Passionsspiele St. Margarethen
Warum ich die Muttergottes spielen will
Die 49-jährige Volksschullehrerin Iris Klemenschitz wollte bei den Passionsspielen St. Margarethen unbedingt in die Rolle der Gottesmutter schlüpfen. Aber warum eigentlich?
GERALD GOSSMANN
Knapp zwei Monate lang wird die Lehrerin aus St. Margarethen ab Ende Mai zur heiligen Jungfrau Maria. „Das war mein Wunsch“, betont Iris Klemenschitz im martinus-Interview. Schon beim ersten Gespräch mit dem neuen Regisseur zeigte sie Entschlossenheit. „Ich würde gerne die Maria spielen“, habe sie gesagt und wenig später die Zusage erhalten. Nun wird geprobt und geprobt.
Dorfleben bereichert. In St. Margarethen hat die Darstellung der Passion Christi eine lange Tradition. Im Jahr 1926 fand die erste Aufführung in einem Bauernhof statt, seit den 1960er-Jahren wird am Römersteinbruch gespielt. Rund 2.700 Einwohner zählt das Dorf im Nordburgenland, 450 Personen wirken beim Laienstück mit. Die Nachfrage nach gewissen Rollen ist groß: Junge Mädchen wünschen sich, einmal im Leben die Begleiterin Jesu, Maria Magdalena, zu spielen. Männer favorisieren Jesus, Petrus, Pilatus, Judas – und gar der Teufel wurde schon besetzt. Es ist eine Mischung aus Reiz am Schauspiel, geselligem Zusammenkommen und Vertiefung des eigenen Glaubens, die hier einem ganzen Dorf seit Jahrzehnten beinahe nebenbei widerfährt – und es bereichert.
Passionsspielerdynastie. Auch Iris Klemenschitz und ihre gesamte Familie sind mit den Passionsspielen eng verbunden. Als Zwölfjährige stand sie dabei erstmals auf der Bühne und fand Gefallen daran. Nicht nur an der Darstellung biblischer Figuren, sondern auch am über viele Monate verdichteten Gemeinschaftsleben. „Man sieht Personen oft das ganze Jahr nicht, dann kommen alle zusammen, es entstehen neue Freundschaften“, erzählt sie. „Einige haben schon als Babys mitgewirkt und jetzt kommen sie mit ihren eigenen Kindern.“ Die Familie von Iris Klemenschitz ist ein Paradebeispiel einer St. Margarethner Passionsspielerdynastie. Ihr Mann Christian mimt heuer den Apostel Petrus, nebenbei kümmert er sich um das Marketing, ihre Schwiegermutter hilft Besuchern bei der Platzzuweisung, ihre Nichte am Parkplatz. „Schwäger, Cousinen, Tanten, Nachbarn, alle sind dabei“, schmunzelt Iris Klemenschitz. Sie selbst hat in den letzten Jahrzehnten ein Mädchen aus dem Volk, eine einfache Ehefrau und Martha von Bethanien gespielt. Warum nun ausgerechnet die Gottesmutter? Iris Klemenschitz ist eine Frau klarer Worte, die schnell erzählt, was sie umtreibt. Doch jetzt stockt der Redefluss. „Ja, warum eigentlich?“, fragt sie zurück.
Iris Klemenschitz grübelt. „Es reizt mich, ob ich Emotionen so auf die Bühne bringen kann, dass ich die Zuschauer mitreiße“, antwortet sie dann. In einer Szene muss sie auf Knopfdruck weinen – eine Herausfoderung für die Laiendarstellerin. Zwei Eselsbrücken hat sie bereits gefunden. Erstens: Wenn sie einer bestimmten Melodie über ihre Kopfhörer lauscht, kullern sofort Tränen. Das funktioniere jedoch nur bei Online-Proben, auf der großen Bühne sei das mit den Ohrstöpseln und der zugespielten Musik zu umständlich. Also benötigt sie eine zweite Hilfe. „Ich denke also an etwas Persönliches, einen Verlust, einen Streit. Wenn mich etwas betrübt, kann ich mich da reinfallen lassen.“ Glücklicherweise, so erzählt sie, müsse sie nur in wenigen Szenen Traurigkeit mimen. „In vielen Situationen bin ich glücklich. Das fällt mir leichter. Ich bin ja glücklich, weil ich weiß, dass mein Sohn lebt“, sagt sie. „Ich glaube wirklich daran, dass Jesus auferstanden ist, von daher fällt es mir leicht, mich da reinzuversetzen.“ Ist es also der Ehrgeiz am Schauspiel, der sie antreibt, die Rolle der Gottesmutter zu verkörpern – gepaart mit ihrem Glauben? Iris Klemenschitz denkt nach: „Nein, das ist nicht ganz der Grund, warum ich unbedingt diese Rolle spielen wollte.“ Vielleicht, so überlegt sie, „passt die Rolle einfach gut zu mir – die Darstellung der liebenden Mutter“. Ganz überzeugt klingt Iris Klemenschitz von ihrer Begründung nicht. Sie möchte noch ein wenig darüber nachdenken.
Religiös und sozial. Bei den Proben habe sie jedenfalls großen Spaß. Der neue Regisseur Alexander Wessely fordere die Darsteller. „Vieles ist sehr intensiv. Er kann gut vermitteln, was er von welchem Darsteller in den jeweiligen Szenen sehen mag.“ Lange Zeit beschränkten sich die Proben auf ein Online-Zusammenkommen via Computer. Doch mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen kann wieder in echten Proberäumen miteinander geübt werden. „Wir freuen uns schon sehr auf die Gemeinschaft und die Darstellung der Passion Christi.“ Religiös sei sie seit Kindestagen, besuchte das katholische Theresianum in Eisenstadt, ihre 15-jährige Tochter war Ministrantin, sie selbst betreute Firmgruppen und engagiert sich in der Pfarre. Nebenbei schließt die Volksschullehrerin gerade ein weiteres Studium ab.
„Aber jetzt habe ich Ihnen immer noch keine Antwort gegeben, warum ich die Maria spielen will“, wirft sie auf einmal ins Gespräch ein. Dann erzählt Iris Klemenschitz, dass sie mit 24 Jahren ein schweres Nierenleiden zu bewältigen hatte; ihr Vater, der kürzlich verstarb, spendete eine Niere. Mit 34 brachte sie ihre Tochter zur Welt. „Davor war ich beim Pfarrer und habe um seinen Segen gebeten.“ Der 49-Jährigen kullern nun ein paar Tränen über die Wangen. „Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich die Maria spielen möchte“, fügt sie an. Möglicherweise ist diese Darstellung und die viele Zeit, die ich investiere, mein Danke“, sagt sie, „weil Gott für mich da ist.“ «
MEHR DARÜBER
„Emmaus – Geschichte eines
L(i)ebenden.“ Unter diesem Titel findet von 26. Mai bis 10. Juli die Neuinszenierung der Passionsspiele statt: www.passio.at
Spieltermine. 26./28./29. Mai
4./5./6./11./12./16./18./19./25./26. Juni
2./3./9./10. Juli (Beginn: jeweils 15 Uhr)
Kartenbestellungen unter:
Passionsspiele St. Margarethen, Kirchengasse 22, 7062 St. Margarethen, Mail: tickets@passio.at
Autor:Martina Mihaljević aus Burgenland | martinus |
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