Mein Kraftort_1: Burgenland
Meine Kraftquelle vor der Haustür

Weitblick: Das Ruster Hügelland bietet Gelegenheit zum Kraft tanken.    | Foto: Arge Naturpark / Franz Kovacs
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  • Weitblick: Das Ruster Hügelland bietet Gelegenheit zum Kraft tanken.
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Das Ruster Hügelland fasziniert Tamara Strommer seit ihrer Kindheit. Nach einer Krebsdiagnose erlebt sie den traumhaften Landstrich noch bewusster.
Aufgezeichnet von Gerald Gossmann

Das Ruster Hügelland ist meine Kraftquelle – diese Weite, dieser Blick über Wiesen, Äcker, Dörfer, den Neusiedler See. Ich bin hier aufgewachsen. In Oslip, einem kleinen Dorf (1.260 Einwohner), in dem sich vor 500 Jahren die heutigen Burgenlandkroaten ansiedelten. Die Dorfgemeinschaft trägt mich bis heute. Traditionen werden hier gelebt – gesellschaftlich und kirchlich. Letztes Jahr erhielt ich eine Krebsdiagnose, die mich etwas aus der Bahn geworfen hat. Deshalb marschiere ich gerne los und durchquere das Ruster Hügelland – von Oslip über Feldwege nach St. Margarethen zum Römersteinbruch. Ich war nie hoffnungslos, sondern habe mich immer getragen gefühlt. Von meiner Familie, meinen Freunden, dem schönen Stück Land, in das meine Heimatgemeinde eingebettet ist. Hier treffen das Wulkatal, das Ruster Hügelland und das Leithagebirge aufeinander. Ich überquere vor meinem Haus nur die Ödenburger Straße und bin mitten in einem traumhaften Erholungsgebiet. Der erste Schritt vor die Tür tut gut, wenn man die Vögel zwitschern hört, das Gras wachsen sieht, die Blumen sprießen, die Grillen zirpen. Man marschiert vorbei an Marterln, Bildstöcken, Kapellen. Ich gehe gerne alleine, weil ich dadurch alles viel stärker wahrnehme. Ich bin dann dankbar und demütig zugleich. Dankbar für die Schöpfung und meine Familie. Ich bin verheiratet und Mutter von zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter. Und ich bin Oma von zwei Buben.

Verwurzelt. Oslip habe ich nie länger verlassen. Fast überall wird hier noch Burgenlandkroatisch gesprochen. Früher gehörte dieser Landstrich zu Ungarn. Meine Großeltern und alle im Dorf waren einfache Leute. Sie verkauften auf Märkten was sie selbst produzierten und lebten davon. Mein Vater war Schmied, mein Großvater Maurer. Man hat sich untereinander geholfen. Beim Hausbau verschuldete sich niemand monetär sondern moralisch. Wer einem geholfen hat, dem hilft man zurück. So funktioniert Gemeinschaft. Bis heute wird auf den Gassen und in den Geschäften Burgenlandkroatisch gesprochen. Meine Vorfahren sind als Fremde gekommen und heute tuscheln wir, wenn ein unbekanntes Gesicht im Ort auftaucht: „Wer ist denn das?“
In Oslip sind die Menschen tiefreligiös und mit der Kirche verbunden. Während der Corona-Maßnahmen keinen Gottesdienst besuchen zu können hat viele stark belastet.

