Zum Welttag der Kranken
Jesus begegnen im Pflegeheim

Leopoldine Glinz in der Kapelle im Pflege- und Betreuungszentrum Mank. | Foto: zVg
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Leopoldine Glinz ist im Pflege- und Betreuungszentrum Mank als ehrenamtliche Seelsorgerin tätig. Wie Corona die Seelsorge hier verändert hat, wie sie mit der Angst vor dem Sterben umgeht, ob die Menschen heute weniger spirituell sind als früher und wie eine Pastoral für und mit demenzkranken Menschen funktionieren kann, erzählt sie im Gespräch mit „Kirche bunt“.

Was macht eine ehrenamtliche Seelsorgerin im Pflegeheim?

Leopoline Glinz: Zur Zeit gehört es zu meinen Hauptaufgaben, dem Kirchenjahr entsprechend Andachten vorzubereiten, um sie dann gemeinsam mit Mitarbeitern des Heimes durchzuführen. Gespräche mit Bewohnern ergeben sich immer wieder, vor allem vor und nach den Andachten, und sind Teil meiner Tätigkeit.
Weiters gestalte ich eine Pinwand mit einem liturgischen Kalenderblatt, mit Bildern und Sprüchen, passend zum Kirchenjahr und der Jahreszeit. Die Ausgestaltung der Kapelle gehört auch zu meinem Aufgabenbereich.

Wie hat Corona die Situation im Pflegeheim und die Seelsorge verändert?

Glinz: Corona hat sehr viel verändert, für mich gibt es ein klares Davor und ein Jetzt. Momentan besuche ich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht in ihrem Zimmer. An den Andachten und Betstunden dürfen immer nur die Bewohner aus einem Wohnbereich teilnehmen, alle anderen können aber über einen Fernseh-Bildschirm mitfeiern. Das gilt auch für den Got­tesdienst, den Pfarrer Wolfgang Reisenhofer jeden Donnerstag in der Heimkapelle feiert. So kommt es zwar zu einer räumlichen Trennung, aber im Gebet sind wir verbunden. Zusammen mit dem Pflegepersonal, das die Bewohner auf die Feier vorbereitet, gelingt es auf diese Weise, die religiösen Bedürfnisse der Bewohner in dieser schwierigen Zeit zu erfüllen. Vor Corona nahmen auch viele Besucher bzw. Angehörige an den Gottesdiensten und Andachten teil.

Sie sind ausgebildete Altenpflegerin und haben viele Jahre im Pflegeheim Mank gearbeitet …

Glinz: Ja. Im Jahr 1995, nach meiner Ausbildung in der Altenpflegeschule Gaming, habe ich im neu eröffneten Marienheim in Mank zu arbeiten begonnen. Ganzheitliche Pflege war mir immer sehr wichtig.

Was verstehen Sie konkret unter ganzheitlicher Pflege?

Glinz: Dafür gibt es eine eigene Definition, aber ich versuche mit eigenen Worten auszudrücken, was ich darunter verstehe, vor allem für die Altenpflege: den Menschen in seiner Gesamtheit sehen, die unzertrennbare Einheit von Körper, Geist und Seele. Ihn wahrzunehmen mit seiner einmaligen Lebensgeschichte, mit all dem, was ihn ausmacht, was ihn geprägt hat. Hinschauen auf seine Defizite, seine Gebrechlichkeit, aber vor allem auf seine Fähigkeiten, auf das, was er noch kann. Um dann zu versuchen, seine individuellen Bedürfnisse und Wünsche einzubeziehen, um eine gute Pflege und Betreuung, aber auch seelsorgliche Begleitung im ganzheitlichen Sinn zu ermöglichen. Auch von der Pflege her wird gesehen, dass Spiritualität und religiöse Bedürfnisse wichtige Faktoren in der Pflegeplanung sind.

Sind die Menschen heute weniger spirituell oder religiös als früher, also noch vor 20, 30 Jahren?

Glinz: Ich denke, dass das sehr auf den jeweiligen Lebensraum ankommt. Bei uns im ländlichen Raum und im Pflegeheim, wo ein Drittel der Bewohner über 90 Jahre alt ist, haben Glaube und Religion nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert. Allerdings glaube ich, dass sich diesbezüglich in der nächsten Zeit auch bei uns viel verändern wird. Spiritualität, Suche nach Sinn und erfüllenden Werten werden aber weiterhin große Themen bleiben.

Wie sind Sie dazu gekommen, als Seel­sorgerin tätig zu sein?

