Sonntag
Ein jüdischer Rabbi
31. SONNTAG IM JAHRESKREIS LESEJAHR B – 3. NOVEMBER
PSALM
Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels und meine Burg und mein Retter; mein Gott, mein Fels, bei dem ich mich berge, mein Schild und Horn meines Heils, meine Zuflucht.
Ich rufe: Der Herr sei hoch gelobt! und ich werde vor meinen Feinden gerettet. Es lebt der Herr, gepriesen sei mein Fels. Der Gott meiner Rettung sei hoch erhoben. Seinem König verleiht er große Hilfe, Huld erweist er seinem Gesalbten, David und seinem Stamm auf ewig. Darum will ich dir danken, Herr, inmitten der Nationen, ich will deinem Namen singen und spielen.
Psalm 18 (17),2–3.4 u. 47.51 u. 50
1. LESUNG 5. Mose 6,2–6
Höre, Israel! Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen.
Wenn du den HERRN, deinen Gott, fürchtest, indem du auf alle seine Gesetze und Gebote, auf die ich dich verpflichte, dein ganzes Leben lang achtest, du, dein Sohn und dein Enkel, wirst du lange leben. Deshalb sollst du hören, Israel, und sollst darauf achten, sie zu halten, damit es dir gut geht und ihr so unermesslich zahlreich werdet, wie es der HERR, der Gott deiner Väter, dir zugesagt hat: ein Land, wo Milch und Honig fließen! Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.
2. LESUNG Hebräer 7,23–28
Weil Jesus in Ewigkeit bleibt, hat er ein unvergängliches Priestertum.
Im Ersten Bund folgten viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; Jesus aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unvergängliches Priestertum. Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat. Das Gesetz nämlich macht Menschen zu Hohepriestern, die der Schwachheit unterworfen sind; das Wort des Eides aber, der später als das Gesetz kam, setzt den Sohn ein, der auf ewig vollendet ist.
EVANGELIUM Markus 12,28b–34
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben; du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
In jener Zeit ging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr und es gibt keinen anderen außer ihm und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer. Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.
Lektionar für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Band II: Die Sonntage und Festtage im Lesejahr B, Freiburg u. a. 2020. © staeko.net
WORT ZUM EVANGELIUM
Das Markusevangelium berichtet vom Gespräch eines Gelehrten mit Jesus, das ganz in der jüdischen Tradition steht. Auf die Frage nach dem höchsten Gebot zitiert Jesus das „Schʼma Jisrael“, das „Höre Israel …“ aus der Tora, dem Buch Deuteronomium. Mit diesen Worten bekennen Juden bis heute ihren Glauben. Auch Jesus ist Jude, ganz selbstverständlich bekräftigt er das wichtigste Gebot und Gebet der Juden, wo Gott als „der einzige Herr“ benannt wird.
Und dann legt er das jüdische Grundgebot aus, indem er es mit anderen Aussagen der Tora unterstreicht: Jesus zitiert das Gebot der Nächstenliebe, das sich im Buch Levitikus findet. Er verbindet also die Aussagen über Gott, den Einen, den der Mensch „mit ganzem Herzen und ganzer Seele“ sowie mit ganzem Denken und ganzer Kraft lieben soll, mit den Anforderungen für ein gutes Leben: Wer Gott liebt, liebt auch den Nächsten.
Jesus steht hier in der rabbinischen Tradition, die Schrift auszulegen. Auch Rabbi Hillel, ein Zeitgenosse Jesu, hat das „Schʼma Jisrael“ auf ähnliche Weise mit lebenspraktischen Aussagen der Tora illustriert. Für seine Anhängerinnen und Anhänger, die Juden waren, ist Jesus ein jüdischer Rabbi – einer wie Hillel, dessen Auslegungen für das Judentum bis heute maßgeblich sind.
Die Episode aus dem Markusevangelium zeigt, dass Jesus auf dem Boden des Toratreuen Judentums steht. Und wenn er mit gläubigen Juden seiner Zeit streitet, tut er das durch seine Auslegung des Gesetzes, das Gott dem Volk Israel geoffenbart hat. Jesus und sein Judesein sind nicht zu trennen. Auch er war „Sohn der Tora“ – mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit ganzer Kraft.
Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“.
sonntag@koopredaktion.at
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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