Studientag zu Missbrauchs-Prävention
„Wir alle tragen Verantwortung“
Glaube und Spiritualität haben ein großes Machtpotential. Die Diplompsychologin Katharina Anna Fuchs lehrt und forscht seit über zehn Jahren zum Thema Missbrauch und seiner Prävention. Bei einem Online-Studientag der Diözese Eisenstadt zum Thema „Macht in pastoralen und seelsorglichen Beziehungen“ hielt die Expertin das Hauptreferat.
Birgit Prochazka
Der Begriff Missbrauch taucht zum ersten Mal im Spätmittelhochdeutschen des 16. Jahrhunderts als „missebrüch“ auf und bezeichnet eine „Handlung gegen den guten Brauch“. Er existiert in unterschiedlichen Arten und erstreckt sich von Vernachlässigung bis hin zu schwerer körperlicher und/oder psychischer Schädigung des missbrauchten Menschen. In jedem Fall beschreibt er einen Fehlgebrauch, der unerlaubt, gefährlich und schädlich ist. Kardinal Christoph Schönborn betonte in einem Gespräch mit der Ex-Nonne und dem Missbrauchsopfer Doris Wagner, dass es notwendig sei, darüber zu sprechen, denn „was nicht zur Sprache kommt, kann nicht wirken.“
Die Diözese Eisenstadt nimmt dieses Thema sehr ernst und hat sich vergangenen Montag in einem Online-Studientag dem „Geistlichen Missbrauch“ gewidmet. Wenngleich die Beschäftigung mit dieser hoch sensiblen Thematik erst in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum stärker ins Bewusstsein gerückt ist, so existiert das Phänomen wesentlich länger. Es ist verbunden mit Macht; genauer gesagt: mit negativer Ausübung von Macht. Geistlicher Missbrauch ist noch kein klar abgesteckter Begriff, er ist schwer fassbar. Klare Definitionen gibt es nicht wirklich und Forschung sowie Prävention stehen vor vielen Herausforderungen. Klar ist jedoch, dass es sich um Grenzverletzungen handelt, die mit Machtmissbrauch und Vertrauensverlust verbunden sind – und: dass fatale Folgen für das Leben und den Glauben der betroffenen Menschen auftreten können. Geistlicher Missbrauch finde „im geistlichen und spirituellen Umfeld im Namen Gottes statt“, betont Referentin Katharina Anna Fuchs, promovierte Diplompsychologin, die derzeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrt. Geistlicher Missbrauch werde weltweit begangen und ist in allen Religionen, Glaubensgemeinschaften und -bewegungen präsent. Es handelt sich um ein sehr sensibles und vages Feld, was es schwer macht, allgemein gültige Aussagen zu treffen. Auch Ländervergleiche anzuführen ist ein schwieriges Unterfangen, da immer der jeweilige kulturelle Kontext berücksichtigt werden muss. Somit ist und bleibt dieses Phänomen verbunden mit viel Unklarheit und Unsicherheit.
Alle tragen Verantwortung. Der Studientag diente dazu, dieser Unklarheit und Unsicherheit zu begegnen. Diplompsychologin Katharina Anna Fuchs führte durch den Tag. Seit Jahren forscht und lehrt sie zum Thema Missbrauch und seiner Prävention und ist Mitglied in internationalen und kirchlichen Beratungs-Gremien zum Thema Missbrauchsprävention. Neben grundsätzlichen Überlegungen und einer Einführung in das Phänomen des geistlichen Missbrauchs, seinen Formen, Folgen und Auswirkungen, wurden Überlegungen zum Erkennen und zur Prävention angestellt. Dabei wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Online-Studientag klar, dass es sich hierbei um ein Phänomen handelt, dass in vielen kleinen Formen ganz oft unbemerkt auftritt und bekannt ist. Ebenso wurde klar, „dass wir alle Verantwortung tragen“. Jede und jeder Einzelne habe die Möglichkeit und auch die Pflicht, dazu beizutragen, dass geistlicher Missbrauch erkannt wird. Es sei unsere gemeinsame Aufgabe, ihm präventiv zu begegnen, indem wir beobachten und erkennen, Betroffenen Glauben schenken und sie begleiten, indem wir achtsam sind, aufrütteln, reflektieren, transparent sind, aufrichtig und ehrlich, Strukturen und Abläufe überdenken – kurz gesagt, „indem wir uns unserer Verantwortung stellen.“
Geistlicher Missbrauch betrifft viele Bereiche. Der burgenländische Pfarrer Norbert Filipitsch führte unter anderem Überlegungen zur Kinder- und Jugendpastoral an und betonte die Wichtigkeit eines behutsamen Umgangs mit Sprache.Der Studientag sei ein „Anlass, um gemeinsam in der Diözese Eisenstadt weiter an diesem Thema zu arbeiten“, so Richard Geier, Leiter der Abteilung Pastorale Dienste der Diözese Eisenstadt. Der wichtigste Schritt dazu kann und solle jedoch von jedem von uns sofort getan werden: Betroffenen Glauben schenken.
Autor:Redaktion martinus aus Burgenland | martinus |
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