Sonderberichterstattung zum 150. Geburtstag
Bischof Michael Memlauer (1874-1961)

Bischof Michael Memelauer | Foto: Kirche bunt Archiv
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Bischof Alois Schwarz über Bischof Memelauer: Ein mutiger Hirte in dunklen Zeiten

Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz | Foto: Diözese St. Pölten

Mit großer Freude und tiefem Respekt blicken wir im Jahr 2024 auf eine außergewöhnliche Persönlichkeit der jüngeren Kirchengeschichte: Bischof Michael Memelauer. Ihm zu Ehren widmet das Museum am Dom eine Sonderausstellung im ehemaligen Luftschutzkeller der Diözese, die nicht nur sein Wirken als Seelsorger, sondern auch sein mutiges Zeugnis in einer der dunkelsten Zeiten unseres Landes beleuchtet.

Bischof Memelauer war von 1927 bis 1961 Bischof von St. Pölten und prägte das Leben in unserer Diözese durch seine unermüdliche Hingabe an die Menschen. In einer Zeit, in der Österreich unter dem Einfluss des Nationalsozialismus stand, zeigte er außergewöhnlichen Mut und Entschlossenheit. Seine eindrucksvolle Silvesterpredigt von 1941, in der er sich deutlich gegen die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus stellte, bleibt bis heute ein leuchtendes Beispiel für christliche Standhaftigkeit und moralische Klarheit. Seine Worte „Es gibt ein Gebot Gottes: Du sollst nicht töten“ hallten in einer Zeit der Angst und Unterdrückung wie ein starkes Signal der Hoffnung und der Menschlichkeit wider.

Mutiger Bekenner und Verteidiger christlicher Werte

Diese Sonderausstellung möchte Bischof Memelauer nicht nur als den mutigen Bekenner und Verteidiger christlicher Werte zeigen, sondern auch seine Rolle als Seelsorger, Lehrer und Hirte verdeutlichen, der stets die Nähe zu den Menschen suchte. Seine Bescheidenheit, sein tiefer Glaube und sein unerschütterliches Vertrauen in die göttliche Vorsehung sind Vorbilder, die auch heute noch inspirieren.

In den verschiedenen Ausstellungsbereichen werden neben historischen Dokumenten und persönlichen Gegenständen auch multimediale Installationen gezeigt, die einen tiefen Einblick in das Leben und Wirken dieses außergewöhnlichen Bischofs ermöglichen. Besucher können in die Geschichte der Diözese eintauchen und entdecken, wie Bischof Memelauer nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft nachhaltig beeinflusste.

Bischof Memelauer zeigt uns, dass Mut, Glaube und Menschlichkeit zeitlose Tugenden sind, die auch in der heutigen Zeit Orientierung und Halt geben können.

Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung seiner Beziehungen zu den Gläubigen und seine Fähigkeit, Brücken zu bauen – sowohl in schweren Zeiten des Krieges als auch in den Jahren des Wiederaufbaus. Diese Brückenbauerqualitäten sind heute aktueller denn je, wenn wir in einer Welt voller Herausforderungen leben, die nach Einheit und Verständigung ruft.

Die Ausstellungen des Museums am Dom wollen nicht nur historische Fakten vermitteln, sondern uns auch zur Reflexion über die Bedeutung christlicher Werte und die Verantwortung jedes Einzelnen in unserer Gesellschaft anregen. Bischof Memelauer zeigt uns, dass Mut, Glaube und Menschlichkeit zeitlose Tugenden sind, die auch in der heutigen Zeit Orientierung und Halt geben können.

Ich lade Sie alle herzlich ein, in die Geschichte eines Bischofs einzutauchen, dessen Leben ein kraftvolles Zeugnis für den unerschütterlichen Glauben an die Liebe und Gerechtigkeit Gottes ist. Möge sein Beispiel uns inspirieren, auch in unserer Zeit standhaft zu bleiben und den christlichen Glauben mutig und entschlossen zu leben.
Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen
Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz


Manuela Rechberger

Ausstellung im ehemaligen Luftschutzkeller der Diözese St. Pölten

Die früheren Luftschutzkeller im Bistumsgebäude werden zum Ausstellungsraum. | Foto: Museum am Dom
  • Die früheren Luftschutzkeller im Bistumsgebäude werden zum Ausstellungsraum.
  • Foto: Museum am Dom
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Im Bistumsgebäude der Diözese St. Pölten am St. Pöltner Domplatz hat sich ein Teil der dort in den 1930er Jahren eingerichteten Luftschutzkeller weitestgehend original erhalten. Sie waren besonders in den letzten Wochen und Monaten des Zweiten Weltkrieges von enormer Bedeutung: Vor allem im Frühjahr 1945 kam es zu zahlreichen Luftangriffen auf St. Pölten. Rund ein Drittel der Bausubstanz der Stadt wurde in dieser Zeit zerstört.

Die Ausstellung macht einen Teil der ehemaligen Luftschutzkeller der Öffentlichkeit zugänglich. Sie dokumentiert die Situation der Diözese St. Pölten während der NS-Zeit anhand von Exponaten, Zeitzeugenberichten und archivalischen Quellen. St. Pöltner Bischof war in diesen Jahren Michael Memelauer (1927–1961), der es als einer von wenigen hochrangigen Geistlichen in Österreich wagte, das NS-Regime öffentlich zu kritisieren, etwa in seiner sogenannten „Silvesterpredigt“ des Jahres 1941. Bischof Memelauer war vor allem auch die Unterstützung der Jugend ein großes Anliegen – so kam es zur Etablierung einer sehr aktiven Jugendgruppe, die sich im Geheimen regelmäßig in und um den Dom traf. Leiter dieser Jugendgruppe war der spätere Kardinal Franz König, damals Domkurat und Jugendseelsorger in St. Pölten.

