Erzählung
Nimmermüde horcht die Grille

Foto: Gonzalo Jara – stock.adobe.com

Zu Beginn von Corona galt ja für die meisten Menschen, sich andere Tagesabläufe einfallen zu lassen als die gewohnt-üblichen. Das mit „Nur-zu-Hause“ einer vollständigen Familie, mit Kindern womöglich, brauchte Wendigkeit und das Talent zu improvisieren. Während der Alleinlebende nur mit sich und seiner Person zurechtzukommen und das Isoliertsein auszuhalten hatte.
Nun ist der Mensch aber ein Zauberwesen und erfinderisch, in Zeiten der Not. Für mich eine Übung, noch mehr als bisher in den Zusammenhang der Natur hinauszugehen, alles was begegnet, miteinzubeziehen, zu verwandeln, hineinzunehmen in die eigene Welt.
So war’s mir gegönnt, im werdenden Jahr auf der Weingartengstettn über Wochen lang eine Grille zu beobachten. In den Weingartenrieden im frühen März gab’s ja noch wenig zu schauen. Die Erdhöhle der Grille sah ich frisch gerundet aufgegraben, sie selber im Eingangsbereich, wo sie sich sonnte. Wem wäre da nicht nach Ansprache gewesen, in dieser coronabedingt wortkargen Zeit? Erfreut ward auch gleich mit „Guten Morgen, Frau Grille!“ der Dialog meinerseits eröffnet. Das wusste ich schon: Menschliche Laute mögen die Grillen, das Singen ganz besonders.
Mein Wohn-Nachbar Herr Eduard rief einmal, als er mich freudig ausgehen sah: „Du hast’s gut, du hast eine Ansprechpartnerin da draußen!“ „Das stimmt!“, rief ich zurück, hatte ich ihm doch von dieser Bekanntschaft erzählt. Und unser Spiel ging so: Ich sang beliebig vor ihrer Behausung, da ward gar bald ein Fühlerpaar sichtbar, zögerlich tastend, dann erschien sie selber. Saß behäbig und schräg zum Eingang, still und horchend.
Öfters nachmittags erfüllte Grillengesang die Gegend, und machte sie besonders heimelig. Etwa Anfang Juni aber, als der Wein blühte, fand unser Miteinander ein Ende. Sie zeigte sich nur mehr selten und der Wind wehte ihre Erdwohnung langsam zu.
Hätte ich dieses Werdegangs wegen traurig sein sollen? Oder vielleicht der allgemeinen momentanen Weltenlage wegen betrübt sein sollen? Aber nein … ich bin eigentlich glücklich …
Margret Pfaffenbichler

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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