Pilger-Hospiz in Jerusalem
Zwischen Leere, Kurzarbeit, Spenden und Hoffnung
Der Rektor des Österreichischen Pilger-Hospizes in Jerusalem, der Eisenstädter Diözesanpriester Markus Bugnyar, kommentiert im Februar in der Kirchenzeitung die Sonntagslesungen. Im „martinus“-Interview äußert er sich u.a. zur dramatischen Situation der kirchlichen Schulen in Israel.
Franz Morawitz
Das mitten in der Altstadt von Jerusalem gelegene Österreichische Pilger-Hospiz an der Kreuzung der Via Dolorosa mit der Al-Wad Street ist sicher eines der eindrucksvollsten Gebäude der Heiligen Stadt. Normalerweise tummeln sich in und um den 1860 errichteten villenartigen Bau – u.a. im Hospizcafe – Hunderte Pilger und Touristen. Doch seit bald einem Jahr ist alles anders, und das große Gebäude ist gespenstisch leer. 40 Angestellte mussten wegen der Pandemie in Kurzarbeit geschickt werden, nur mehr sechs, die unabkömmlich sind – als Securities, Rechnungswesen-Zuständige, Handwerker und Haushaltskräfte – können noch geregelt arbeiten.
Das war „noch nie da“. „Erst dann, wenn wir wieder aufsperren können, kann entschieden werden, wie groß die künftige Belegschaft sein soll“, berichtet Pilger-Hospiz-
rektor Markus Bugnyar im „martinus“-Interview. „In der 33-jährigen Geschichte seit der Wiedereröffnung hat es Phasen mit schwachem Besuch wegen Krieg oder Intifada gegeben. Aber immer waren irgendwelche Pilger im Haus. Ein Leerstand von einem Jahr – das war noch nie da.“ Markus Bugnyar wird an den vier Februar-Sonntagen für die Kirchenzeitung die Sonntagsevangelien kommentieren. Verfasser der betreffenden Texte ist der Evangelist Markus; somit wird im Februar ein Markus vieles über seinen Namenspatron und über dessen Beschreibung des Wirkens Jesu den Kirchenzeitungslesern nahebringen. Auch zu der damals von einer Priesteraristokratie geprägten Stadt Jerusalem, wie sie das Markus-Evangelium sieht, kann der Pilger-Hospiz-Rektor so manches sagen. Der Eisenstädter Diözesanpriester leitet das Hospiz seit 17 Jahren. Er kommt auch oft nach Österreich, wo er Interviews gibt, Hochschulvorlesungen bzw. Vorträge hält und den Freundeskreis des Österreichischen Pilger-Hospizes (umfasst ca. 2.000 Personen) betreut. „Die Mitglieder sind sehr großzügig und haben dem Hospiz in der Corona-Krise das Überleben gesichert. Wir haben monatliche Fixkosten von über 40.000 Euro, aber Gott sei Dank seit März mehr als 350.000 Euro an Spenden bekommen. Damit sind wir bisher über die Runden gekommen, hoffen aber, dass weiter Spenden eintreffen“, so der Rektor. Er sieht noch eine lange Durststrecke und erwartet die ersten größeren Pilgergruppen erst im Herbst, auch wegen der bis dahin bestehenden Unsicherheiten bei der Buchung von Flügen. Für das Pilger-Hospiz würden vor allem Personen spenden, „die einmal da waren, auch solche, die insgesamt eine Affinität zu Pilgerreisen haben, oder Menschen, die ich bei Vorträgen getroffen habe“, sagt Bugnyar. Aktuell ist er stark damit beschäftigt, dem Freundeskreis und allen Interessierten über das Internet Videos, Berichte und für das Heilige Land relevante Meditationen anzubieten, um ihre Verbindung zu Jerusalem zu stärken. Zurückhaltender ist er bei Livestream-Gottesdiensten: „Ich bin an sich kein großer Freund von ihnen. Aber punktuell werden sie auch von mir eingesetzt.“
Dass die Evangelien nicht verstanden werden können, ohne dass sich der Leser mit der Situation Jerusalems vor 2.000 Jahren auseinandersetzt, liegt für den Eisenstädter Theologen an der Hand. Er zeigt dies anhand des Markus-Evangeliums auf: „Jerusalem war für Jesus und die Jünger einerseits die Stadt des Tempels, andererseits die Stadt des politischen Establishments. Der Tempel, erbaut von Herodes dem Großen, war wenige Jahre vor Christi Geburt nach 40-jähriger Bauzeit fertiggestellt worden. Jesus kommt bei Markus nur einmal nach Jerusalem, auf dem Weg aus Jericho. Er bleibt in diesen Tagen über Nacht immer etwas außerhalb, in Bethanien, sozusagen im Naherholungsgebiet von Jerusalem. Es war nämlich die Zeit um Pessach, und die Stadt war um diese Zeit übervoll. Jeden Morgen konnte Jesus, von Bethanien in die Stadt kommend, etwas Gewaltiges sehen: die Prunkseite des Tempels, die nicht zur Stadt, sondern zum Ölberg zeigte. Und beim Anblick der bedrohlich-atemberaubenden Tempelmauern wird ihm bewusst geworden sein, dass er in jene Stadt geht, wo der Menschensohn leiden muss (Mk 8,31).“
Nach nur acht Monaten Regierungszeit wieder Neuwahlen. Im Blick auf die heutige Situation in Jerusalem erwähnt Bugnyar ständige Lockdowns mit kurzen Lockerungen dazwischen sowie den begonnenen israelischen Wahlkampf. Die Wahlen wegen des Auseinanderbrechens der Koalitionsregierung nach bloß acht Monaten sind für 21. März angesetzt.
