Seelsorgeraum-Porträt
„Wir sind als Seelsorgeraum eine Gemeinschaft“
Im Seelsorgeraum „Am Heideboden“, der die Pfarren Andau, St. Andrä und Tadten umfasst, besuchen viele Menschen Gottesdienste, es gibt aktive Jugendgruppen und engagierte Gläubige. Nun wechselt der beliebte Pfarrer Gabriel Kozuch – doch die Überzeugung reift, dass man im Seelsorgeraum mittlerweile gut genug aufgestellt ist, um den Umbruch zu gestalten.
GERALD GOSSMANN
Er sei „stolz auf seine Pfarren“, betont Pfarrer Gabriel Kozuch (siehe Kasten rechts), „weil ich zuversichtlich bin, dass die Menschen das Werk, das wir zusammen aufgebaut haben, weiter führen können“. Im September übernimmt Kozuch den Seelsorgeraum „Am See“ mit den Pfarren Neusiedl am See und Weiden am See – was für viele in seinem bisherigen Wirkungsgebiet einen großen Verlust bedeutet.
Zwei Gefühlswelten. Die aktuelle Situation am Heideboden ist im Grunde eine gewöhnliche, aber auch besondere. Dass ein Priester die ihm verantworteten Pfarren wieder verlässt, kommt regelmäßig vor und ist notwendig, um die flächendeckende Seelsorge der Diözese bestmöglich zu gewährleisten. Was vielleicht besonders ist: Gläubige arbeiten mittlerweile so intensiv am Gelingen von Pfarrgemeinden mit, dass sie zu unverzichtbaren Rädern, zu wichtigen Säulen geworden sind. „Wir sind als Seelsorgeraum eine Gemeinschaft“, betont Brigitte Peck, Kuratorin in Andau. „Wir sind dank unserem Pfarrer Gabriel zusammengewachsen, vieles wurde aufgebaut.“ Wer mit Menschen aus dem Seelsorgeraum „Am Heideboden“ spricht, erlebt derzeit zwei Gefühlswelten. Einerseits verspüren die Gläubigen Traurigkeit über den Wechsel ihres höchst beliebten Pfarrers. Andererseits packt sie Kampfesmut: Sie wollen zeigen, dass sich der Seelsorgeraum – und sie selbst als engagierte Gläubige – so gut entwickelt haben, dass der Umbruch gestaltet werden kann. Auch ohne den bisherigen „Motor“, wie Kuratorin Peck Pfarrer Kozuch bezeichnet.
Pfarrer Gabriel Kozuch ist trotz seiner fünfzig Jahre ein jugendlicher Typ geblieben. Er trägt kein Kollar (dafür T-Shirts mit bunten Drucken) und auch ansonsten ist er äußerlich schwer als Priester auszumachen. „Ich möchte einer aus dem Volk sein“, sagt er. „Einer, der zwar die Beauftragung hat, Gottesdienste zu leiten. Aber das möchte ich nicht durch die Bekleidung zum Ausdruck bringen.“ Die Menschen, so sagt Kozuch, „sollen durch mein Tun merken, dass ich Seelsorger bin“. Er versuche „mit den Gläubigen zu leben“, betont er. Kozuch war erst Pfarrer von Andau, ehe er vor sechs Jahren die Aufgabe übernahm, gemeinsam mit den Pfarren Tadten und St. Andrä am Zicksee einen Seelsogeraum zu formen. Das ist im Seewinkel kein leichtes Unterfangen. Die Pfarren sind groß und daran gewöhnt, höchstmögliche Eigenständigkeit (und natürlich das Privileg eines eigenen Priesters) zu genießen. „Sie mussten erst verkraften, dass sie sich zu dritt einen Pfarrer teilen müssen“, erzählt Kozuch. „Sie haben das nicht als zukunftsweisendes Projekt gesehen, sondern als Notlösung.“ Kozuch ist ein verbindender Mann. Er taucht bei jedem Pfarrfest auf, auf Schulveranstaltungen, plaudert vor Messfeiern gerne mit den Menschen, bringt Kirchenferne ins Gotteshaus und stellte sich einer Aufgabe, die ihm liegt: einen Seelsorgeraum zu formen. Sprich: die Menschen zueinander zu bringen.
