Syriens Zukunft unbekannt
Sowohl Hoffnung als auch Ungewissheit prägen die Tage nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien. Doch die Hoffnung überwiegt.
Dass das Regime von Hafez al-Assad und dessen Sohn Bashar al-Assad nach 54 Jahren Gewaltherrschaft und 13 Jahren blutigen Bürgerkriegs zusammengebrochen ist, hat internationale Beobachter ebenso wie die meisten Menschen in Syrien überrascht. Erste Reaktionen zeigten die Erleichterung der Bevölkerung über den Sturz des Regimes. Doch welche Gruppen sich durchsetzen und ob es für die Syrerinnen und Syrer Meinungsfreiheit, Mitspracherecht und Fairness geben wird, war zunächst unklar.
UNKLAR, WER REGIEREN WIRD
„Ganz Syrien steht vor einer unbekannten Zukunft“, fasste es Pater Hanna Ghoneim am Tag des Umsturzes zusammen. Als „Dominoeffekt“ bezeichnete der melkitische Priester aus Damaskus, der in Wien lebt, die Ereignisse in seiner Heimat. „Jetzt beginnt eine neue Ära in Syrien. Die Menschen haben gemischte Gefühle: Freude und Angst. Freude, dass etwas Neues kommen wird, und Angst vor dem Chaos.“ Manche Menschen würden auf den Straßen tanzen und singen, andere versteckten sich aus Angst vor Gefechten in den Häusern. Pater Ghoneim teilt die Freude, aber auch die Sorge mit seinen Landsleuten. „Wir wissen nicht, wie die nächste Regierung sein wird: Islamistisch? Liberal? Wird wirklich diese Freiheit kommen, die das ‚Committee der Befreiung Syriens‘ versprochen hat? Oder werden wir es mit einer Taliban-Regierung zu tun haben?“
„VIEL ARBEIT STEHT BEVOR“
Jetzt würde auf die Menschen in Syrien viel Arbeit zukommen. „Wir Christen haben einen großen Beitrag zu leisten für den Frieden, die Stabilisierung und eine gute Entwicklung im Land.“ Damaskus sei in der Hand der Rebellen, erwähnt Pater Ghoneim. „Die syrische Armee wurde aufgelöst. Die Soldaten haben ihre Uniformen ausgezogen. Sie haben ihre Identitätskarten zerbrochen, sind auf die Straßen gegangen und haben für die Revolution und die Freiheit gejubelt.“ In einem Rundbrief beschreibt Ghoneim, der die Stiftung „Korbgemeinschaft – Hilfe für Syrien“ gegründet hat, die Situation in der Hauptstadt Damaskus nach der Einnahme durch die Rebellengruppe „Committee der Befreiung Syriens“: „Die Ministerien und Behörden funktionieren nach wie vor in eingeschränkter Weise. Viele Menschen ziehen es vor, zu Hause zu bleiben und zu warten, was weiter passiert. Unsere Bäckerei ist durchgehend in Betrieb. Ich rechne damit, dass die Produktion noch weiter erhöht werden muss, denn viele staatliche Bäckereien werden schließen.“ Eine Großbäckerei der Stiftung „Korbgemeinschaft“ liegt 20 Kilometer nordöstlich von Damaskus.
RICHTIG WEIHNACHTEN FEIERN
Bei Pater Ghoneim überwog am 2. Adventsonntag der Optimismus. „Wegen der Ereignisse hatten alle Kirchen beschlossen, die Feierlichkeiten von Weihnachten nur auf das Gebet zu beschränken. Ich glaube, nun dürfen sie richtig Weihnachten feiern mit viel Freude, denn ich hoffe, dass unser Heil kommt. Wir wünschen uns das wahre Heil für die Menschen in Syrien.“
NUNTIUS ERLEICHTERT
Auch beim Vatikan-Botschafter in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, überwog die Erleichterung über den Fall des Assad-Regimes. In einem Telefonat mit Vatican News richtete er den Appell an die internationale Gemeinschaft, die Sanktionen gegen das Land aufzuheben, um den Wiederaufbau zu ermöglichen. Es scheine, „als wäre ein Problem gelöst, das so viel Leid gebracht hat. Entscheidend ist, dass es ohne Blutvergießen geschah“, so der seit 2008 in Syrien tätige Nuntius. Versöhnung und Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben hätten nun oberste Dringlichkeit. „Die Rebellen haben in den ersten Stunden den Dialog mit den Bischöfen in Aleppo gesucht und Respekt für religiöse Vielfalt zugesichert“, berichtete Zenari. „Wir hoffen, dass diese Versprechen eingehalten werden und dass die internationale Gemeinschaft den friedlichen Übergang unterstützt.“
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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