Die Ereignisse im Dombezirk sind durch schriftliche Zeitzeugenberichte einiger Domherren gut dokumentiert. Zu ihnen zählt auch der damalige Generalvikar Michael Distelberger, der in seinem „Kriegstagebuch“ sehr detailliert über die Vorkommnisse berichtet. In die Zeit der schwersten Bombenangriffe fällt im Frühjahr 1945 auch das Osterfest. Wie dieses unter den widrigen und gefährlichen Bedingungen gefeiert wurde, erzählt Kanonikus Josef Karas.

Neben einem Schwerpunkt auf die Begebenheiten in St. Pölten, wird in der Ausstellung auch die Situation der Geistlichen im ländlichen Bereich der Diözese thematisiert. Seelsorge und der römisch-katholische Religionsunterricht wurden vom Regime genau beobachtet – viele Kleriker hatten unter Repressalien zu leiden.

MUSEUM AM DOM ST. PÖLTEN
Öffnungszeiten: bis inkl. 15. November 2024
Di, Mi, Fr 10–17 Uhr
Do 10–19 Uhr
Sa, So, Feiertag 10–16 Uhr
Führungen nach Voranmeldung (Mindesgruppengröße 10 Personen)
Führungen für Einzelpersonen oder Kleingruppen ohne Voranmeldung jeden Donnerstag um 17 Uhr (außer feiertags)
www.museumamdom.at; Tel. 02742/324 335


Mag. Felix Deinhofer

Leben im Sturm der Zeit

Memelauer (2.v.l.) als Dompfarrer beim gemütlichen Beisammensein mit Priesterkollegen. | Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
  • Memelauer (2.v.l.) als Dompfarrer beim gemütlichen Beisammensein mit Priesterkollegen.
  • Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
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Das lange Leben Michael Memelauers von 1874 bis 1961 fiel in eine Zeit der Umbrüche: Geboren noch zur Zeit der Monarchie musste Memelauer sein Wirken in Zeiten der Kriege und politischen Wirren entfalten und zahlreiche Neuanfänge meistern.

Michael Memelauer war ein Volksbischof im wahrsten Sinne des Wortes – einer, der aus dem Volk kam und für sein Volk lebte. Er entstammte einem der unzähligen Bauernhöfe, die Landschaft und Leben im westlichen Niederösterreich so sehr prägen. Geboren wurde er am 23. September 1874 als erster Sohn der Bauern Michael und Johanna Memelauer am Hof Hehenberg zwischen Oed und Schaching im Mostviertel.

Der elterliche Hof war erst im Sommer zuvor nach einem Blitzeinschlag abgebrannt und noch dazu zu gering versichert gewesen. Es war also kein reicher Haushalt, in dem der spätere Bischof aufwuchs. Dennoch dürfte er Berichten zufolge eine glückliche Kindheit durchlebt haben: Vater und Mutter waren angesehene, fromme Bauern – besonders die Mutter war aufgrund ihrer Wohltätigkeit bekannt. Schon früh reifte in Michael Memelauer der Wunsch, Priester zu werden. Täglich vor Schulbeginn besuchte er die Messe und wurde vom Pfarrer gefördert. Trotz der schwierigen finanziellen Umstände ermöglichten ihm die Eltern eine weiterführende Ausbildung, um den Wunsch ihres Sohnes erfüllen zu können.

Er besuchte das Benediktinergymnasium Seitenstetten und lebte im dortigen Knabenseminar. Nach der Matura trat er in das St. Pöltner Alumnat ein und absolvierte in Bestzeit sein Theologiestudium. Mit 22 Jahren – eine römische Altersdispens war notwendig – wurde er zum Priester geweiht. Seine Kaplansjahre führten ihn in die Pfarren Haag, Schrems und Krems. An allen Stellen fiel er durch seinen seelsorglichen Eifer auf und brillierte vor allem in der Jugend- und katholischen Vereinsarbeit. 1904 wurde er als Domkurat nach St. Pölten berufen. Dort widmete er sich besonders dem Kolpingwerk, das er 13 Jahre lang als Präses leitete.

1917 wurde er zum Dompfarrer ernannt und ins Domkapitel aufgenommen. Der Pfarralltag war vom Ersten Weltkrieg geprägt. Nach Ende des Krieges musste er an die mühselige Aufbauarbeit schreiten, die sich als sehr schwierig darstellte, da es in allen Bereichen an materiellen Mitteln mangelte. Besonders in den neu entstehenden Arbeitervierteln St. Pöltens fehlte es an allem. 1920 rief Memelauer daher den Caritas-Verband ins Leben, der zur Linderung der schlimmsten Not beitragen konnte und den Grundstein für die heute existierende Caritas bildete. Da von den Religionsfonds-Geldern die Dommusiker nicht mehr ausreichend bezahlt werden konnten, rief er 1924 gemeinsam mit Johann Pretzenberger den ebenfalls heute noch bestehenden Dommusikverein ins Leben.

Wunschkandidat für das Bischofsamt


In seiner Zeit als Dompfarrer erlangte Michael Memelauer einen herausragenden Ruf, weshalb er für viele als logischer Nachfolger des Bischofs Johann Baptist Rössler galt, der am 4. Jänner 1927 nach über 30 Jahren im Amt verstorben war. Die Freude war somit groß, als am Karsamstag des Jahres 1927 die Ernennung des populären Dompfarrers bekanntgegeben wurde. Die Feierlichkeiten rund um Bischofsweihe und Amtseinführung des neuen Bischofs waren wahre Volksfeste: Tausende Gläubige strömten zum Dom, um an den – in der Zeit der geistigen und materiellen Armut nach dem Krieg selten gewordenen – pompösen Zeremonien teilzunehmen. Der junge Oberhirte verkündete das Programm seiner Amtszeit: Auch als Bischof möchte er sich der Seelsorge verschreiben.

