Christlicher Glaube in Großbritannien
Der König soll „den Glauben verteidigen“
Der neue König Großbritanniens, Charles III., trägt den Titel „Verteidiger des Glaubens“. Ein Blick in die Geschichte zeigt die enge Verquickung von Königtum und christlichem Glauben. Doch längst ist England kein einheitlich christliches Land mehr, und das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche in einer schwierigen Lage.
Es ist eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet – der zu diesem Zeitpunkt gegen Martin Luther polemisierende – König Heinrich VIII. erhielt 1521 vom Medici-Papst Leo X. den Ehrentitel „Defensor fidei“ (Verteidiger des Glaubens) verliehen, den heute noch Charles III. trägt. Nur wenig später aber brach Heinrich VIII. mit Rom, weil der Papst dessen Scheidung nicht anerkennen wollte. Der englische König begründete eine neue, anglikanische Kirche mit sich selbst an der Spitze, löste alle Klöster im Land auf und schlug deren Vermögen der Krone zu.
Die ersten Christen in England
Die Verquickung von Königtum und christlichem Glauben ist auf der britischen Insel besonders eng, vielleicht auch weil das hier besonders früh einsetzende Christentum immer wieder durch „heidnische“ Invasoren gefährdet war. Schon im 2. Jh. dürften Christen hier (in der römischen Provinz Brittania) gelebt haben. Erstmals namentlich erwähnt werden im 3. Jh. drei, die den Märtyrertod starben: Julius, Aaron und Alban. Archäologische Funde haben Symbole wie Kreuz oder Fisch als Hinweise auf frühe Christen zu Tage gefördert, die sich überwiegend in Privathäusern versammelt haben dürften. Berühmt ist das Fußbodenmosaik eines Gebäudes in Dorset (aus dem 4. Jh.), das eine Büste mit Chi-Rho-Monogramm zeigt – vielleicht die älteste Darstellung von Christus in England.
Die Verehrung König Edmunds als Märtyrer setzte bald ein und verbreitete sich schließlich über ganz England.
Als sich die römischen Truppen im frühen 5. Jh. aus der Provinz Britannia zurückzogen, brachten die einwandernden Angeln, Sachsen und Jüten ihre polytheistischen Religionen nach England mit. Ein wichtiger Zeuge aus jener Zeit ist der um 500 geborene Mönch Gildas mit seiner Schrift „De Excidio Britanniae“ (Über die Verwüstung Britanniens).
Verwüstungen brachten auch die „heidnischen“ Wikinger im 8. und 9. Jh., die u. a. am 8. Juni 793 das Kloster Lindisfarne überfielen und zerstörten. 869 stellte sich König Edmund von East Anglia einem „großen heidnischen Heer“ der Wikinger entgegen und fand den Tod in der Schlacht (oder kurz danach). Seine Verehrung als Märtyrer setzte bald ein und verbreitete sich in den folgenden Jahrzehnten über ganz England.
Berühmt wurde auch ein König, der ein getaufter Wikinger war. Der skandinavische Anführer Guthrum musste sich Alfred, dem König von Wessex, unterwerfen und sich taufen lassen. Bei der Taufe nahm er den Namen Ethelstan an, unter dem er bis zu seinem Tod 890 König von East Anglia war. Alfred selbst ist ebenfalls einiger Ruhm beschieden, weil unter seiner Regentschaft London zum Zentrum der Macht und durch die Ausdehnung seines Herrschaftsgebiets ein einheitliches englisches Reich erkennbar wurde.
Der nächste „Heide“, der England 1013 unter seine Herrschaft zwingen wollte, war ein dänischer König, dessen Sohn Knut tatsächlich zum englischen König gekrönt wurde und zum Christentum konvertierte. Zuvor hatte der englische König Æthelred versucht, die Dänen-Gefahr abzuwenden, u. a. indem er seine Landsleute anhielt Buße zu tun und zu einem gottesfürchtigen Leben zurückzukehren. Er ordnete ein allgemeines Fasten in ganz England an und in jedem Kloster sollte täglich eine Messe contra paganos („gegen die Heiden“) gesungen werden. Doch alle Maßnahmen Æthelreds waren vergeblich. Schlussendlich stellte sich sogar der Erzbischof von York, Wulfstan, der noch 1014 eindringlich vor den „Heiden“ gewarnt hatte, an die Seite Knuts.
Doch nach dem Tod Knuts kam wieder ein Mitglied der alten Königsfamilie, Æthelreds Sohn Edward, auf den Thron. Er ging als „Bekenner“ in die Geschichte ein und widmete sich der Religion und dem Bau der Westminster Abbey (geweiht 1065). 1161 heilig gesprochen, ist er der Patron Englands und der englischen Könige.
Mit der englischen Reformation wurde der König zum Oberhaupt der (anglikanischen) Kirche. Der Titel „Defensor fidei“ wurde Heinrich VIII. nun von päpstlicher Seite aberkannt. 1543 jedoch erhielt er ihn wieder, dieses Mal vom englischen Parlament mit der Aufgabe, den anglikanischen Glauben zu schützen. Seit 1714 findet sich auf den Münzen im Königreich die Abkürzung DF oder FID DEF.
Verteidiger aller Religionen
Für die Monarchen war in der Folgezeit klar: Die Verteidigung des Glaubens bezog sich auf die „Church of England“, deren weltliches Oberhaupt sie waren. Doch in der langen Regierungszeit Elizabeths II. hat sich der Blickwinkel deutlich geweitet, denn durch Einwanderung kamen Menschen mit unterschiedlichsten religiösen Überzeugungen ins Land. Ihr Sohn und Thronfolger Charles, nun König, hatte noch als Prince of Wales erklärt, er sehe sich eher als „defender of faith“ als „defender of the faith“: als Beschützer des Glaubens an sich, des Glaubens an eine höhere Macht, und das mit Blick auf alle Konfessionen und Religionen im Königreich.
Katholische sein in England
Bei der Krönung von Charles III. nehmen erstmals auch katholische Bischöfe teil; der Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, spricht zum Ende der Krönung einen Segen über den König aus. Im Jahr 1953 hatten die katholischen Bischöfe die Einladung zur Krönung von Elisabeth II. noch aus Protest abgelehnt. Denn bis 2015 schloss ein englisches Gesetz aus dem Jahr 1701, der sogenannte „Act of Settlement“, jeden von der Thronfolge aus, „der die katholische Religion bekennt oder einen Papisten heiratet“. Erst seit dem so genannten „Perth Agreement“ 2015 führt die Heirat mit einem Katholiken nun nicht mehr zu einem Ausschluss.
Von Macht zum Schattendasein Während die katholische Kirche in England im Mittelalter sehr reich und mächtig war, führte sie nach der englischen Reformation und blutigen Religionskriegen über Jahrhunderte ein Schattendasein. Katholiken, das waren arme Einwanderer, Unterprivilegierte aus der Arbeiterschicht.
Erst mit dem sogenannten „Catholic Relief Act“ von 1791 durften Katholiken wieder Gottesdienst feiern, Religionsunterricht abhalten und unauffällige Kirchen bauen. 1850 wurde eine katholische Hierarchie mit Bischöfen wiedererrichtet. Diese brauchten auch neue Bischofskirchen. Die symbolträchtigste unter ihnen: die bis heute unvollendete Westminster Cathedral im Herzen Londons.
Nach der letzten Volkszählung 2021 bezeichnen sich jedoch nur noch 46 Prozent der Engländer als Christen, während die Zahl der Muslime und jener steigt, die sich als nicht-religiös betrachten.
Autor:Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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