foto: Foto: mintra  - stock.adobe.com
2Bilder
  • Foto: Foto: mintra - stock.adobe.com
  • hochgeladen von Wolfgang Zarl

Nicht nur rund um den Weltspartag am 31. Oktober fragen sich viele Menschen, wie sie ihr Geld sowohl gewinnbringend als auch ethisch und nachhaltig anlegen können. Zum Thema ethische und nachhaltige Geldveranlagung baten wir den renommierten In­vest­ment­­experten und Theologen Dr. Klaus Gabriel zum Gespräch.

Kirche bunt: Kann nachhaltiges Investieren die Welt verbessern?
Dr. Klaus Gabriel: Es ist ein wichtiger Beitrag, zweifelsohne, aber es braucht immer mehrere Hebel. Persönlicher Veränderungen bedarf es auch beim Konsum oder bei der Mobilität. Auch auf politischer Ebene muss viel passieren. Man soll sich nicht mit einem Hebel begnügen, um riesigen Herausforderungen wie z. B. dem Klimawandel zu begegnen. Aber das ethisch-nachhaltige Investieren ist jedenfalls ein wichtiger Schritt. Immer mehr Menschen erwarten sich einen positiven Steuerungseffekt durch ethische Geldanlage – nicht zuletzt, weil die ethisch-nachhaltige Geldanlage zu einem Kulturwandel beitragen kann, welcher das gute Leben für alle in den Mittelpunkt wirtschaftlicher Aktivitäten stellt.

Welche Fragen stellen sich Menschen, die ihr Geld ethisch-nachhaltig investieren wollen aus Ihrer Erfahrung häufig?
Gabriel: Für immer mehr Menschen stellt sich die Frage, wie die Rendite zustande kommt bzw. welche Projekte und Aktivitäten mit der Geldanlage ermöglicht oder unterstützt werden: Wird die Rendite realwirtschaftlich erbracht oder durch bloße Finanzakrobatik – mit der möglichen Konsequenz, dass damit Spekulationsblasen erzeugt werden, die irgendwann in sich zusammenbrechen? Erfüllt das betreffende Unternehmen oder der Staat, dem man sein Geld zur Verfügung stellt, wichtige soziale und ökologische (Mindest-)Standards? Welche Wirkung hat meine Geldanlage eigentlich auf die Emittenten von Wertpapieren?

Was heißt eigentlich „ethisch handeln?“
Gabriel: „Ethisch handeln“ – das klingt für manche schon zu sehr nach erhobenem Zeigefinger. Aber Ethik bedeutet im Grunde lediglich, über unser Handeln (Individualethik) und über den Zustand gesellschaftlicher Institutionen (Sozial- oder Strukturenethik) zu reflektieren. Es geht darum, darüber nachzudenken, welche Auswirkungen unser Handeln und die Funktionsweise gesellschaftlicher Ins­titutionen – wie zum Beispiel der Wirtschaft – auf Mensch und Umwelt haben. Wenn wir erkennen, dass durch unser Handeln – direkt oder indirekt – Mensch oder Umwelt geschädigt werden, oder wenn wir davon ausgehen können, dass bestimmte wirtschaftliche Prozesse soziale und ökologische Schäden verursachen, sind wir aufgerufen, die Dinge zu ändern. Denn die wirtschaftliche Realität ist kein Naturereignis, sondern das Resultat sozialer Prozesse. Das bedeutet, dass wir diese Realität nicht hinnehmen müssen, sondern gestalten können.
Ethisch handeln im Kontext der Geldanlage bedeutet sich bewusst zu werden, dass man mit der Geldanlage eine Möglichkeit besitzt, zur Veränderung der wirtschaftlichen Realität beizutragen. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze und Möglichkeiten. Jeder Investor, jede Investorin verfügt über Handlungsmöglichkeiten und Spielräume, um verantwortlich zu handeln.

Wer Geld zur Verfügung hat, eine Rendite haben will und ethisch und nachhaltig investieren will: Was empfehlen Sie ihm?
Gabriel: Wichtig ist es, sich gut beraten zu lassen. Eine gute erste Orientierung geben spezialisierte Finanzberater sowie Banken, die sich mit dieser Thematik qualifiziert auseinandersetzen. Auch Qualitätssiegel, wie das Umweltzeichen 49 (UZ49) – ein staatliches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte – können Orientierung bieten. Es gilt aber, dass man sich auch selbst noch ein Urteil über ethisch-nachhaltige Anlageprodukte machen muss: für gewöhnlich ist die Beurteilung moralischer Aspekte eine höchst individuelle Angelegenheit. Das bedeutet auch, dass man als Anlegerin oder Anleger oft Kompromisse eingehen muss, weil ein Produkt vielleicht nicht alle ethischen Kriterien, die man wünscht, erfüllt. In der Praxis orientiert man sich vor allem an Ausschluss­kriterien: also keine Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen oder Rüstungsgütern Geld verdienen. Dazu kommt bei vielen der Transformationsgedanke: dass man Unternehmen dazu bringt, umzudenken.