Der Bischof hatte nicht genug versprochen – das ganze erste Regierungsjahrzehnt war von seelsorglichen Schwerpunkten geprägt: Priestern wurde die politische Betätigung untersagt, ein diözesanes Exerzitienwerk wurde errichtet, die Katholische Aktion gegründet, Kirchen wurden gebaut und Pfarren errichtet sowie die volksliturgische Bewegung in der Diözese umgesetzt.
Ganz von der Verstrickung mit der Politik konnte sich jedoch auch Memelauer nicht befreien: Den Umbau der Republik Österreichs zum christlichen Ständestaat unterstützte er – trotz einer gewissen Skepsis – genauso wie seine Amtskollegen. Am Tag der Proklamation der Maiverfassung 1934 zelebrierte er vor dem St. Pöltner Rathaus eine Feldmesse. Dies wurde als Symbol der „Übernahme“ des „roten“ Rathauses durch das christliche Lager verstanden. Nach der Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wurde vor dem St. Pöltner Dom eine Gedenksäule angebracht.

Die Freude war groß, als die Ernennung des populären Dompfarrers zum Bischof
bekanntgegeben wurde.

1938 kam es erneut – zum dritten Mal in Memelauers Leben – zu einer großen Umwälzung im Staat: Mit dem Einmarsch deutscher Truppen wurde Österreich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich angegliedert. Der Wiener Erzbischof, Theodor Kardinal Innitzer, war der Meinung, er könne durch diplomatisches Geschick ein schlimmes Schicksal für die österreichische Kirche abwenden. Er ließ sich daher zu Verhandlungen mit den Nationalsozialisten hinreißen, die daraufhin allerdings von den österreichischen Bischöfen eine positive Stellungnahme zum Anschluss erwarteten. Memelauer weigerte sich zunächst, diese sogenannte „Feierliche Erklärung“ zu unterzeichnen. Prälat Franz Willinger – in der Kriegszeit Ordinariatssekretär und später erster Chefredakteur der Kirchenzeitung – erinnerte sich an eine Äußerung Memelauers: „Unter keinen Umständen wollte ich bei unserer Konferenz in Wien diesen Aufruf unterschreiben. Habe mich lange geweigert. Nur um die Einheit der Bischöfe zu wahren, unterschrieb ich endlich auf viel Zureden hin. Heimgekehrt überlegte ich noch lange, ob ich meine Unterschrift nicht noch zurückziehen sollte.“

Zurückgezogen hat der Bischof seine Unterschrift dann nicht mehr – vermutlich, um einen Eklat zu vermeiden. Allerdings drückte er seinen stillen Protest aus, indem er im Diözesanblatt die Präambel „Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen“ wegließ. Aufgrund von Widerständen musste der Text später nochmals im vollen Wortlaut veröffentlicht werden.

Prophetischer Mut in Zeit der
Bedrängnis

Der sonst politisch sehr zurückhaltende Memelauer bezog Ende des Jahres 1941 in seiner berühmt gewordenen Silvesterpredigt überraschend deutlich Stellung gegenüber dem NS-Regime. Die Predigt, die vor allem das „Euthanasieprogramm“ in den Behindertenanstalten anprangerte, gipfelte in den Worten: „Vor unserem Herrgott gibt es kein unwertes Leben.“ Bis heute ist unklar, wie der Bischof nach diesen deutlichen Worten einer schärferen Verfolgung entgehen konnte.

In den letzten Kriegstagen, in denen auch St. Pölten Ziel der alliierten Bombenangriffe geworden war, blieb der Bischof bei den Bewohnern der Stadt, die sich in die Luftschutzkeller geflüchtet hatten.
Zum Ende des Krieges war Memelauer bereits über 70 Jahre alt, schritt jedoch trotz seines Alters voller Elan an die Wiederaufbauarbeit (mehr dazu auf Seite 18 in dieser Ausgabe). Aufgrund von zunehmend eintretenden gesundheitlichen Beschwerden wurde zu seiner Unterstützung 1952 Franz König, der in der NS-Zeit Jugendseelsorger in St. Pölten gewesen war, zum Bischof-Koadjutor ernannt. Dieser wurde allerdings 1956 zum Wiener Erzbischof ernannt. Sein Nachfolger wurde Franz Žak, an den der greise Bischof mehr und mehr seiner Pflichten übertrug. Am 30. September 1961 verstarb Bischof Michael Memelauer. Zur selben Zeit war die Eröffnung des neugebauten Hippolythauses angesetzt, zu der sich Žak daher verspätete und wo er den Tod des Oberhirten verkünden musste.

Mit einer Amtszeit von 34 Jahren war Memelauer der bisher längstdienende und aufgrund seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit einer der bedeutendsten Bischöfe von St. Pölten. Erstmals wird anlässlich seines 150. Geburtsjubiläums eine umfassende Biografie der Öffentlichkeit übergeben (siehe linke Seite).

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Donnerstag, 19. September 2024
Festakt anlässlich des 150. Geburtstages von Bischof Michael Memelauer:
17 Uhr Eröffnung der Ausstellung im Luftschutzkeller (Sommerrefektorium)
18.30 Uhr Gedenkmesse für Bischof Memelauer (Domkirche)
19.30 Uhr Präsentation des Buches „Michael Memelauer – Leben und Wirken eines Volksbischofs“ von Mag. Felix Deinhofer (Domkirche)
u. A. w. g. bis 16. September 2024 unter museum@dsp.at

Buchtipp
Michael Memelauer – Leben und Wirken eines Volksbischofs von Felix Deinhofer. Erschienen im Verlag des Diözesanarchivs St. Pölten 2024, Hardcover, 244 Seiten. Preis 24,90 Euro.
Bestellungen über den Online-Shop des Diözesanarchivs (www.dasp.at/shop), direkt postalisch (Klostergasse 10, 3100 St. Pölten) oder per
E-Mail (archiv@dsp.at) beim Diözesanarchiv.
verlosung
„Kirche bunt“ verlost 2 Exemplare des Buches. Einsendungen mit dem Kennwort „Memelauer“ bis
1. Oktober 2024 an: Kirche bunt, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten, gewinnspiel@kirchebunt.at.


