Erzählung von Paul Sieberer
Tempelhüpfen

Foto: Seventyfour – stock.adobe.com

Der späte Sommer wärmt noch. Ich sitze im Park und denke über die Schnelligkeit nach, mit der die Jahrzehnte verfliegen. Ich sehe Kinder in den Sandkisten Kuchen backen und Türme bauen, und frage meinen Gott, seit wie vielen Jahrhunderten er daran schon Gefallen findet. Und ich beobachte junge Mütter, die es sich auf den Parkbänken mit ihren Smartphones gemütlich machen.
Ich sehe Simon. Er ist vermutlich sieben Jahre alt und seit einer Viertelstunde unermüdlich am Tempelhüpfen. Dieses Spiel ist in meiner Kindheit nicht vorgekommen, weshalb ich Simon genau beobachte, um herauszudestillieren, was dabei wichtig ist. Gut, ich könnte auch danach googeln. Mir kommt in den Sinn, dass vermutlich genau das die eben erwähnten jungen Mütter tun.
Meine Gedanken fliegen weiter. Sie kehren aber zum Begriff „Tempel“ zurück. In welchem Zusammenhang verwenden wir dieses Wort heute? Richtig, zum Beispiel in Verbindung mit unseren Einkaufstouren. Erneut schau ich zu den jungen Müttern mit ihren Smartphones. Einige haben neben der Bank ein attraktiv gestaltetes Einkaufssackerl abgestellt, vermutlich überreicht von Priesterinnen und Priestern im Einkaufstempel. Dort sind die jungen Mütter wohl „tempelgehüpft“, denke ich mir.
Natürlich sollte ich nicht urteilen, schließlich habe ich auch ein Handy, und mit meiner Frau einen Einkaufs-Samstag-Vormittag am Bauernmarkt zu genießen, ist etwas ganz Erfreuliches.
Trotz allem hinterlasse ich hier die Fragen: Was sind die Tempel unserer Zeit? Wie frequentiert zeigt sich ein Einkaufszentrum im Vergleich zur jeweiligen Pfarrkirche? Warum erkennen wir nicht die Schöpfung, die Natur, die Umwelt als Tempel, als einen Ort, an dem wir dem Schöpfer „babyleicht“ begegnen können, um fortan vor Freude „Tempel zu hüpfen“?
Ich ertappe mich dabei, mittels App nach dem Wetterbericht zu schauen, stehe auf, setze meinen Weg fort und freue mich, dass es Spielplätze gibt, Open-Air-Tempel zum Nachdenken!
Paul Sieberer

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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