Mit beiden Beinen im Wasser
Tagelang war der Physikstudent Stefan Szokoll bis zur Erschöpfung im Einsatz. Er ist bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kritzendorf an der Donau, wo man mit Hochwasser Erfahrung hat. Doch dieses Mal war es anders, sagt er.
Das Gespräch mit Stefan Szokoll findet auf der Straße statt. Die Spätsommersonne scheint in Kritzendorf an der Donau, als wäre nichts gewesen. Doch in Niederösterreich ist noch längst nicht alles im Trockenen. Das gesamte Bundesland war während der Unwetter vorige Woche ein Katastrophengebiet. Aus mehr als 1 000 Gebäuden landesweit wurden Personen evakuiert. Noch lange ist das ganze Land mit Aufräumen beschäftigt. Auch in Kritzendorf, das ein Stadtteil von Klosterneuburg bei Wien ist, hört man mehrmals täglich Feuerwehrautos im Einsatz.
An den meisten Stellen hat sich das Wasser wieder in die Bachbette zurückgezogen, aber auf Straßen, Gehsteigen und anderen Flächen sind noch Schlammreste zu sehen. Vor dem Amtshaus Kritzendorf stehen Feuerwehrautos in verschiedenen Größen. Vor dem Amtshaus? Ja, denn das alte Feuerwehrhaus wurde im Frühjahr abgerissen, an seiner Stelle befindet sich eine große Baustelle. Das neue Feuerwehrhaus soll erst nächstes Jahr in Betrieb genommen werden, das Ersatzfeuerwehrhaus in der Au – steht unter Wasser. Auch in die Baustelle des neuen Hauses ist durch den tagelangen Starkregen Wasser eingedrungen. So sind die Feuerwehrleute nicht nur mit Einsätzen im Gemeindegebiet beschäftigt, sondern auch mit dem Reinigen der eigenen Baustelle.
ARBEIT IM HINTERGRUND
Stefan Szokoll ist seit Beginn der heurigen Hochwasserkatastrophe in der Einsatzleitung. „An der Uni beginnt das Semester erst im Oktober“, erklärt er. „Deshalb habe ich Zeit für die Arbeit hier.“ Diese Arbeit hat ihm viel abverlangt. „Während des tagelangen Starkregens bin ich abends buchstäblich nachhause gewankt“, erinnert er sich. „Ich bin froh, dass mich jemand nachhause gebracht hat.“ Gemeinsam mit einem Kollegen koordinierte er sämtliche Schadensmeldungen und Hilferufe, die einlangten, und die Feuerwehrgruppen, die unterwegs waren. Die Einsatzzentrale war provisorisch im ersten Stock des Amtshauses eingerichtet. Der Raum ist nicht abgegrenzt, vom Gang her dröhnte der Lärm der Gruppen, die sich zwischen den Einsätzen aufwärmten. Da habe ihm schon der Kopf gebrummt, erzählt der 22-jährige Physikstudent. Aber zum Glück hatte er einen ehemaligen Kommandanten zur Seite, der ihn, wenn nötig, beraten hat. „Es war eine große Leistung von dem erfahrenen Mann, dass er sich nicht ständig eingemischt hat, aber da war, wenn wir ihn brauchten.“
HOCHWASSER IST NICHT HOCHWASSER
Während er das beschreibt, steigt Stefan Szokoll in einen feuerwehrroten Kleinbus, den er vom Amtshaus zum halbfertigen Feuerwehrhaus lenkt. Im Auto erzählt er weiter. Noch sind sehr viele Arbeiten zu erledigen. Sei es nur, den Kameraden, die das Erdgeschoß ihrer Baustelle gerade vom Wasser befreien, Trinkwasser zu bringen. „In Kritzendorf kennt man sich aus mit Hochwasser“, sagt Szokoll. „Aber dieses Mal war es anders als sonst.“
So sind die Feuerwehrleute nicht nur mit Einsätzen im Gemeindegebiet beschäftigt, sondern auch mit dem Reinigen der eigenen Baustelle.
Hochwasser bedeutete bisher meistens, dass die Donau über die Ufer trat und die Au und eventuell angrenzende Gebiete überschwemmte. Nach einer großen Überschwemmung 2002 wurde ein Hochwasserschutz errichtet, der einige Problemstellen in Klosterneuburg entlastet hat. Dass es im Wienerwald tagelang durchregnete, war dieses Mal neu. Die kleinsten Rinnsale und Bächlein schwollen zu reißenden Flüssen an, traten über die Ufer und suchten sich neue Wege, zum Beispiel durch die Straßen und Gassen. Dazu kamen heftige Sturmböen. Der Boden weichte auf, Bäume wurden entwurzelt oder abgeknickt, manche Bäume fielen dabei auf Stromleitungen, Stromleitungsmasten kippten um, Hänge begannen zu rutschen, Keller standen unter Wasser. Im Vergleich zu anderen niederösterreichischen Gemeinden kam Kritzendorf, ebenso wie ganz Klosterneuburg, glimpflich davon, aber auch hier gab es tagelangen Dauereinsatz für die Freiwillige Feuerwehr. „Freiwillig ist bei der Feuerwehr eigentlich nur der Eintritt und der Austritt“, weiß Stefan Szokoll, der nach einem Hochwasser vor elf Jahren zur Feuerwehrjugend ging. Mittlerweile ist er Gruppenkommandant.
KUCHEN FÜR DIE FEUERWEHR
Lichtblicke waren für ihn beim Hochwassereinsatz vergangene Woche die Menschen, die im Übergangsquartier der Feuerwehr vorbeikamen und Essen oder Kuchen brachten, weil sie wussten, wie viel die Feuerwehrleute leisteten. Manche Restaurants luden die Feuerwehrleute zwischen ihren Einsätzen zum Essen ein.
Die kleinsten Rinnsale und Bächlein schwollen zu reißenden Flüssen an, traten über die Ufer und suchten sich neue Wege.
Anderes ärgerte den engagierten Studenten aber auch. „Manche Menschen verließen trotz aller Warnungen ihre Häuser in der Au nicht. Erst als der Strom abgeschaltet werden musste, riefen sie uns an und ließen sich mit Booten holen. Damit brachten sie sich selbst und Feuerwehrleute unnötig in Gefahr.“ Dass Feuerwehren aus anderen Bundesländern zur Unterstützung nach Niederösterreich kamen, war dafür wieder ein schönes Erlebnis, bei aller Härte der Einsätze.
GEMEINSAM TUN
Gemeinsam mit anderen etwas Sinnvolles zu machen, ist eine große Motivation für Stefan Szokoll, sich bei der Feuerwehr zu engagieren. Das half ihm im Leben auch über Phasen, in denen er als Schüler unter einen schlechten Klassengemeinschaft litt. Gemeinsam anzupacken, gemeinsam Freude zu stiften, das scheint ein Lebensmotto des Studenten an der Technischen Universität Wien zu sein. Bereits als Schüler hat er einen Chor gegründet, der seit Jahren bei Firmungen und Erstkommunionen für die richtige Stimmung sorgt. Offensichtlich ist der Physiker vielseitig begabt. Aber das allein reicht nicht. Man muss es auch nützen, und das tut er.
MONIKA SLOUK
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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