Zusammenwachsen. Anfangs setzten sich Vertreter aller drei Pfarren an einen Tisch: die Gottesdienstordnung wurde festgelegt, ein gemeinsames Pfarrblatt („Heideboten“) und eine Webseite geplant. Immer wieder wurde gemeinsam gepilgert, zuletzt fand eine nächtliche Wanderung durch alle drei Pfarren statt. Bei der Langen Nacht der Kirchen trat ein Seelsorgeraum-Chor auf. Eine eigene Seelsorgeraum-Reise gibt es (die heuer wegen steigender Corona-Zahlen aber abgesagt werden musste). Und auch die Flüchtlingsbetreuung wird gemeinsam bewältigt. Brigitte Peck organisierte Sprachkurse. „Wir helfen einander als Pfarren. So ein Zusammenschluss hat auch Vorteile. Ich sehe den Seelsorgeraum aus vielen Perspektiven positiv.“ Nachsatz: „Ein Seelsorgeraum mit drei Priestern wäre uns halt am liebsten.“ Drei Diakone leiten vermehrt Wortgottesdienste. Der zuletzt geweihte Supermarkt-Manager Andreas Wurzinger aus Tadten veranschaulicht das Zusammenwachsen. „Ich habe ihn früher nicht wirklich gut gekannt“, erzählt die Andauerin Peck, „aber durch den Seelsorgeraum fühlen wir uns einander zugehörig. Der neue Diakon ist ein wichtiger Teil von uns.“
Alles kann und soll aber nicht vereinheitlicht werden. Jede Pfarre verfügt über viele Gottesdienstbesucher, aktive Gruppen von Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen. Würden alle Firmlinge der drei Pfarren gemeinsam das Sakrament empfangen, erklärt Kozuch, „wäre man mit Begleitpersonen und Verwandten bei 500 oder 600 Gästen. Wir haben dafür weder eine Kirche, die groß genug ist, noch andere passende Örtlichkeiten.“ Außerdem seien Feiern „in kleinem Rahmen auch viel persönlicher“, glaubt Kozuch. „Man kann so besser auf die Menschen eingehen.“ Kozuch freut sich, dass „die kleinen Einheiten, also die Pfarren, nicht verschwunden sind“, man sich aber „in der großen Einheit, also dem Seelsorgeraum“ eingebettet fühle. Das bestätigt auch Kuratorin Peck: „Gabriel hat immer geschaut, dass wir zusammenkommen und zusammenwachsen.“ Und sie macht den Zwiespalt deutlich, indem sich viele Gläubige des Seelsorgeraums derzeit befinden: „Gabriel hat die Gabe, Menschen mitzureißen“, sagt sie wehmütig. Andererseits: „Wir sind super vernetzt, der Gabriel hat unseren Seelsorgeraum gut vorbereitet. Jetzt müssen wir versuchen, den Motor zu ersetzen und selbst zu treten.“ Außerdem: Alleine bleiben sie dabei ohnehin nicht. Den Seelsorgeraum „Am Heideboden“ übernimmt im September Pfarrer Peter Okeke. Kozuch ist zuversichtlich: „Schließlich wirkt in den Pfarren auch der Heilige Geist.“«
WORT ZUM ABSCHIED
Habt Vertrauen
Es gibt eine Zeit zum Kommen und eine Zeit zum Gehen; es gibt eine Zeit zum Beenden der Tätigkeit und eine Zeit, eine neue Tätigkeit anzufangen. Mit dieser freien Fortsetzung der bekannten biblischen Worte möchte ich, nach einem 21 Jahre langen Wirken in der Pfarre Andau und einem sechs Jahre langen Wirken im Seelsorgeraum Heideboden (Pfarren Andau, Tadten, Sankt Andrä), die Realität zum Ausdruck bringen. Dass Priester nach einer gewissen Wirkungszeit in einer Gemeinde wechseln, ist eine normale und gewöhnliche Angelegenheit. Ich selber hätte es nicht vor, zu wechseln, aber nachdem ich für die Pfarre Neusiedl am See und Weiden am See angefragt wurde, dachte ich: Dieses Mal sage ich Ja! Irgendwann musste die Zeit kommen, und sie ist jetzt da. Mit einem Auge bin ich traurig, dass ich die Pfarren, in denen ich mich wirklich zu Hause gefühlt habe, verlasse, mit dem anderen Auge bin ich zufrieden und stolz auf die Pfarren, weil ich zuversichtlich bin, dass die Menschen das Werk, das wir zusammen aufgebaut haben, weiter führen können. Die Menschen im Seelsorgeraum Heideboden haben das Bewusstsein, dass die Pfarren weder dem Pfarrer noch dem Bischof gehören, sondern, dass es ihre Pfarren sind: Sie sind dort getauft worden, zur Kommunion gegangen, viele haben sich in den Pfarren engagiert und engagieren sich noch immer, viele haben in den Pfarren geheiratet und werden auf den örtlichen Friedhöfen beerdigt. Mit dem Bewusstsein, dass es ihre Heimatpfarren sind, können sie das kirchliche Leben auch weiterhin gestalten und dem Evangelium ein konkretes menschliches Gesicht geben. Der neue Pfarrer, Peter Okeke, ist ein langjähriger Seelsorger mit reichlichen psychotherapeutischen Erfahrungen und wird den Seelsorgeraum sicher gut leiten und den Menschen geistlich assistieren. Schließlich wirkt in den Pfarren auch der Heilige Geist.Alles Gute, Gottes Segen für die Zukunft!
PFARRER GABRIEL KOZUCH, LEITER DES SEELSORGERAUMS „AM HEIDEBODEN“
Autor:Martina Mihaljević aus Burgenland | martinus |
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