Zeitgeschichte
Maria Stromberger - ein Engel in der Hölle von Auschwitz

Maria Stromberger ging freiwillig als Krankenschwester ins KZ Auschwitz und rettet dort vielen Menschen das Leben.  | Foto: Harald Walser, Public domain, via Wikimedia Commons
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Die Kernstockgasse in Graz heißt nun Maria-Stromberger-Gasse. Maria lebte lange in Graz und rettete unter höchster Lebensgefahr – immer den Tod vor Augen - vielen Häftlingen im KZ das Leben. In Österreich wurde sie nach Kriegsende eingesperrt und nachher in Polen jubelnd empfangen.

Als sich Maria Stromberger am 1. Oktober 1942 freiwillig als Krankenschwester ins KZ Auschwitz, etwa 60 Kilometer westlich von Krakau, versetzen ließ, ahnte sie, dass Schlimmes auf sie zukommen könnte. Sie hatte von den Gräueln gehört, konnte aber die Wahrheit kaum glauben. „Ich will sehen, wie es wirklich ist, vielleicht kann ich auch etwas Gutes tun“, sagte sie ihrer Schwester.

Dieser Anspruch, Gutes zu tun, prägte das Leben der gebürtigen Metnitztalerin, die 1898 in St. Veit an der Glan als jüngstes von neun Geschwistern geboren wurde. Im Alter von 16 Jahren übersiedelte sie nach Graz, um im Grand Hotel Steirerhof am Jakominiplatz zu arbeiten. Ihre Arbeit erfuhr eine Unterbrechung, weil sie ihre Mutter ein Jahr lang bis 1917 pflegte. Danach kehrte sie wieder nach Graz zurück, wo sie bis 1930 als »Küchenhilfe« im Steirerhof beschäftigt war, um dann Ende 1930 zum Gasthof Zotter am Karmeliterplatz in Graz zu wechseln. Maria Stromberger verdiente dort aber fast nichts, der Gasthof steckte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sie war auch nicht krankenversichert.

Weil Marias Vater nach einem Schlaganfall zum Pflegefall geworden war, übernahm sie wieder bis zu seinem Tod im Juli 1937 die anstrengende Pflege. Im Alter von 39 Jahren beschloss sie, Krankenschwester zu werden. Aus diesem Grund übersiedelte sie nach Bregenz. Dort besuchte sie die Krankenschwesternschule des Klosters Mehrerau und versorgte in dieser Zeit auch ihre sehbehinderte Schwester Karoline.

Im Kreiskrankenhaus Lienz erfuhr sie 1941 zum ersten Mal von den furchtbaren
Zuständen in Polen. Sie ließ sich daraufhin 1942 freiwillig nach Polen versetzen, wo sie beinahe drei Jahre im KZ-Auschwitz lebte.

Leben und Widerstand leisten in Auschwitz
Als Oberschwester unterstanden ihr im KZ-Auschwitz mehrere Krankenschwestern, die ihrer Vorgesetzten sehr reserviert gegenüberstanden. Bei der brutalen Ermordung eines Häftlings fiel Maria Stromberger in Ohnmacht. Dies war für die Häftlinge ein Zeichen, dass hier jemand war, der anders dachte und handelte als die restliche Belegschaft. Sie schmuggelte Essen in die Baracken, sie zweigte Lebensmittel für Häftlinge ab, half mit Medikamenten und konnte in Einzelfällen Häftlinge vor den ärgsten Brutalitäten der SS schützen. Sie brachte private und KZ-interne Nachrichten in und aus dem Lager und besorgte Zyankalikapseln für Männer, die fliehen wollten, aber Angst hatten, wenn sie gefasst würden, unter Folter ihre Mitwisser zu verraten. Sie unterstützte Fluchtversuche, versorgte die Widerstandsbewegung außerhalb des Lagers mit Informationen und brachte zwei Revolver ins KZ. Und das alles unter ständiger Lebensgefahr.

Viele dieser Erlebnisse behielt sie in ihrer Erinnerung. Es ist wie ein Wunder, dass Maria Stromberger nie aufflog. Es gab zwar immer wieder Beschwerden, dass sie den Häftlingen gegenüber zu mütterlich und menschlich sei, doch beließ es ihr Vorgesetzter, Standortarzt und Mitglied der Waffen-SS, Dr. Eduard Wirths, bei einer Verwarnung.