Mag. Karl Kollermann

Geschwisterlicher Neuaufbruch

Heimattag am Domplatz am 2. Mai 1954. | Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
  • Heimattag am Domplatz am 2. Mai 1954.
  • Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges musste der betagte Bischof von St. Pölten einen weiteren Neubeginn initiieren. Sein Geschick in der Seelsorge und besonders in der Jugendarbeit bewirkte ein neues Aufblühen des katholischen Lebens in der Diözese.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges lag die Diözese St. Pölten zur Gänze in der sowjetischen Besatzungszone. Obwohl das kommunistische Regime antiklerikal eingestellt war, kam es zu keinen nennenswerten Übergriffen gegen die katholische Kirche. Allerdings wurden viele in der NS-Zeit beschlagnahmte Gebäude von der Sowjetarmee weiterhin genutzt.

Bischof Michael Memelauer war zu dieser Zeit bereits 18 Jahre Bischof in St. Pölten. Trotz seines fortgeschrittenen Alters lag es an ihm, wichtige Reformen, eigentlich einen Neubeginn der Diözese, einzuleiten.

Die ersten Nachkriegsjahre

Schon am 10. Mai 1945 wandte sich Bischof Memelauer mit einem Hirtenbrief an die Gläubigen. Er thematisierte darin das erlittene Leid, die vielen Todesopfer, die Vergewaltigungen und den Verlust der Existenzgrundlage vieler Gläubiger. Daneben zeigte er die Verluste der Kirche auf und wies auf die Zerstörung des Priesterseminars, die Beschädigung des Franziskanerklosters oder des Domes in St. Pölten hin.
Mit seinem Aufruf versuchte er den Weg zu einem Neubeginn zu ebnen: „Das sollen und wollen wir in Zukunft sein, Brüder und Schwestern untereinander, die sich gegenseitig verstehen, die erfüllt sind von echt christlicher verzeihender Liebe, die keine Rachsucht kennt, mag die Vergangenheit uns auch manches Unrecht zugefügt haben.“

Nach Memelauers Vorstellung sollte die Kirche ausschließlich religiös orientiert sein und sich nicht in die Tagespolitik einmischen. Im ersten Pastoralschreiben nach dem Krieg wurde daher die Forderung nach vollständiger Abstinenz des Priesters von jeder politischen Betätigung verlautbart. Voran standen die Worte „nicht blos Wunsch, sondern Befehl des Bischofs“. In diesem Schreiben wurde ebenso die prägende Ausrichtung für die nächsten Jahrzehnte gelegt: „Unser Wirken hat sich künftighin einzig und allein auf die Seelsorge einzustellen.“

Am 1. Jänner 1946 erschien die erste Ausgabe des St. Pöltner Kirchenblattes (heute „Kirche bunt“). Nach dem Wunsch des Bischofs sollte diese Kirchenzeitung ein unpolitisches Blatt, ausgerichtet auf die Interessen der Diözesanen und mit „lokalem Kolorit“ versehen, sein.

Pfarren in Wiederaufbau und Neustrukturierung

Neben den Kriegsschäden an Wohnhäusern und Infrastruktur waren auch kirchliche Einrichtungen von der Zerstörung durch Bomben betroffen. Praktisch völlig zerstört waren die Herz-Jesu-Kirche in Amstetten, die Kirche in Rust im Tullnerfeld sowie die Filialkirche in Traisen. Zahlreiche weitere Kirchen hatten schwerere oder leichtere Schäden erlitten. Neben den Renovierungen war die Neuanschaffung der im Krieg abgenommenen Glocken ein wichtiges Ziel, wobei die Bevölkerung in den Pfarren großes Engagement zeigte. In den Jahren nach 1945 kam es zu vielen Glockenweihen, welche in den Pfarren mit Umzügen gefeiert wurden.

Durch Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg notwendig, Kirchen zu errichten oder auszubauen. 1948 wurden durch Bischof Memelauer Pfarrexposituren in Böhlerwerk, Krummnußbaum und Gmünd-Neustadt errichtet. Letztere entstand aus einem ehemaligen Flüchtlingslager des Ersten Weltkriegs und wurde 1953 zur Pfarre erhoben. In Eichgraben wurde die 1896 errichtete Kirche zu klein. Daher kam es in den Jahren 1948-1951 zum Bau des sogenannten „Wienerwalddomes“.

Das Wachstum von St. Pölten machte ebenfalls eine Verdichtung des Pfarrnetzes notwendig. 1953 wurde Stattersdorf zur Pfarre erhoben, 1956 wurde die Pfarre Viehofen und 1961 die Pfarre Maria Lourdes errichtet.

Schwerpunkt Jugend und Seelsorge

Im Oktober 1947 übernahm Memelauer auf Ansuchen von Kardinal Innitzer das Jugendreferat in der Bischofskonferenz. Er setzte sich für eine Neustrukturierung ein, bei der die Katholische Jugend als einzige kirchliche Jugendbewegung anerkannt wurde. 1948 erfolgte die Gliederung in Landjugend (KLJ), Arbeiterjugend (KAJ) und Mittelschuljugend (KMJ). Mädchen und Buben waren getrennt, sodass es je zwei Zentralleitungen gab. Die Anfänge der Katholischen Jugend setzten nach dem Krieg mit den sogenannten „Heimstunden“ in den Pfarren ein. Höhepunkte der Nachkriegszeit waren die Diözesanbekenntnistage 1949 in Krems, wo der Bischof vor 15.000 Jugendlichen sprach, und 1954 in St. Pölten, wo sich 12.000 Jugendliche zum Heimattag versammelten.

