Pfingstserie Teil 2 - Melanie Wolfers
Auf die Welt-Anschauung kommt es an

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Kraftvoll leben
Nimm der Ohnmacht ihre Macht

Die Salvatorianerin Melanie Wolfers ist Seelsorgerin und Expertin für Lebensfragen und Spiritualität. In ihrer Pfingstserie zeigt die Bestseller-Autorin Hilfestellungen auf, sich von Ohnmachtsgefühlen in Krisenzeiten nicht lähmen zu lassen. Infos: www.melaniewolfers.at

Zum Einstieg eine kleine Aufgabe. Bitte beantworten Sie folgende Fragen.

1. Weltweit haben 30-jährige Männer durchschnittlich 10 Jahre lang eine Schule besucht. Wie viele Jahre haben gleichaltrige Frauen die Schule besucht?

a) 9 Jahre b) 6 Jahre c) 3 Jahre

2. Wie viele Menschen auf der Welt haben ein gewisses Maß an Zugang zu Elektrizität?

a) 20% b) 50% c) 80%

3. Wie viele der einjährigen Kinder auf der Welt sind gegen zumindest eine Krankheit geimpft?

a) 20% b) 50% c) 80%

Die richtigen Antworten finden Sie am Artikelende.

Hand aufs Herz: Wie viele Fragen haben Sie richtig beantwortet? Eine? Oder vielleicht gar keine? In dem Fall befänden Sie sich in bester Gesellschaft. Doch ärgern Sie sich nicht über Ihr Unwissen. Genießen Sie vielmehr einen Moment lang das Gefühl, dass die Welt besser ist, als Sie bislang dachten.

DIE WELT IST OFT BESSER, ALS WIR DENKEN
Die Welt, so die vorherrschende Wahrnehmung, wird immer schlechter. Doch lässt sich dieses Früher-war-alles-besser-Gefühl auch mit Fakten belegen? Hans Rosling, Professor für Internationale Gesundheit in Stockholm, hat einen Test erstellt mit 13 Fragen zum gesellschaftlichen Fortschritt in der Welt und jeweils drei Antwortmöglichkeiten. Das Quiz will dazu anleiten, den eigenen Eindruck der Welt zu hinterfragen und Fakten sprechen zu lassen. Und diese Fakten sind erstaunlich – erstaunlich gut!

Egal ob Armut, Bildung, Gesundheit oder Gleichberechtigung: Die positiven Errungenschaften der Menschheit könnten uns zuversichtlich stimmen. Allerdings wissen die Meisten nichts davon. Denn das Wissen der Menschen ist schlecht – erstaunlich schlecht. Der Großteil glaubt, die Welt sei weitaus bedrohlicher und hoffnungsloser, als sie in Wirklichkeit ist.

Allein mit mangelndem Wissen lässt sich das nicht begründen. Vielmehr zeigt dieses Ergebnis, wie unzuverlässig unsere menschliche Wahrnehmung arbeitet. Ein Beispiel ist die „selektive Verfügbarkeit“. Vielleicht kennen auch Sie das: Denken wir an die Gegenwart, fallen uns eher unsere Probleme ein; beschäftigen wir uns gedanklich hingegen mit der Vergangenheit, sind die Probleme entweder verblasst oder gelöst und wirken weniger bedrängend. In der Folge schneidet die Gegenwart im Vergleich mit der Vergangenheit meist schlecht ab. Die selektive Verfügbarkeit sorgt dafür, dass wir die Vergangenheit gerne schönfärben und die Gegenwart mit einem Grauschleier überziehen.

Ein weiterer Faktor sind die Medien. Auf der Erde leben fast acht Milliarden Menschen in etwa 200 Ländern. Was an einem einzigen Tag an Ermutigendem und Erschreckendem geschieht, lässt sich in seiner Fülle und Vielfalt nicht darstellen. Doch in die Schlagzeilen gelangt das, was am meisten lärmt oder aufreizt: Überschwemmungen und Waldbrände, Krieg und Pandemien. Das Normale hingegen erregt kein Aufsehen. Dabei täte es der seelischen Gesundheit und dem Realitätssinn gut, ab und an zu lesen, dass ein Zug aus Hamburg pünktlich um 17:13 Uhr in Wien eingetroffen ist.

Hinzu kommt, dass unser Gehirn die Neigung hat, sich auf Negatives zu konzentrieren. In meiner Seelsorgstätigkeit gebe ich meinem Gegenüber manchmal ein Blatt mit einem kleinen Tintenklecks ungefähr in der Mitte der Seite. Dann bitte ich die Person zu beschreiben, was sie sieht. Bislang haben alle ausnahmslos den Klecks beschrieben: seine Größe, Form und Position in der Mitte des Blattes. Niemand hat über den weißen Teil des Papiers gesprochen.

Ein eindrückliches Experiment, das punktgenau aufzeigt, was im Alltag auch oft passiert: Wie von selbst beschäftigt sich unser Gehirn vor allem mit den Mängeln und Flecken: der mal wieder nicht runtergetragene Müll, die nervig laute Stimme des Bürokollegen, Geldmangel, gesundheitliche Beschwerden … – oder mit dem, was in Kirche und Welt schiefläuft. Das Positive hingegen gerät, ähnlich wie die weiße Fläche auf dem Blatt, schnell aus dem Blick.

Eine verzerrte Weltsicht hat fatale Folgen: Sie macht uns glaubend, dass Veränderungen und Fortschritt unmöglich sind; dass wir zu klein und die Krisen zu groß sind. In der Folge machen sich Ohnmacht und Entmutigung breit und viele haben innerlich längst aufgegeben, über eine Zukunft nachzusinnen, die ihnen wünschenswert erscheint.

Es braucht beides: den Blick auf das Negative und auf das Positive; die Aufmerksamkeit für das Schwierige und für das Mutmachende. Nur Letzteres gibt uns die Kraft, wieder aufzustehen, wenn wir uns überfordert und ohnmächtig fühlen.

UND WOMIT FÜTTERN SIE IHR GEHIRN?
Die Zukunft beginnt damit, dass wir anfangen, einander eine neue Art von Geschichten zu erzählen. Gute Geschichten, die uns weiterbringen, allein weil sie uns zuversichtlich stimmen und Mut machen, den nächsten Schritt zu gehen.

Wenn Sie ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen, Freunden oder der Familie etwas über Ihren Alltag erzählen, was berichten Sie? – Viele neigen dazu, vor allem von den unerfreulichen Dingen zu sprechen: von der überfüllten Bahn, vom Konflikt mit dem Arbeitskollegen oder den hohen Spritpreisen. Das nette Gespräch an der Bushaltestelle oder die schmackhaften Erdbeeren zum Nachtisch erwähnen die meisten nicht – falls sie überhaupt noch daran denken. Dabei können selbst schwierige Geschichten so erzählt werden, dass sie Mut machen.

PRAXISTIPP
Sie tun sich und anderen einen Gefallen, wenn Sie darauf achten: Welche Geschichten erzähle ich bevorzugt? Und wie erzähle ich sie?

Auflösung: 1: a, 2: c, 3: c

Aus: Melanie Wolfers, Nimm der Ohnmacht ihre Macht. Entdecke die Kraft, die in dir wohnt. bene! Verlag 2023, S. 32–45

MELANIE WOLFERS SALVATORIANERIN
 | Foto: Ulrik Hölzel
Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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