Anfang Jänner, zwei Wochen vor der Evakuierung von Auschwitz, meldete sich das SS-Führungshauptquartier in Berlin in der Causa Maria Stromberger und forderte, dass sie sich in Berlin zu melden habe. Dr. Wirths, der wusste, dass Stromberger keine Nationalsozialistin war, sorgte mit einer Scheindiagnose dafür, dass sie Anfang 1945, als ihre Kontakte zur Widerstandsbewegung kaum mehr zu verbergen waren, als „Morphinistin“ nach Berlin versetzt wurde, worauf eine Überweisung an das neurologische Krankenhaus in Prag erfolgte. Mit dieser Diagnose dürfte ihr Dr. Wirths das Leben gerettet haben.

Von Prag aus kehrte Maria Stromberger am 3. Februar 1945 nach Bregenz zurück. Dort ahnte niemand, dass Maria Stromberger in Auschwitz Häftlinge unterstützt hatte. Die österreichischen Behörden und die französische Besatzungsmacht fahndeten steckbrieflich nach der KZ-Krankenschwester und steckten sie im Sommer 1946 für ein halbes Jahr in das Internierungslager Brederis in Rankweil.

Von dort, wo sie mit Nazi-Verbrechern, SS-Angehörigen und ehemaligen Gestapomitgliedern in einen Topf geworfen wurde, schrieb sie einen erschütternden Brief an einen ihrer engsten Vertrauten in Auschwitz, den KZ-Insassen Edward Pys. Er setzte gemeinsam mit anderen Ex-Häftlingen von Polen aus die Befreiung von Maria Stromberger durch.

Blamables Verhalten und Würdigung
Maria Stromberger fand in Österreich nicht die verdiente Anerkennung, in Polen wurde sie jedoch jedes Mal mit Begeisterung empfangen. Die parteilose und gläubige Katholikin passte in kein Schema. Den einen war sie als Widerstandskämpferin suspekt und den anderen wegen ihres Glaubens. So wurde ihr die verdiente Anerkennung Zeit ihres Lebens verweigert.

Maria Stromberger konnte nicht mehr als Krankenschwester arbeiten und verdingte sich mit Hilfsarbeiten in einer Textilfabrik. Was sie nach dem Krieg an Verfolgung, Diffamierung, Denunziation und Hass erleben musste, erschüttert fast ebenso wie die Gräuel im KZ. Ihr wurde unterstellt, sie habe eigenhändig Häftlinge totgespritzt.

In einem Brief an Edward Pys schrieb sie: „Meinen Reichtum an Liebe habe ich, so scheint mir, in Auschwitz verstreut, meinen Zweck habe ich erfüllt, was soll ich noch mehr?“ Bei einer Ehrung sagte sie: „Was ich tat, war Menschenpflicht und leider nur ein Tropfen im Meer.“

Am 18. Mai 1957 verstarb Maria Stromberger an Herzversagen in Bregenz bei ihrer Schwester Karoline Greber. Edward Pys, der ehemalige KZ-Insasse und ihr engster Mitarbeiter, der den Kontakt zu Maria Stromberger bis zu ihrem Tod aufrecht erhalten hatte, schrieb an ihre Schwester: „Den Tod von Schwester Maria empfinde ich, als ob meine Mutter gestorben wäre. Sie war eine Mutter für uns alle, aber besonders für mich in den finsteren Tagen, die wir im Konzentrationslager verbrachten. Sie war ein Engel in der Hölle von Auschwitz. Sie hat uns bewiesen, dass nicht alle Leute, die deutsch reden, Mörder sind. Sie hat unser Vertrauen und unsere Liebe erworben.“

Nun wird Maria Stromberger für ihr Wirken gegen Gewalt und Menschenverachtung gewürdigt. In Graz wurde 2024 eine Gasse nach ihr benannt.

Josef Till
Erstveröffentlicht in der Pfarrzeitung der Pfarren Gösting und Thal, Nr. 93, 2024.

Maria Stromberger ging freiwillig als Krankenschwester ins KZ Auschwitz und rettet dort vielen Menschen das Leben.  | Foto: Harald Walser, Public domain, via Wikimedia Commons
In Graz wurde nun eine Gasse nach ihr benannt.  | Foto: Marusa Puhek
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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