Man muss nicht Martin heißen ...

Junger Martin, Jürgen Tschida

Die Pfarrkirche von Apetlon war Schauplatz einer Uraufführung: „Martinus“, ein Musical über den heiligen Patron des Burgenlandes. Der Apetloner Kapellmeister, Produzent und Komponist Josef Pitzl verfasste es gemeinsam mit dem Theologen Josef Prikoszovits. Die aus Apetlon stammende Medienkünstlerin Verena Kögl vervollständigte das Team.
Mit diesem Werk verfolgen sie die Absicht, einerseits der traditionellen Darstellung dieses Heiligen unter Miteinbeziehung des Brauchtums zu folgen, andererseits aber auch klare Bezüge zur Welt von heute zu vermitteln.

Wie gut das gelungen war, durften die Besucher:innen bei der Uraufführung am Abend des 5. November (es gab am 12. November dann noch eine zweite Vorstellung) in der Apetloner Pfarrkirche erleben. Die Laternenkinder des Kindergartens wurden genauso wie eine Kindertanzgruppe – „Young Dancers on Tour(s)“ – ins Spiel integriert; auch die Schauspieler:innen des Theatervereins Apetlon. Zwei von ihnen spielten eindrucksvoll die Eltern des jungen Offizierssohns aus Savaria (das beim Spiel als Szombathely bezeichnet wurde, wohl auch um einen Gegenwartsbezug zu betonen), wobei die Unterschiede zwischen Vater und Mutter nicht nur in Glaubensfragen herausgearbeitet wurden.

Hauptrollen spielten der jugendliche Martin (Clemens Tschida) und der erwachsene Martin (Stefan Leander), die beide auch durch ihre Gesangsleistungen stark beeindruckten, und natürlich der Erzähler Sulpicius Severus (Christian Bauer), der besonders bei Schlüsselszenen für den Fluss des Spiels sorgte. Die Nebenrollen dienten dem Unterstreichen und Verdeutlichen des Wirkens Martins: Wenn beispielsweise die beiden Kameraden des Soldaten Martin darüber diskutieren, ob die Mantelteilung sinnvoll und richtig war oder nicht, oder zwei (keineswegs alte) Frauen ihre Freude darüber, dass Martin Bischof wurde, deutlich zum Ausdruck bringen, oder wenn die beiden Flötistinnen, die bei einigen Stücken spielen, dann auch einmal in eine improvisierte Werkstatt wechseln, um dort gemäß einem wohlbekannten Wort des alttestamentarischen Propheten Jesaja die Verwandlung von Schwertern zu Pflugscharen zu zeigen. All das wurde dramaturgisch geschickt umgesetzt, keine Sequenz geriet zu langatmig oder störte den Erzählfluss, und es wurde auch niemals peinlich, auch dann nicht, als beim Flashmob „Martin war ein frommer Mann“ im Publikum die ausgeteilten E-Lichter aktiviert und gemeinsam mit den Kindern gesungen und geklatscht wurde.

ELECTRO-POP TRIFFT BIBEL
Bei der Darstellung von Martins Jesusbegegnung und einigen weiteren Szenen, wo es um die Sichtbarmachung von Martins Spiritualität ging, wurde nicht zu dick aufgetragen und stattdessen versucht, Gegenwartsbezüge herzustellen und Aussagen zu treffen, die das Christsein sowie das gesellschaftliche Engagement von heute betreffen. Ein Satz blieb dabei wohl besonders hängen, auch weil er öfter als einmal ausgesprochen wurde: „Man muss nicht Martin heißen, um ein Martin zu sein!“

Musikalisch gelang Pitzl mit diesem rund 80-minütigen Werk eine gute Kombination von Electropop, Gospel, traditioneller kirchlicher Chormusik und Kinderliedern, geformt in eingängigen, konventionellem Musicalstil entsprechenden Songs, deren Texte sich bemühen, in unkomplizierter und zugleich unaufdringlicher Weise die Spiritualität des Heiligen dem Menschen von heute zu erschließen. Es ist ein gelungener Versuch, einen Heiligen, der vor über 1600 Jahren lebte und wirkte, als heutigen Mitmenschen und Christen erkennbar und erfahrbar zu machen.

Dass die Kirche bei der Uraufführung bis auf den letzten Platz gefüllt war und es am Schluss tosenden Applaus gab, war kein Akt der Höflichkeit, sondern Ausdruck einer verdienten Würdigung.

Wer nicht dabei war (oder es auch war, und haben will), kann Material (z. B. Lieder zum Musical, Hörbuch, Textheft mit Noten etc.) zu diesem Musical beim Komponisten erwerben: www.pitzl.at

Oder sich am Sonntag, den 7. Jänner 2024 nach Apetlon begeben, zur geplanten dritten Aufführung dieses Werks.

ROBERT GANSER

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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