Vatertag
Leben mit Pubertierenden
Andrea ist 15 Jahre alt und hat den Kontakt zu ihrem Vater vor zwei Monaten abgebrochen. Sie will von ihrem Papa gemocht werden, weiß aber nicht, wie das geht, sagt sie. Maja ist 14 Jahre alt und liebt ihren Papa: „Mit ihm kann man so cool Schifahren gehen.“ Anhand dieser beiden Teenager zeigte der Psychologe Dr. Philipp Streit, Leiter des Grazer „Instituts für Kind, Jugend und Familie“, die Bandbreite an Vaterbeziehungen in der Pubertät. Bei seinem Vortrag „Leben mit Pubertierenden“ im Rahmen der Online-Veranstaltung „Vater sein“ des Katholischen Familienverbands stellte er auch die Frage, was den Unterschied ausmacht: Warum verläuft die Pubertät in der einen Familie positiv, während die andere von einem Konflikt in den nächsten gerät?
Großbaustelle Gehirn
Die Pubertät gilt als schwierige Zeit: Das „liebe“ Kind wird plötzlich impulsiv, zuweilen mürrisch, allzu risikobereit und geneigt, Regeln zu übertreten. Der erfahrende Familien-Berater Streit sieht allerdings auch die positiven Seiten der Pubertät: Sie biete für die Beziehung zwischen Eltern und Kind insofern eine neue Chance, als sich das Gehirn des Heranwachsenden ganz neu strukturiere. Alte neuronale Verbindungen sterben ab, während neue entstehen. Die Entwicklung der Amygdala, eines Kerngebiets des Gehirns, das auf Neues, Emotionen und Bedrohung reagiere, verlaufe schneller als jene des Großhirns. Außerdem biete die Pubertät eine große Bühne für Kreativität und Entwicklung, so Streit: „Jugendliche probieren ganz viel aus, erlernen so Unabhängigkeit und finden ihre eigene Identität.“ Weil das Schlafhormon Melatonin um eine bis drei Stunden später ausgeschüttet wird, bleiben Jugendliche länger auf und sind in der Früh unausgeschlafen – was sie manchmal mürrisch und zornig macht.
Wenn Väter nun drängend-autoritär reagieren, wenn sie eine klare Vorstellung vom Verhalten ihres Teenagers haben und unbedingt etwas erreichen wollen, ziehe das Probleme in der Erziehung nach sich, verwies Philipp Streit auf aktuelle Väter-Studien. Ihre Kinder fühlten sich eher ungeliebt und würden die fehlende Harmonie kompensieren, indem sie anderswo nach Liebe und Anerkennung suchen.
In der Beziehung mit einem pubertierenden Mädchen hätten viele Väter damit ein Problem, wenn aus dem lieben Mädchen eine junge Frau wird, und zögen sich dann zurück. Hier rät der Psychologe: Bleiben Sie dran, auch wenn Sie eine mürrische Antwort bekommen wie „Lass mich in Ruhe!“ Fragen Sie nach, laden Sie ein. Väter prägen die künftige Partnerwahl und das Selbstbild junger Frauen und seien deshalb sehr wichtig.
Söhne in der Pubertät streben nach der Anerkennung des Vaters, der für sie häufig ein Vorbild, auch ein Rollen-Vorbild, ist. Die Einstellung der Mutter zum Vater sei ebenfalls für den Sohn wichtig: Wenn die Mama dem Papa nichts zutraut, ihn häufig kritisiert, dann opponiert der Sohn eher gegen den Vater.
Philipp Streit hat noch mehr Ideen für eine gelingende Vater-Rolle: Sei Vater, kein Kumpel! Suche die positive, liebevolle Begegnung mit deinem Kind! Bleib souverän! Trau deinem Kind etwas zu, lass es Dinge ausprobieren! Habt „quality time“, unternehmt was Schönes zusammen! Sag: Ich mag dich sehr, dein Verhalten macht mir gerade Sorgen. Sag Nein, wenn nötig! Erwarte nichts, aber bleib beharrlich.
Autor:Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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