Was die kleine katholische Gemeinschaft in Israel/Jerusalem (ca. 20.000 Gläubige) betrifft, so sei diese großteils dankbar für das Ende einer Zeit interner Konflikte um Schulden und Misswirtschaft. Deshalb werde auch die anfangs mit Unmut aufgenommene Personalentscheidung von Papst Franziskus, der 2016 die Leitung des Jerusalemer Lateinischen Patriarchats einem Nichtpalästinenser anvertraut hatte, begrüßt. Pierbattista Pizzaballa, zuerst Administrator und seit vergangenem Dezember Patriarch, habe es geschafft, durch seine Leutseligkeit und Offenheit die Gläubigen zu überzeugen. „Die Stimmung ist jetzt eindeutig Pro“, so der Rektor. Obwohl Pizzaballa besser Hebräisch als Arabisch spreche, könne man von ihm keine Durchbrüche in Verhandlungen mit der Regierung erwarten, rückt Bugnyar unrealistische Hoffnungen zurecht. Dazu sei sowohl die Zahl der Katholiken als auch das Gewicht des Patriarchats zu gering. „Anders als in der übrigen Welt ist in Israel der Nuntius derjenige, der das Sagen hat – sowohl gegenüber den offiziellen Stellen als auch innerkirchlich“, klärt der Rektor auf.
Dramatische Situation bei kirchlichen Schulen. Aktuell zeichne sich eine dramatische Situation auf dem kirchlichen Schulsektor ab: Eltern könnten wegen der Krise die Schulgelder nicht bezahlen, im Schulbudget fehlten 17 Millionen Dollar, und als Abhilfe sei der Beschluss zur Schließung einer großen Zahl von Kindergärten gefasst worden. „Es ist ein Teufelskreis. Wer eventuell noch etwas retten könnte, ist der Grabesritterorden, der eine Sonder-Spendenaktion gestartet hat.“ Aber auch das Österreichische Pilger-Hospiz hilft, und zwar über den Kanal eines eigenen Sozialfonds. Er unterstützt mit 25.000 Euro einen kirchlichen Kindergarten in Jenin. Der Fonds will sich auch für ein von Schwestern geführtes Schwerstbehindertenheim der katholischen Pfarre Gaza engagieren. Gute Früchte trägt nach Aussage Bugnyars die Jerusalemer Ökumene. Wichtigstes Forum sei der ECOF (Ecumenical Circle of Friends), der vom belgischen Ordensmann P. Frans Bouwens geleitet wird. Im ECOF seien vor Corona Mitglieder aus mehr als 20 christlichen Gemeinschaften monatlich zusammengekommen und hätten im Austausch Lösungen zu einer Vielfalt ganz praktischer Probleme gefunden.
Was den Frieden im Nahen Osten betrifft, sieht Bugnyar aktuell wenig Positives. Die geplante Papstreise in den Irak sei wegen der Pandemie im Wackeln, die Präsidentschaft von Joe Biden dürfte „in den alten Trott“ zurückfallen, wo jeder seine Interessen retten wolle. Die insgesamt wenig realistische Nahostinitiative Donald Trumps habe immerhin einen Positiv-Nebeneffekt gehabt, indem auf einmal „nicht Vorhersehbares aufgebrochen“ sei, analysiert der Pilger-Hospiz-Rektor mit Blick auf die Verträge Israels mit mehreren arabischen Staaten.
Spendenkonto:
Österreichisches Hospiz – Sozialfonds,
AT43 1919 0003 0015 0125
(Bankhaus Schelhammer und Schattera)
Autor:Redaktion martinus aus Burgenland | martinus |
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