Koglkapelle in St. Margarethen.    | Foto: Gemeinde St. Margarethen
  • Koglkapelle in St. Margarethen.
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„Wie groß bist du!“ Da zog es die Menschen natürlich in die Natur. Viele lernten ihre Heimat neu kennen. Oft schnappe ich mir meine Walking-Stöcke. Acht Kilometer bin ich dann unterwegs. Ich singe einfach vor mich hin: „Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte, die du geschaffen durch Dein Allmachtswort ... dann jauchzt mein Herz dir, großer Herrscher, zu: Wie groß bist du! Wie groß bist du!“ Nach einigen Feldwegen erreiche ich den Römersteinbruch. Biege ich links ab, gelange ich zum großen Gelände des „Familypark“ – man hört von Weitem herumtollende Kinder. Ich biege aber rechts zum Römersteinbruch ab. Auf einer Anhöhe steht ein großes Kreuz und die Koglkapelle, die zur Pestzeit 1713 errichtet wurde. Hier ist ein wunderbarer Ort: Egal in welche Richtung man sich dreht, man blickt über das gesamte Gebiet des Nordburgenlandes. Man sieht Forchtenstein, Eisenstadt, die Windräder der Parndorfer Platte, über den Neusiedler See bis nach Illmitz. Früher holten sich meine Vorfahren am Steinbruch nicht nur Energie sondern Steine. Mit Ochsenkarren haben sie Material für den Hausbau besorgt. In Eigenregie wurden ganze Dörfer errichtet. Während der Corona-Maßnahmen habe ich viele Menschen auf diesen Pfaden angetroffen. Oft sind gar Wiener hierher gefahren, um die Natur zu genießen. Ich habe allen wohlwollend zugenickt. Ich dachte mir: Ihr habt ein schönes Plätzchen gefunden. Und musste schmunzeln: Meine Vorfahren wussten wo man sich niederlässt.

Tamara Strommer, Mitarbeiterin der burgenländischen Kirchenzeitung „martinus“, präsentiert ihren Lieblingsplatz in der Diözese Eisenstadt. | Foto: Diözese Eisenstadt
  • Tamara Strommer, Mitarbeiterin der burgenländischen Kirchenzeitung „martinus“, präsentiert ihren Lieblingsplatz in der Diözese Eisenstadt.
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MEHR DARÜBER:

Ruster Hügelland

Das Gebiet erstreckt sich, parallel zum Neusiedler See verlaufend, auf rund 12 Kilometer Länge von Schützen am Gebirge über Mörbisch am See bis nach Fertörakós in Ungarn. Die höchste Erhebung ist der Goldberg südlich von Schützen mit 224 Metern. Gemeinsam mit dem Leithagebirge gelten die Hänge des Ruster Hügellandes als östliche Ausläufer der Alpen. Der Kern dieses mit Weingärten bedeckten Hügelzuges besteht aus kristallinem Urgestein, ummantelt von Leithakalk und Kalksandstein. Nur an wenigen Stellen gelangt das Grundgebirge bis an die Oberfläche. Mehrere Steinbrüche in St. Margarethen, Oslip und Fertörakós zeugen von der einstigen Bedeutung des Bergbaus. Teile der Wiener Ringstraße sowie der Stephansdom sind aus Kalkstein des Ruster Hügellandes gebaut.Touristische Attraktionen sind der Römersteinbruch von St. Margarethen (hier werden renommierte Opernfestspiele und im Fünfjahres-Rhythmus Passionsspiele aufgeführt), der Familypark (größter Freizeitpark Österreichs), das Tor zur Freiheit in St. Margarethen (Gedenkstätte, die an das Paneuropäische Picknick erinnert, das als Meilenstein der Vorgänge gilt, die zur deutschen Wiedervereinigung führten).
Der Römersteinbruch war in Besitz des Kaiserhauses und in den Händen der jeweiligen Grundherren. Seit 2001 ist der Steinbruch (heute in Besitz der Stiftung Esterházy) aufgrund seiner historischen Bedeutung als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet. Die Hanglagen des Gebiets und das sonnige Klima bieten ideale Bedingungen für den Weinbau. Die Gegend bietet sich für Radtouren oder ausgedehnte Spaziergänge an. Im Gebiet des Ruster Hügellandes liegen die Cselley Mühle in Oslip – ein uriges Kultur- und Aktionszentrum – sowie idyllische Seebäder in Rust und Mörbisch. Für eine gemütliche Einkehr gibt es in den Gemeinden hervorragende bodenständige und gehobene Gastronomie.

Attraktion: Römersteinbruch.    | Foto: Steinbruch St. Margarethen / Josef Siffert
  • Attraktion: Römersteinbruch.
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Autor:

Redaktion martinus aus Burgenland | martinus

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