BLICK_WINKEL
Vom Unsinn der Feindschaft gegen die Kirche

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Der Abt eines großen Klosters erzählte mir folgende Geschichte: Die Mitbrüder und er hätten mit Ernst ein Projekt verfolgt, auf der „grünen Wiese“ einen funktionellen Betonbau für ihre Gemeinschaft zu errichten und ihr Jahrhunderte altes, vielfach mühsam gewordenes Klostergebäude einfach zu verlassen. Das hätte den Mönchen große finanzielle Vorteile gebracht: Auf viele Jahrzehnte hinaus keine unliebsamen Überraschungen durch eintretendes Wasser und andere immense Ausgaben durch die Renovierung des alten Gemäuers. Keine „Kämpfe“ mit dem Bundesdenkmalamt bei der Renovierung der gesetzlich geschützten Bauten. Eine moderne Gottesdienststätte, die klug nach den zeitgemäßen Erfordernissen der Liturgie gebaut ist, und schließlich Wohn- und Lebensräume für die Brüder, die den Gewohnheiten zeitgenössischer Menschen entsprächen. Endlich entschloss man sich, in den traditionellen Gevierten zu bleiben, den Auftrag der Geschichte ernst zu nehmen und der lokalen Bevölkerung sowie dem örtlichen Fremdenverkehr die Teilhabe an einer attraktiven christlichen Gemeinschaft weiter zu ermöglichen. –
Ich war ratlos, als mir eine Bekannte kürzlich auf dem Hintergrund der plötzlich sehr unangenehmen Lage des österreichischen Staatshaushaltes ihre Meinung eröffnete: „Die Kirche soll endlich ihr Gold und ihre Schätze verkaufen – damit könne man alles sanieren!“ Ich kratzte mich am Kopf und machte am nächsten Tag eine Milchmädchenrechnung, die aber nicht ganz ohne ernsthafte Grundlage ist: Sagen wir mal, dass die Kirche in Österreich zirka 3000 Pfarren hat, dazu noch einige Klöster und sonstige Gottesdienststätten. Dann wird es wohl so etwa zehntausend Messkelche in unserem Land geben. Die glänzenden Sakralgefäße sind allermeistens vergoldetes Silber, modernere Kelche auch nur mehr vergoldetes Kupfer. Der reine Materialwert eines solchen Silberkelches beläuft sich auf etwa 800 Euro. Auf „Willhaben“ werden solche Kelche angeboten, aufgrund des kunsthistorischen oder einfach handwerklichen Wertes ist man mit 2000 Euro dabei. Also: Die Messkelche der gesamten katholischen Kirche in Österreich sind so zirka 20 Millionen Euro wert.
Denken wir den Fall weiter durch: Man nimmt also den Pfarrgemeinden und Klöstern all ihre heiligen Gefäße weg und versteigert sie. Vorausgesetzt man findet Käufer, kann man damit also nicht einmal ein Tausendstel des augenblicklichen jährlichen Budgetdefizits von 22,5 Milliarden Euro abdecken!
Was für ein irrwitziges Verhältnis!
Jetzt muss man noch durchdeklinieren, wie man überhaupt dazu käme: Die österreichische Verfassung müsste geändert werden, denn das Eigentum ist ja eines der grundlegendsten Elemente unserer gesellschaftlichen Ordnung. Jemandem – auch wenn es eine Körperschaft wie eine Pfarrgemeinde ist – ihr Eigentum wegzunehmen, kratzt an den bisher für unverrückbar gehaltenen Wesenszügen des Zusammenlebens. Jedes Vertrauen wäre künftig zerstört, wenn man Eigentum einfach in großem Stil wegnimmt: Moskau hat es in seinem kommunistischen System vorgeführt, sie haben sich dabei sogar auf „mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit“ ausgeredet und sind kläglich vor der Geschichte gescheitert, buchstäblich bankrott gegangen. Zuletzt haben die Nazis kirchliche Gemeinschaften in großem Stil um ihr Stiftungsvermögen gebracht – ihr System endete in einem Höllenabgrund.
Und was würde dann mit den verkauften Messkelchen geschehen? Enden die Gefäße, die das Blut Christi gehalten haben, bei den Trinkgelagen asiatischer Oligarchen?
Und, wenn wir noch einen Schritt weiter gehen: Die Kreuzwegstatuen eines Martino Altomonte, die Altargemälde des „Kremser Schmidt“ und so weiter: Hängen und stehen sie dann in Kunstgalerien der Staaten am Persischen Golf? Gibt es tatsächlich Menschen, die das Kulturerbe Österreichs derartig ausbluten wollen? Der großartige Kardinal Franz König hat 1973 mit seinem „Ich bin der Bischof aller Katholiken!“ einen Brückenschlag zwischen den klassenkämpferisch verfeindeten Lagern gewagt. Dem „Herzenskardinal“ ist in der Ägidikapelle der Mariazeller Basilika eine ergreifende Gedenkstätte errichtet worden. Jedes Mal, wenn ich dort eintrete, wünsche ich mir, dass die unglückselige Auseinandersetzung zwischen dem christdemokratischen und dem sozialdemokratischen Lager in Österreich endlich der Vergangenheit angehören möge. Aber vielleicht haben wir alle, die wir in der Nachfolge Franz Königs stehen, noch zu wenig glaubhaft den Willen zur Überwindung der alten Gräben kundgetan. Und jeder, egal auf welcher Seite, sollte sich schuldig fühlen, wenn im Jahr 2025 immer noch die unsinnige Erzählung einer immens reichen Kirche durch die Hirne geistert, einer Kirche, der man zum Wohl der Gesellschaft einfach „das Schmalz auslassen“ müsse.
Franz Josef Rupprecht
Chefredakteur
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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