Glinz: Als Pflegerin wurde ich immer wieder mit verschiedenen Aufgaben in der Seelsorge betraut: Mesnerdiens­te, die Krankenkommunion vorbereiten, den Herrn Pfarrer begleiten usw. So habe ich mich mehr mit diesem Thema auseinandergesetzt und eine Berufung zu dieser Aufgabe verspürt. Auf Anregung der damaligen Referentin für Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge, Christine Winklmayr, sowie des verstorbenen Prälats Schrittwieser habe ich einen Lehrgang für Altenpas­toral in Salzburg besucht. Seitens der Heimleitung wurde ich vom ehemaligen Herrn Direktor Dittinger bei diesem Vorhaben sehr unterstützt. Zurückgekommen bin ich mit vielen Impulsen und neuen Ideen und bin dann Schritt für Schritt in die Seelsorge hineingewachsen.

Wie können demenzkranke Menschen an Gottesdiensten teilnehmen? Bedeutet diesen Heimbewohnern der Glaube noch etwas?

Glinz: Die Bedürfnisse demenzkranker Bewohner waren mir schon immer ein Herzensanliegen. Der Glaube kann eine große Stütze für den an Demenz Erkrankten sein, vorausgesetzt, dass er im Leben des Betroffenen eine Rolle gespielt hat. Der Glaube ist ein Schatz, der tief im Herzen verborgen liegt, und wenn es gelingt, die Betroffenen im Gottesdienst an Leib, Geist und Seele zu berühren, kann er gehoben werden.

Menschen mit Demenz können noch sehr lange die ihnen seit Kindheit vertrauten Gebete mitbeten, das gleiche gilt für die gut bekannten Lieder. Da die Sinne bei der Demenzkrankheit länger vorhanden sind als die Sprachfähigkeit, ist es mir bei unseren Andachten wichtig, alle Sinne anzusprechen. So verwende ich gut bekannte Bilder und Symbole sowie Blumen, Kerzen, Lichter und Weihrauch. Musik und Gesang sind für mich die wichtigsten Elemente, sie können die Seele zum Klingen bringen.

Berührend ist es für mich zu sehen, wie Demente aus einer anfänglichen Unruhe und Unsicherheit plötzlich im Geschehen ankommen, ruhiger werden und teilhaben. Es hebt ihr Selbstbewusstsein, wenn sie merken und gesagt bekommen: „Ich kann noch was!“

Wie gehen Sie mit der Angst vor dem Sterben bzw. vor dem Tod um?

Glinz: Die Angst vor dem Sterben ist in verschiedensten Formen vorhanden, oft wird sie verdrängt, vielen Menschen fällt es schwer, darüber zu sprechen, manche können gar nicht darüber reden. Diese Ängste sind in allen Altersgruppen anzutreffen, aber natürlich treten sie in der letzten Lebensphase vermehrt auf.
Die Pflegepersonen sind auf die Angst von Sterbenden vorbereitet und sehr gut für diese Situation ausgebildet. Im Heim gibt es auch den Pflegeansatz der „Palliativ Care“.

Die Seelsorge kann je nach Wunsch des Betroffenen und seiner Angehörigen Besuche und Gespräche anbieten, das Gebet mit und für den Kranken. Wenn es gewünscht ist, wird auch der Herr Pfarrer verständigt, der dann die Krankensalbung zur Stärkung spendet, den Kommunionempfang ermöglicht und ein Segensgebet für den Sterbenden spricht.

Ich durfte die Erfahrung machen, dass viele nach dem Empfang der Krankensalbung und der Lossprechung von Sünde und Schuld viel ruhiger geworden sind. Doch es ist nicht immer so.
Für mich ist der Prozess des Sterbens als ein Teil des Lebens zu verstehen, der so einmalig ist wie das Leben selbst. Ich versuche in Situationen der Angst für den anderen da zu sein und ihn zu verstehen. Manchmal bitte ich um den Heiligen Geist, um die richtigen Worte zu finden und ein wenig Angst nehmen zu können. Ich persönlich glaube, dass alles gut ist. Das ist meine Hoffnung.

Finden manchmal Menschen durch die Seelsorge einen Weg zu Gott?


Glinz:
Davon bin ich überzeugt, und ich denke, dass das viel öfter vorkommt, als wir annehmen und es für uns ersichtlich ist. Seelsorge kann sehr viel bewirken, und es erfüllt mich mit Freude, wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen darf!

Was hat Sie in den letzten Jahren besonders berührt?

Glinz: Es gibt ganz viele berührende Momente, in denen Menschen sich für Gott öffnen, und wo auch die Liebe spürbar wird. Zu Lichtmess beispielsweise geht es darum, dass alte Menschen – Simeon und Hanna – dem Kind Jesus begegnen. Maria streckt uns auch heute das Kind entgegen.

Leopoldine Glinz in der Kapelle im Pflege- und Betreuungszentrum Mank. | Foto: zVg
Andacht im Garten des Pflege- und Betreuungszentrum Mank. | Foto: zVg
Autor:

Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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