Sind konventionelle oder ethisch-nachhaltige Inves­titionen ertragreicher?
Gabriel: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ethisch-nachhaltige Investitionen nicht automatisch schlechter sind, das ist Konsens. In den letzten 10, 20 Jahren haben diese sogar eine deutlich bessere Performance haben können. Derzeit gibt es allerdings Sondereffekte. Beteiligungen an Rüstungsunternehmen oder Energieunternehmen sind in diesem Jahr aufgrund der Krisen ertragreicher, was in ethischer Sicht natürlich schmerzt. Dass es oft ein Auf und Ab gibt, muss man auch als Investor von ethisch-nachhaltigen Finanzprodukten aushalten.

Gab es beim nachhaltigen Investment ein Umdenken in Europa?
Gabriel: Absolut, ich würde sagen, es ist ein Megatrend geworden! Waren es in Österreich bis vor ein paar Jahren 2, 3 Prozent, so sind jetzt bereits etwa ein Viertel der Investmentfonds nachhaltig ausgerichtet. Außerdem gibt es einen Aktionsplan der Europäischen Union zur Förderung nachhaltigen Investierens, der eine riesige Aufmerksamkeitswelle entfacht hat. Fast alle Finanzdienstleister gehen derzeit in diese Richtung. Einerseits wollen Investoren nachhaltig wirken, andererseits ist auch das Bewusstsein entstanden, dass ökologische Risiken wie der Klimawandel enorme ökonomische Risiken bergen. Aktuell werden in der Finanzwirtschaft die klassischen Risikomanagementsys­teme um Nachhaltigkeitsaspekte ergänzt.

Sehen Sie eigentlich viel Kompetenz in der Kirche bei Finanzfragen?
Gabriel: Es gilt zu unterscheiden zwischen Finanz- und Ethikwissen. Diözesane Finanzkammerdirektoren oder Ordensökonomen müssen in beiden Bereichen kompetent sein und sich ständig weiterbilden. Unterstützend richtet man manchmal Beiräte ein, die helfen, die Geldanlage sowohl ökonomisch als auch ethisch-nachhaltig zu optimieren. Das ethisch-nachhaltige Investment ist derzeit für kirchliche Finanzreferenten eine von mehreren Herausforderungen, da Corona und Kirchenaustritte schwerwiegend sind. Aber: Es gab in den letzten Jahren definitiv einen Bewusstseinswandel für ethisch-nachhaltiges Investieren.

Was hat dazu beigetragen?
Gabriel: Ganz zentral war die 2017 beschlossene „Richtlinie Ethische Geldanlagen“ (FinAnKo) der Österreichischen Bischofskonferenz. Die darin enthaltenen Kriterien folgen dem bewährten Dreiklang einer christlichen Ethik und lauten Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die Richtlinie benennt drei Dimensionen des ethisch-nachhaltigen Investierens: verhindern – fördern – verändern. Zuerst geht es um Ausschlusskriterien: Dass etwa nicht in Unternehmen investiert wird, die Suchtmittel, gewaltverherrlichende Videos oder Rüstungsgüter herstellen. Diese Liste umfasst mehr als 30 Themenbereiche, in die nicht investiert werden soll. Unter anderem werden darin z. B. auch Lebensschutz, Müllexporte, Gentechnik oder Geldwäsche angeführt. In einem zweiten Punkt geht es um das gezielte Fördern von Unternehmen, um etwa die Sustainable Development Goals (Nachhaltigkeitsziele der UNO) zu erreichen. Und in einem dritten Punkt geht es um die Transformation von Unternehmen und Wirtschaftsweisen hin zu mehr Nachhaltigkeit: Dass mit Dialog Überzeugungsarbeit geleistet oder mit der Aus­übung von Stimmrechten bei Aktionärsversammlungen Druck ausgeübt wird, etwa in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten. Die beiden letzten Punkte (fördern und verändern) müssen in der Richtlinie noch konkretisiert werden. Hierzu hat die Bischofkonferenz die Ständige Kommission FinAnKo ins Leben gerufen: ein sechsköpfiges Expertengremium, dem ich auch angehören darf, hat den Auftrag, die Richtlinie weiterzuentwickeln.