Mag. Josef Wallner

Liebe – Die Signatur der Jüngerschaft Jesu

Memelauer im Jahr seiner Bischofsweihe | Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
  • Memelauer im Jahr seiner Bischofsweihe
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Hirtenbriefe sind spannender als ihr Ruf. Liest man in den Hirtenschreiben von Bischof Memelauer, wird deutlich, welch breites Spektrum an Fragen ihn bewegt hat.

Ist bei den Gottesdiensten am …. zu verlesen“ steht klein gedruckt unter den Hirtenbriefen, die im Amtsblatt einer Diözese erscheinen. Damit ist klar, dass das keine beiläufigen Notizen, sondern amtliche und inhaltlich bedeutsame Mitteilungen sind. Mit allem, was Bischof Memelauer wichtig war, hat er sich – nicht nur in der Fastenzeit – an die Gläubigen seiner Diözese gewandt. Und das in überraschend klarer und ungekünstelter Sprache.

Schon in seinem ersten Hirtenbrief 1927 spricht Michael Memelauer die Gläubigen der Diözese ganz direkt an: „Ich verspreche euch, daß ich stets treu an Eurer Seite stehen und Eurer in meinem Gebete eingedenk sein werde; dass Eure Anliegen auch meine Anliegen sein werden …“. Es fällt auf, dass der Bischof keine Scheu hat „Ich“ zu sagen. Er betont nicht so sehr seine Amtsvollmacht, sondern steht mit seiner Person für die Menschen ein. Auf diese Verbindung setzt Memelauer auch, wenn er die Hilfe seiner „Diözesanen“ braucht. Das ist während der drückenden Not in den Jahren der Wirtschaftskrise der Fall. Der Bischof initiiert im Herbst 1931 eine Sammlung für die Arbeitslosen. „Es gibt keine Gemeinde, die nicht ihre Arbeitslosen hätte. Hunderte Familien hungern; tausende Kinder schreien um Brot.“ Er ruft einen „Kreuzzug des Mitleids“ ins Leben und bittet um Spenden in Naturalien oder Geld. „Ihr meine lieben Diözesanen ward nie hart, wenn es galt, ein Werk der Liebe zu setzen. Ich hoffe auch diesmal, nicht umsonst zu bitten.“ Ein Jahr später, als der Bischof die Fortführung der Wintersammlung bekannt gibt, blickt er in seinem Hirtenwort zurück: „Dankerfüllten Herzens kann ich sagen, daß Ihr meine lieben Diözesanen, … den Hilferuf des Bischofs verstanden habt, dass Ihr zu helfenden Karitasjüngern geworden seid.“

Ein „moderner Seelsorger“ ist Bischof von St. Pölten geworden, war die einhellige Meinung über die Ernennung Michael Memelauers. Zur modernen Seelsorge gehörte damals die Förderung der „Liturgischen Bewegung“. Ein zentrales Ziel dieser Bewegung war, dass die Gläubigen nicht nur an der heiligen Messe teilnehmen, sondern dass sie sie „bewusst und tätig“ mitfeiern. Bischof Memelauer hat die Liturgische Bewegung durch die Herausgabe eines über die Diözesangrenzen hinaus viel beachteten Gebet- und Gesangbuchs gefördert. Sein Einsatz für eine erneuerte Liturgie fand aber auch in mehreren Hirtenschreiben zur eucharistischen Frömmigkeit Niederschlag.

Im Jahre 1937 widmet der Bischof einen umfangreichen Fastenhirtenbrief dem „Christusgeist in der Pfarrfamilie“. Er nimmt dabei auf die Urkirche Bezug, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben wird: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; sie hielten fest an der Lehre der Apostel, an der brüderlichen Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebete.“ An diesem Schreiben des Bischofs wird seine Orientierung an der Bibel deutlich. Keine Predigt, kein Text des Bischofs, in dem nicht biblischer Geist spürbar wird. Der Bezug auf die Heilige Schrift zieht sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Verkündigung. Was im 2. Vatikanischen Konzil amtlich wurde, hat Bischof Memelauer Jahrzehnte davor schon ganz selbstverständlich praktiziert. Im Hirtenbrief von 1937 ruft er die Pfarren auf, an der „ersten Pfarrfamilie von Jerusalem“ Maß zu nehmen, in der der „Christusgeist“ noch ganz lebendig war.

„Ich verspreche euch, daß ich stets treu an Eurer Seite stehen und Eurer in meinem Gebete eingedenk sein werde.“

Eine besondere Herausforderung für sein Bischofsamt war die Zeit des Nationalsozialismus. Über die gemeinsamen Hirtenschreiben der Bischofskonferenzen hinaus hat sich Memelauer jährlich an die Jugend gewandt, an die Eltern mit der Aufforderung die Kinder zum Religionsunterricht anzumelden und an alle Gläubigen mit dem Hinweis, die Einschränkungen der Krankenhausseelsorge nicht hinzunehmen. Zu Kriegsende hat der Bischof in überwältigender Weise die Herzen der Bewohner seiner Diözese gewonnen. Das Schreiben, das dafür den Anstoß gab, hat er im Jänner 1945 mit Blick auf die nahende Front verfasst. Es war nur mehr sehr kurz. Es gipfelte in dem Satz: „Oberster Grundsatz ist: der Bischof bleibt bei seinen Diözesanen, der Seelsorger bei seiner Pfarrgemeinde.“ Er hielt sich an das, was er schrieb und erlebte das Kriegsende bei den Leuten im Luftschutzkeller des St. Pöltner Bistumsgebäudes.

