Erzählung
Gut gegangen

Kapelle „Zur Toten Frau“ in Oberbergern. | Foto: Daniela Matejschek

Wer kennt schon Gipfel wie die Silberne Birn, die Schwes­ternhöhe, den Polakenkopf oder den Bolzenberg? Die Höhenzüge des Dunkelsteiner Waldes verblassen im Vergleich zu ihren südlichen Geschwistern – den Gipfeln unserer Voralpen. Nur coronabedingt haben wir sie im vorigen Frühjahr und Sommer erwandert.
Es war wohl auch eine Flucht; Flucht vor den Schreckensmeldungen der Medien und vor Menschenansammlungen. Eingeholt hat uns das Virus auf unseren einsamen Wanderungen dann doch wieder irgendwie: Legen doch so manche uralte Wallfahrtsplätze, die unsere Wege kreuzten, Zeugnis von der Sehnsucht nach Heil und Heilung früherer Generationen ab.
Maria Langegg, der am Jakobsweg gelegene Pilgerort, der Maria „Heil der Kranken“ geweiht ist, mag vielen ein Begriff sein; doch wer wüsste heute noch, dass die beschauliche Bildbuchenkapelle bei Neidling, zu der uns der „Siebenbrücklerweg“ durch beinahe urwaldartige Vegetation geführt hat, zur Abwehr der Cholera errichtet wurde? Diese als „indische“ Seuche bezeichnete Bazillus­erkrankung drangsalierte in den Jahren 1831 und 1832 die nieder­ös­terreichische Bevölkerung.
Nur unweit davon befindet sich ein weiteres Baumheiligtum: Die aus Zeiten der Türkenkriege stammende „Bildföhre“. Jahrhunderte lang haben sich Menschen in ihren Sorgen und Nöten „Maria Bildföhre“ anvertraut. Geborgenheit und Liebe strahlt diese einfache Darstellung Marias mit Jesuskind, am Stamm einer einst riesigen Föhre angebracht, aus. Bestätigten Berichten zufolge suchte im späten 19. Jahrhundert eine schwer gehbehinderte Frau unter großen Mühen, auf Krücken gestützt, Sonntag für Sonntag diesen heute so friedlichen Pilgerort mitten im Wald auf und betete dort um Heilung. Tatsächlich konnte sie – so in der Ortschronik von Karlstetten nachzulesen – ihre Krücken, eine nach der anderen, in der Kapelle zurücklassen. Diese sollen noch viele Jahre als Zeugnis eines beispiellosen Gottvertrauens dort zu sehen gewesen sein.
Auch uns haben die langen Wanderungen zu den stillen und geheimnisumwobenen Plätzen des Dunkelsteiner Waldes gut getan und uns aus so mancher Trübsal herausgerissen. Unsere Kondition wurde jedenfalls Woche für Woche merkbar besser. Viel Wahrheit mag in der Erkenntnis des großen amerikanischen Naturfreundes, Schrift­stellers und Philosophen Henry David Thoreau liegen, als er einst notierte: „Die Probleme lösen sich im Gehen.“ Kurt Neumeyr

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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