Sind solche Richtlinien nicht zahnlos?
Gabriel: Für die FinAnKo-Richtlinie gilt das definitiv nicht. Sie ist keine Empfehlung, sondern für die Diözesen verpflichtend – ein Umstand, der international Beachtung findet und auch gelobt wird. Vorreiter für solche Richtlinien waren die US-Bischofskonferenz oder die deutschen Kirchen – aber dort handelt es sich eben nur um Empfehlungen. Die Verbindlichkeit der österreichischen Richtlinien ist etwas Neues und signalisiert: das ist wichtig.

Geld und Ethik lassen sich also passenderweise zusammenführen?
Gabriel: Ja. Geld ist weder gut noch böse. Es kann beides sein. Das hat das Geld übrigens mit dem Wasser gemein: Es braucht Wasser, um Dinge wachsen zu lassen und zum Blühen zu bringen. Wasser kann aber auch zerstörerisch wirken und großen Schaden anrichten. Genauso ist es mit dem Geld: richtig eingesetzt hilft es, Herausforderungen in unserer Gesellschaft zu bewältigen, falsch eingesetzt führt es dazu, dass soziale und ökologische Probleme verstärkt werden oder neu entstehen. Die ethisch-nachhaltige Geldanlage setzt hier an und hat zum Ziel, Geld in die richtigen Kanäle zu lenken. Damit Gutes entstehen kann und Schlechtes vermieden wird.

Bischofskonferenz-Richtlinie

Mit der Enzyklika Laudato Si’ hat Papst Franziskus 2015 ein christliches Lebensprogramm und ein Überlebensprogramm für die Menschheit vorgelegt. Es geht dabei um eine ökologische Umkehr, die am persönlichen Lebensstil ansetzt und bis zur Etablierung einer weltweiten öko-sozialen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung reicht. Besonders deutlich wird die globale Dimension von Herausforderungen beim Klimawandel. Vor diesem Hintergrund haben die österreichischen Bischöfe im Herbst 2017 die „Richtlinie Ethische Geldanlagen“ (FINANKO) beschlossen. Die Kriterien der Richtlinien folgen dem Dreiklang einer ökumenisch-christlichen Ethik und lauten Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die ethischen Veranlagungsrichtlinien bieten Bewertungen hinsichtlich Anlageformen wie Fonds, Derivate, Indexprodukte oder Rohstoffe wie Gold. Die Prinzipien des ethischen Investments lauten „Verhindern – Fördern – Verändern“ und werden umgesetzt durch konkrete Ausschluss­kriterien. Kirchliche Finanzmittel dürfen keine zerstörerische Wirkung auf das Klima haben. Vieles weitere wurde in den letzten Jahren von der Bischofskonferenz unterzeichnet, etwa die Divestment-Erklärung im Rahmen des Global Catholic Climate Movement (GCCM), dabei werden die ethischen Veranlagungsrichtlinien entsprechend angepasst. Zusätzlich zum Ausschluss von Kohleförderung und Fracking bedeutet das konkret den Ausstieg der Kirche aus allen Unternehmen, die fossile Brennstoffe (Kohle, Öl, Erdgas) fördern bzw. produzieren. Dies gilt für alle heimischen Diözesen, die Österreichische Bischofskonferenz und alle ihre Einrichtungen.

Zu Klaus Gabriel

Dr. Klaus Gabriel, Jahrgang 1967, absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte Katholischen Fachtheologie und Volkswirtschaftslehre an der Uni Wien. Er arbeitete zehn Jahre am Institut für Sozialethik an der Theologischen Fakultät der Uni Wien; 2007 promovierte er mit dem Thema „Nachhaltigkeit am Finanzmarkt“ zum Dr. theol. Seit 2013 ist Gabriel selbstständiger Unternehmensberater. Er berät institutionelle Investoren, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen – so auch die Österreichische Bischofskonferenz und Ordensgemeinschaften. Zu den Themen ethisch-nachhaltige Geldanlage und Wirtschafts-/Finanzethik ist er in Lehre und Forschung tätig. Gemeinsam mit weiteren Experten bietet er über die Geld&Ethik-Akademie Lehrgänge an, bei denen sich Interessierte aus dem deutschsprachigen Raum mit den Grundlagen und der Praxis ethisch-nachhaltiger Geldanlagen vertraut machen können. Gabriel ist auch als Sachverständiger und Gutachter tätig, z. B. prüft er Finanzprodukte zur Erlangung des österreichischen Umweltzeichens 49 (UZ49). Infos: www.geldundethik.com

Foto: Foto: mintra  - stock.adobe.com
Dr. Klaus Gabriel | Foto: zVg
Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