Erneuerung im Geist der Liebe

Memelauer hat sein Wirken unter das Leitwort „Caritati“ gestellt. Das heißt „der Liebe“. Das Wort im dritten Fall hängt ein wenig in der Luft und verlangt nach einer Ergänzung: Memelauer selbst hat seinen Wahlspruch lange Zeit nie ausdrücklich erläutert, erst sein Fastenhirtenbrief 1947 lässt sich als dessen Entfaltung lesen. Im Rückblick auf die Schreckensjahre des Nationalsozialismus denkt er über die neue Zeit und den neuen Geist nach, den alle ersehnen. Der Bischof betont, dass sich die Wandlung zum neuen Menschen nach dem Wort Jesu vollziehen soll: „Ein neues Gebot gebe ich Euch, daß ihr einander liebt, wie ich Euch geliebt habe.“ Die Verwirklichung im Alltag ist nicht einfach: „Wir klagen in unseren Tagen gar laut über die Mangelwaren, die auf dem Wirtschaftsmarkt nicht zu haben sind. Ist Liebe, verzeihende, erbarmende und helfende Liebe nicht auch in unseren Tagen gar vielfach zur geistigen Mangelware geworden?“ Der Bischof macht aber deutlich, dass am Gebot der Liebe kein Weg vorbeiführt. Er bezeichnet sie als die „Signatur der Jüngerschaft“ Jesu und ruft die Menschen seiner Diözese auf: „Neue Zeiten, neue Menschen! Erneuert Euch im Geiste der Liebe.“

Erinnerungen vom damaligen Bischofssekretär Ferdinand Wimmer

Der Bischof - ,,kein Spaßverderber"

Blick in das Bischofs-Schlafzimmer | Foto: Anita Lackenberger

In seinen Aufzeichnungen erinnert sich Ferdinand Wimmer, der spätere Generalvikar und langjährige Sekretär von Bischof Michael Memelauer, an Begebenheiten mit seinem „hochverehrten Chef“, der ihm wie ein guter Vater gewesen sei. Wimmer gehörte 1927 jenem Jahrgang an, dem Bischof Memelauer erstmalig die Priesterweihe erteilte. Folgend Ausschnitte aus seinen Aufzeichnungen:

Wie eine „Säule“

Im August 1937 ließ mich Bischof Michael zu sich rufen: „Ich habe ein Attentat auf Sie!, meinte er mit seinem grundgütigen Lächeln. „Sie sollen mein Sekretär werden!“ „Excellenz“, erwiderte ich verlegen, „dazu tauge ich nicht, denn höfische Umgangsformen und Zeremonielles liegen mir nicht“. „Nun, dann glaube ich, passen wir gut zusammen“, antwortete der Bischof. Und so wurde ich am 1. September sein Sekretär und blieb es 22 Jahre lange.

Bereits in meinem ersten Sekretärsjahr kam die nationalsozialistische Welle über Österreich, eine harte, schwere Zeit für die Kirche und ihre Hirten. Bischof Memelauer stand in diesem Kampfe wie eine Säule unbeirrt und wusste immer zur rechten Stunde auch das rechte Wort zu sagen. (...)

Während des Krieges gab es auch für den Bischof keinen Benzin. Er war gezwungen auch die entlegensten Firmungsstationen mit dem Zug zu erreichen, der meistens sehr überfüllt war. Einmal, es war an einem Samstag, ging die Fahrt ins äußerste Waldviertel. Der Zug war zum Bersten voll. Auch der Bischof war stehend in die Menge eingezwängt. Plötzlich rief ein Soldat aus seiner Sitzecke laut durch den Wagon: „Herr Bischof, kommen Sie her, ich trete Ihnen meinen Platz ab!“ Der ganze Wagon war verdutzt über den Freimut dieses Soldaten, dessen Liebe zu seinem Bischof auch der Soldatenrock nicht verdecken konnte.

An einem heißen Sommertag wanderte Bischof Michael auf der staubigen Straße von Harland gegen Ochsenburg. Bald holte ihn ein LKW ein und der freundliche Fahrer lud den Bischof, den er nicht kannte, ein: „Herr Pfarrer, wollen’S mitfahren?“ Der Bischof zögerte vorerst, stieg aber dann doch ins Führerhaus. Als sie bei einem Glashaus vorbeikamen, konnte der Fahrer seine Durstgefühle nicht unterdrücken und meinte es wäre doch angezeigt, ein Gläschen zu trinken. Der Bischof war kein Spaßverderber, stieg mit aus, trank auch ein Glas Bier und bezahlte die Zeche. Dann ging die Fahrt weiter. In Ochsenburg verlangte der priesterliche Fahrgast auszusteigen und bedankte sich höflich. Dem Chauffeur aber kamen heimlich Zweifel, ob denn der Pfarrer nicht doch vielleicht der Bischof gewesen ist.

Filmemacherin Mag. Anita Lackenberger

Blick in das Bischofszimmer

Bei den Dreharbeiten zum Film „Das Land, der Bischof und das Böse“ besuchte Regisseurin Anita Lackenberger auch die Familie des berühmten Bischofs. Seiner Schwester und ihren Kindern hinterließ Michael Memelauer seinen wichtigsten Lebensbereich: sein Schlafzimmer. Als das Elternhaus des Bischofs in Sindelburg verkauft wurde, übersiedelte die Familie in einen Vierkanter nach Haag – samt Schlafzimmer des Bischofs. Die Nachkommen Memelauers leben noch heute dort. Das Schlafzimmer konnte die Regisseurin bei einem Besuch besichtigen (siehe Foto).

