Pauline Jaricot
Visionärin mit missionarischer Leidenschaft

Vom  Luxusleben zur missionarischen Sozialreformerin: Pauline Jaricot (1799–1862).
 | Foto: missio.at
  • Vom Luxusleben zur missionarischen Sozialreformerin: Pauline Jaricot (1799–1862).
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Mit der Seligsprechung von Pauline-Marie Jaricot an diesem Sonntag ehrt Papst Franziskus das Lebenswerk einer besonderen Frau: Ihr Einsatz galt den Armen und der kirchlichen Missionsarbeit.

Pauline Jaricot war die Tochter eines Seidenfabrikanten aus Lyon; sie wurde am 22. Juli 1799 als jüngstes von acht Kindern einer katholischen Familie geboren. Ihre unbeschwerte Kindheit hat sie mit dem Sohn eines reichen Tuchhändlers gemeinsam – Franz von Assisi. Wie dieser erfährt sie eine tiefe persönliche Bekehrung, mit ihm teilt sie den radikalen Einsatz für den eingeschlagenen Weg.

Ein Sturz ändert alles

Ein Sturz bringt das elegante Leben der jungen Diva, das ihr der Wohlstand ihrer Familie ermöglicht, aus dem Gleichgewicht. Während der langen Genesung stirbt die Mutter, von der sie mit großer Hingabe gepflegt wurde. Mit 17 Jahren bricht Pauline mit ihrem bisherigen Lebensstil. Die Predigt eines Priesters ist der Wendepunkt, der alles in Frage stellt, was ihr bisher im Leben selbstverständlich und wichtig war. Sie verschenkt ihre wertvollen Kleider, ihren Schmuck und ihr Vermögen an Bedürftige und Kranke, tauscht ihre teuren Schuhe gegen schlichte Ledersandalen und verbrennt ihre Liebesromane. In der Weihnachtsnacht 1816 legt sie ein Keuschheitsgelübde ab.

Pauline engagiert sich für die Arbeiter, die im Zuge der industriellen Revolution unter elenden Lebensbedingungen leiden. Sie tut, was im laizistischen Frankreich, in dem die katholische Kirche als solche nicht mehr in der Öffentlichkeit wirken kann, möglich ist. Sie widmet sich der Armenfürsorge, organisiert Beschäftigungen für arbeitslose Mädchen und kümmert sich um Kranke.

Leidenschaft für die Überseemission

Durch ihren Bruder Phileas, der in Paris Theologie studiert, um China-Missionar zu werden, entdeckt sie ihre Leidenschaft für die Überseemission. Unter den damaligen Bedingungen kann sie – als Frau und Laiin – nicht selbst in die Mission gehen. Inspiriert von der protestantischen Missionsbewegung organisiert sie Gruppen, die die Mission durch ihr Gebet und eine regelmäßige Spende fördern. Bald erreicht sie mit ihrer Idee tausende Unterstützer. Nun werden auch Verantwortliche der Kirche auf die Initiative aufmerksam. Zur Unterstützung der Mission wirbt sie ab 1819 für einen nationalen Missionsverein, dessen Mitglieder sich verpflichten, täglich ein Gebet zu verrichten und wöchentlich 5 Centimes zu spenden.

„Mein Kloster ist die Welt“

Die Gründung der „Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens“, auf die das heutige Missionswerk Missio zurückgeht, findet jedoch ohne Pauline Jaricot statt. Mit 22 Jahren folgt sie nämlich schweren Herzens der Weisung ihres Beichtvaters, der sie zur Kontemplation berufen sieht, und zieht sich aus dem aktiven Leben zurück. Zunehmend erkennt sie, dass das nicht ihr Weg ist: „Ich bin geschaffen, um zu lieben und zu handeln. Mein Kloster ist die Welt.“

Pauline Jaricot setzt auf den Rosenkranz als Mittel zur Unterstützung der Mission und ruft dazu 1826 das „Rosenkranz-Werk“ ins Leben. Dieser „Lebendige Rosenkranz“ ist als eine alle Kontinente umspannende Gebetsliga gedacht. Dabei verpflichten sich insgesamt 15 Beter (eine „Rose“), je ein Gesätzchen der drei Rosenkränze (freudenreicher, schmerzhafter und glorreicher) zu beten. Da jedes Mitglied weitere Beter anwirbt, wächst die Gemeinschaft rasch. Innerhalb weniger Jahre ist jeder siebte Einwohner Frankreichs als Mitbeter gewonnen.
Pauline Jaricot ist eine Netzwerkerin, die auf vielen Ebenen agiert. 1839 gründet sie auf einem von ihr erworbenen Landgut eine Schule der Lazaristen. Seit Jahren kommt es zu blutigen Aufständen der Seidenweber, und Pauline Jaricot weiß nur allzu gut um die unhaltbaren Zustände in den Fabriken – täglich bis zu 16 Stunden Arbeit bei Hungerlöhnen, als eine Folge auch die sexuelle Ausbeutung von Arbeiterinnen.

1845 beginnt sie eine weitere Initiative für die Arbeiter. Dazu kauft sie eine Erzhütte, die sie nach gerechten, sozialen Grundsätzen zu führen gedenkt. Mit ihrer Vision von gerechten Arbeitszeiten und Löhnen, freundlichen Arbeiterwohnheimen und Gewinnbeteiligung nimmt sie wesentliche Forderungen der katholischen Soziallehre vorweg. Doch die Verwalter unterschlagen Geld, das Unternehmen geht 1852 in Konkurs, Pauline verliert ihr gesamtes Vermögen, wird angefeindet und stirbt vereinsamt am 9. Jänner 1862. 1935 wird ihr Leichnam nach Einleitung der Seligsprechung in der Kirche Saint-Nizier in Lyon beigesetzt.

Inspiration für andere

Pauline Jaricots Initiativen und Berichte inspirieren den Aachener Arzt Heinrich Hahn schon zu ihren Lebzeiten, 1837 ebenfalls einen Missionsverein zu gründen. Erst lange nach ihrem Tod wird ihre Idee nochmals lebendig. Der von ihr gegründete Missionsverein und zwei weitere französische Missionsvereine werden am 3. Mai 1922 zum „Päpstlichen Werk der Glaubensverbreitung“ mit Sitz in Rom umgewandelt.

1930 wird das Verfahren zur Seligsprechung von Pauline Jaricot eingeleitet, Papst Johannes XXIII. erklärt sie 1963 zur „ehrwürdigen Dienerin Gottes“. Nach der Anerkennung eines Wunders unterzeichnet Papst Franziskus im vergangenen Jahr die Seligsprechungsurkunde. Den Gottesdienst zur Seligsprechung feiert der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle, der Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker, an diesem Sonntag, dem 22. Mai, in Lyon.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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