Erinnerungen hat auch der gebürtige St. Pöltner und Agrarwissenschaftler Heinrich Wohlmeyer, der als Sechsjähriger mit seiner Mutter bei der Silvesterpredigt anwesend war. Rückblickend sagt er: „Die Menschen wollten an das Gute glauben und wollten Hoffnung – auch wenn vor der Tür des St. Pöltner Doms die Gestapo jeden Einzelnen registrierte, der an diesem Abend die Silvestermesse besucht hatte.“

Mag. Wolfgang Zarl

Der große Mut unserer Geistlichen in der NS-Zeit

P. Paulus Wörndl, Pfarrer Johann Flicker und Pfarrer Richard Frasl (v. l.). | Foto: Alle drei Fotos: zVg
  • P. Paulus Wörndl, Pfarrer Johann Flicker und Pfarrer Richard Frasl (v. l.).
  • Foto: Alle drei Fotos: zVg
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Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) belegt im dritten Band des Werks „Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich 1934 – 1945“ zahlreiche Fälle, in denen Gestapo und NS-“Justiz“ nüchtern und kalt die Verfolgung von Priestern und Ordensleuten dokumentieren. Und die Dokumente zeugen davon, wie sehr die Nazis in den kirchlichen Alltag eindrangen. „Kirche bunt“ bringt Beispiele.

Feiern von Fronleichnam? Abhaltung von katholischen Jugendveranstaltungen? Reden mit polnischen Zwangsarbeitern? Oder Werben für eine kirchliche Heirat? Zahlreiche Gestapo-Berichte und Urteile der nationalsozialistischen „Justiz“ zeugen davon, wie sehr auch Priester, Ordensleute und einfache Gläubige eingeschüchtert, verwarnt oder bestraft worden sind.

Die Sicherheitspolizei hält im Oktober 1939 – 1,5 Jahre nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland – im verächtlichen NS-Jargon fest: „Die Aktivität der katholischen Geistlichkeit hält weiter an. Es ist bezeichnend, welche Wirkung die Wühlarbeit der Geistlichkeit in manchen klerikal verseuchten Gebieten gezeigt hat.“ Die Nazis empörten sich immer wieder, dass gerade in stark kirchlich geprägten Gegenden parallel inszenierte NS-Veranstaltungen schwächer besucht waren als kirchliche.

Beispiele von Mut


„Besonders machtvoll gestaltete sich das Erntedankfest im Stift Zwettl und auch dort, wo durch Stifte und bedeutende Kirchen die nötige Resonanz im Volk vorhanden ist.“ Der Inlandsbericht des Sicherheitsdienstes an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich empfahl 1939, dass mehr propagandistische Anstrengungen der NS-Partei gegen Teilnahme an kirchlichen Festen notwendig seien.
„Allgemein wird bemerkt, dass der Kirchenbesuch stark zunimmt und besonders in der bäuerlichen Bevölkerung das Wort des Geistlichen mehr gilt als Maßnahmen der Regierung“, empört sich der Reichsstatthalter in Niederdonau im Juni 1943. Die Nationalsozialisten beobachteten die Teilnahme an kirchlichen Festen genau und mit Argwohn. Der Landrat des Kreises St. Pölten hielt fest, dass die Beteiligung der Bevölkerung an der Fronleichnamsprozession am 27. Juni 1943 stärker gewesen sei als ein Jahr zuvor. Der NS-Landrat von Melk notierte im Juni 1944, dass „die Maiandachten allgemein stärker besucht waren als früher“. Mit den zahlreichen Kriegsopfern und den fehlenden Siegen an der Front dürften sich auch wieder mehr Menschen der Kirche angenähert haben.

Über den Domkurat von St. Pölten, Franz König – dem späteren Kardinal –, wurde eine Strafe von 1.000 Reichsmark (heute etwa 4.000 Euro) verhängt, weil er „durch Veranstaltung von Jugend-Treffs verbotene Freizeitgestaltung betrieb“, vermerkte die Gestapo im Mai 1943.

Selbst harmlose Witze in einem Wirtshaus konnten schon Probleme bereiten. So ermittelte die NS-Oberstaatsanwaltschaft St. Pölten im April 1940 gegen den Pfarrer von Kollmitzberg, Ferdinand Krug, wegen „Vergehens nach dem Heimtückegesetz“.

„Die Aktivität der katholischen Geistlichkeit hält weiter an. Es ist bezeichnend, welche Wirkung die Wühlarbeit der Geistlichkeit in manchen klerikal verseuchten Gebieten gezeigt hat.“

„Das danken wir dem Führer“, sagte Leopold Stumvoll, Pfarrer in Langegg, 1939 sarkastisch zum Umstand, dass für eine Kundin in einem Geschäft keine Zwiebeln mehr da waren. Die Generalstaatsanwaltschaft wollte daher im Sinne des Heimtückegesetzes weiter gegen ihn ermitteln.

Ermittelt wurde auch gegen P. Bonifatius Koch vom Stift Göttweig, der laut Generalstaatsanwalt 1939 gespottet habe, dass die SA wertvolle versteckte Heiligenstatuen nicht gefunden hat.

Gertrude Arlet von den Englischen Fräulein wurde die staatspolizeiliche Auflage erteilt, die Gemeinde Rohrendorf zu verlassen und in ihr Mutterhaus zurückzugehen, weil sie bei „Hausbesuchen klerikale Propaganda betrieben“ habe und einen „ständigen Unruheherd in der Bevölkerung bildete“, notierte die Gestapo im Tagesbericht vom 1. Oktober 1942.

Heinrich Heß, Kaplan von Langenlois, wurde verwarnt, „weil er Einladungen- bzw. Werbeschreiben versandte, in denen er zur Teilnahme an Seelsorgestunden aufforderte“, so die Gestapo im Tagesbericht vom 13. bis 15. November 1943. Ähnliches wurde im Mai 1944 dem Kaplan von Waidhofen/Ybbs vorgeworfen. „Ärgernis“, so die Gestapo im Jänner 1943, habe auch die Ordensfrau Ernestine Hengel „durch ihre aufdringliche konfessionelle Propaganda bei Volksgenossen in St. Pölten“ erregt.

Der Landrat Gmünd verwarnte 1939 den Pfarrer von Litschau, Karl Draxler. Dieser sei als Gegner des Nationalsozialismus bekannt und „bedient sich auch nicht des Deutschen Grußes“. Auch die Anordnung zur Beflaggung habe er unterlassen.

Der Kaplan von Neustadtl/Donau, Johann Manner, wurde 1939 zu vier Monaten Haft verurteilt. Er entgegnete bei einem Hausbesuch der Aussage, dass Adolf Hitler oft von Gott redete, mit folgendem Einwand: „Ja, von was für einen Gott; die glauben sie sind Gott selbst.“ Dann sprach Kaplan Manner weitere kritische Worte und sagte dem Gastgeber beim Abschied: Wenn dieser ihn anzeige, werde er „morgen in Dachau sein“. Man war sich also der Gefahren bewusst.

Am 21. September 1940 wurde der Pfarrer von Großau, Josef Stangl, festgenommen. Er hat zunächst die Anordnung des Läutens der Kirchenglocken nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich nicht beachtet. Ferner kündigte Stangl an, sich nicht an Sammlungen für den NS-Staat zu beteiligen, bis er das Geld für einen anderen Strafbetrag beisammen hatte. Daraufhin wurde „Schutzhaft“ und Einweisung in ein KZ beantragt.

Wegen „Rundfunkverbrechens“ wurde der Pfarrer von Strass, Josef Swiedeck, zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, verbotenerweise längere Zeit feindliche Nachrichten auf einem „Emigrantensender“ abgehört zu haben. Dies habe er auch seiner Pfarrhaushälterin Rosina Schin ermöglicht.
Angaben, warum der Groß-Siegharter Pfarrer Richard Frasl in KZ-Haft war, machten die Nazis nie.

Der in Sallingberg lebende, pensionierte Pfarrer Hieronymus Rummel hat im Mai 1942 mit einem „Kriegsgefangenen verbotenen Umgang gepflogen“. Dafür erhielt Rummel eine Geldstrafe von 1.000 Reichsmark – oder 25 Tage Gefängnis. Für ähnliche Vergehen wurden die Purgstaller Priester Josef Fitzinger (Pfarrer) und Josef Mayer (Kaplan) verurteilt: Sie hätten sich „ständig“ mit einem kriegsgefangenen französischen Geistlichen getroffen.

Getötet in der NS-Zeit oder im KZ


Wie oben beschrieben: Zahlreiche Priester erhielten Vorladungen von der Gestapo, Geldstrafen oder Verwarnungen. Mehrere Priester wurden, so fasst Friedrich Schragl in seinem Buch „Geschichte der Diözese St. Pölten“ zusammen, von den Nationalsozialisten getötet: Pfarrer Karl Raab von Arbesbach wurde am 21. September 1942 in Wien hingerichtet. P. Paulus Wörndl galt als begnadeter Jugendseelsorger und hatte mit eingerückten Soldaten Briefkontakt. Der unbeschuhte Karmelit wirkte seit 1925 an der Josephs-Kirche in St. Pölten. 1939 wurde P. Paulus gauverwiesen, 1943 dann in Linz verhaftet und am 6. Juli 1944 – also vor 80 Jahren – in Berlin hingerichtet.

Der Pfarrer von Groß-Siegharts, Richard Frasl, hatte in Predigten gegen die Nazis Stellung genommen und kam 1940 in das KZ Dachau, wo er am 17. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers durch die US-Armee, an Typhus starb. Angaben über die Dauer der Haft und warum überhaupt eine solche verhängt worden war, wurden nie gemacht.

Wegen ähnlicher Delikte waren auch Kaplan Anton Burger von Steinakirchen und Pfarrer Josef Stangl von Großau im KZ Dachau interniert, sie kamen aber 1945 – stark geschwächt – frei. Auch P. Leopold Muris, der als Kaplan in Haag Schulverbot erhielt, wurde 1940 in Linz verhaftet und kam 1941 nach Dachau. Längere Gefängnisstrafen erhielten

P. Edmund Schinko, Guardian bei den Franziskanern in St. Pölten, der bereits 1938 verhaftet wurde, Pfarrer Anton Gierer von Hardegg, P. Nivard Binder (Stift Zwettl), P. Georg Mayr (Stift Seitenstetten), H. Theobald Weber von Reidling (Stift Herzogenburg), die Melker Patres Alexander Tenschert, Hugo Hantsch und Philibert Paul.

Kurzfristig in Haft oder mit schweren Geldbußen belegt wurden Propst Johann Schrimpf von Krems, der als unerschrockener Gegner der Nazis galt, H. Milo Offenberger (Stift Geras), P. Ambros Minarz (Stift Altenburg) und Dechant Johann Flicker von Zwettl-Stadt. Auch die Göttweiger Patres Gottfried Pfaff, Edmund Vasicek und Robert Docekal waren festgehalten worden. Einige weitere Priester aus anderen Diözesen, die später bei uns wirkten, waren ebenfalls in Haft.

Auch andere Konfessionen betroffen


Der Widerstand, den Angehörige der Internationalen Bibelforschervereinigung (Zeugen Jehovas) leisteten, wurde früher mehr als religiöser Fanatismus abgewertet und nicht vollständig behandelt. Dabei gelten die Zeugen Jehovas als jene Gruppe, die sich am geschlossensten den nationalsozialistischen Anforderungen entgegenstellte. Obwohl sie das Angebot hatten, bei einer Loyalitäts- oder Verpflichtungserklärung unter Umständen aus dem KZ oder aus Zuchthäusern (was oft das Einrücken in die Wehrmacht bedeutete) zu kommen, machten nur wenige davon Gebrauch.

Auch Mitglieder der Siebenten-Tag-Adventisten wurden durch ihre Ablehnung des Wehrdienstes unterdrückt und streng bestraft. Weiters wurden Angehörige der evangelischen Kirche, die Widerstand leisteten, verfolgt. Wolfgang Zarl

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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