Seelsorgeraum "Am See" im Porträt
Geschwisterlich: Der Große und der Kleine
Der Seelsorgeraum „Am See“ verbindet die Pfarren Neusiedl am See und Weiden am See – beide proftieren voneinander, die Stadt und das Dorf. Künftig sollen verstärkt gemeinsame Aktivitäten geplant und die funktionierende Jugendarbeit ausgebaut werden. Derzeit ist man im Seelsorgeraum aber an ein Sonderprojekt gebunden: Geflüchtete aus der Ukraine benötigen Hilfe.
GERALD GOSSMANN
Auf der einen Seite steht das große Neusiedl am See, eine Stadt mit mittlerweile 8.600 Einwohnern, auf der anderen Seite das „kleine“ Weiden, das „bloß“ 2.500 Menschen zählt. Vor über einem Jahr wurde aus den Pfarren ein Seelsorgeraum, der nun beiden durchaus Vorteile und neue Möglichkeiten bietet. Wilhelm Ringhofer wirkt als Pfarrer, der Mann besitzt viel Erfahrung und betont im martinus-Gespräch: „Die beiden Pfarren befruchten einander: In Weiden ist ein dörfliches Leben erkennbar, was auf das große Neusiedl ausstrahlt“. Genauso würden sich die professionalisierten Abläufe eines großen (ehrenamtlichen) Teams wie in Neusiedl auf das kleine Weiden auswirken.
Zusammenhalt. Ein Beispiel: Das dicke Pfarrblatt hat eine Auflage von 4.500 Stück. Einst glänzte vor allem die große Pfarre mit ihren Neusiedler Nachrichten. Nun profitiert auch Weiden am See von der gemeinsamen Produktion. Im Blatt finden sich Veranstaltungen, Termine und Wissenswertes aus dem Seelsorgeraum, Berichte über Kinder, Jugend, Senioren, Neuigkeiten aus dem Pfarrgemeinderat – dazu wird die Ökumene groß geschrieben. Das Blatt hat zudem einen neuen Namen erhalten: „Neusiedler-Weidener-Nachrichten“. Untertitel: „Miteinander leben in Gemeinde und Pfarre.“ Der Neusiedler Pfarrgemeinderat Gerhard Strauss zeichnet mit einem ehreamtlichen Redaktionsteam (bestehend aus Vertretern beider Pfarren) dafür verantwortlich. Neusiedl sei eine große Pfarre, erzählt Hans Preschitz, Ratsvikar in Weiden gegenüber martinus. „Hier sind viele Menschen bereit sich zu enagieren. Davon können wir profitieren.“ Zuletzt trafen Gläubige aus dem Seelsorgeraum zum Emmausgang am Ostermontag mit Pfarrer Ringhofer zusammen. Dieser wird von den Priestern Jerzy Niewczas und den im Ruhestand befindlichen Msgr. Franz Hillinger, Franz Unger, Pastoralassistent Thomas Harrer, Pfarrsekretärin Christiane Hess und einem ehrenamtlichen Seelsorgeraum-Team unterstützt. Kaplan Julian Heissenberger weilt derzeit aufgrund seines Studiums in Rom. „Wir Priester werden weniger, Ehrenamtliche und Laien müssen in den Vordergrund rücken“, betont Pfarrer Ringhofer gegenüber martinus. „Es sollen nicht nur Aufgaben abgedeckt, sondern verantwortungsvoll gestaltet werden.“ Der Pfarrer werde künftig „als Leiter fungieren, aber vielmehr als Spiritual. Bei ihm sollen die geistlichen Fäden zusammenlaufen und das andere passiert in den Arbeitsgruppen.“
Der Arbeit im Seelsorgeraum müsse aufgrund der erschwerten Corona-Situation der letzten Jahre erst Leben eingehaucht werden, betont Pfarrer Ringhofer. Vor der Pandemie wurde bereits viel Vorarbeit geleistet. Ringhofers Vorgänger Michael Wüger (der vor etwa zehn Monaten zum Generalvikar der Diözese ernannt wurde) hatte als Pastoralamtsdirektor den Prozess der Seelsorgeräume hautnah mitentwickelt. Peter Goldenits, Ratsvikar in Neusiedl, hat viel davon begleitet. Anfangs standen strukturelle Dinge im Vordergrund: So gibt es nur noch eine Telefonnummer, unter der man den Seelsorgeraum erreichen kann – jene aus Weiden. Der Name „Am See“ war aufgrund der geografischen Lage der beiden Ortschaften schnell gefunden. Sogar ein eigenes Logo wurde von einem Grafikdesigner entwickelt. Die Vertreter des Seelsorgeraums meinen es ernst. Eine gemeinsame Homepage informiert über Termine, Veranstaltungen, Kontaktpersonen – und berichtet über spannende Projekte.
Die Jugendarbeit steht im Zentrum. 30 Jungscharleiter stehen zur Verfügung, im Sommer nehmen an die 60 Buben und Mädchen an einem Ferienlager teil. Die Jugendarbeit wird derzeit auf neue Beine gestellt, erzählt Peter Goldenits, im Zivilberuf Arzt und ehrenamtlich Präsident der Katholischen Aktion der Diözese Eisenstadt. Auch Pfarrer Ringhofer ist von der Jugendarbeit begeistert. „Die ist sehr außergewöhnlich“, das ehrenamtliche Engagement sei generell beachtlich. Etwa dreißig Jugendliche sollen sich künftig regelmäßig treffen. Eine Zusammenkunft hat bereits stattgefunden – im Pfarrheim, das aber „generalsanierungsbedürftig“ sei, wie Goldenits betont. In den letzten Jahren wurde vieles auf Vordermann gebracht: die Kirche, der Kirchenpark, der Pfarrhof. Nun soll aus dem Pfarrzentrum ein funktionales Gebäude werden, sogar ein Neubau wird laut Goldenits überlegt. „Das ist ein Projekt, das man im Seelsorgeraum abstimmen wird.“ Denn: Es könnte ein Veranstaltungszentrum entstehen, das allen Menschen im Seelsorgeraum zur Verfügung steht. „Jugend, Kinder und Ministranten engagieren sich hier außerordentlich, betont Goldenits. Auch ihnen könnte ein neues Pfarrheim einen wichtigen Entfaltungsraum bieten. „Das wäre wichtig, damit alles so lebendig bleibt, wie es derzeit ist. Denn wenn die Jugend weg bleibt, hätten wir ein Problem.“ Derzeit wird ein anderes Problem bewältigt, das der Ukraine-Krieg verursacht hat. Fünfzig bis sechzig Geflüchtete werden im Pfarrhof pro Tag verköstigt. Viele regionale Betriebe und Gaststätten helfen dabei. Der einstige Pastoralassistent der Pfarre Neusiedl Josef Frank grillte zuletzt. Im Seelsorgeraum wird angepackt und zusammengeholfen. Pfarrsekretärin Christiane Hess sei von früh bis spät im Einsatz, obwohl das ihre Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis weit überschreite, erzählt Pfarrgemeinderat Strauss. Sie selbst ist nicht zu sprechen, eilt von Termin zu Termin. Die Pfarrsekretärin sei „ein unersetzliches Bindeglied im Seelsorgeraum“, betont Pfarrer Ringhofer. „Frau Hess ersetzt zwei Kapläne – in der Kompetenz und der Organisation der Pfarre.“ Bald will man gemeinsame Aktivitäten im Seelsorgeraum planen – Gebetsrunden, Wallfahrten, Gottesdienste –, doch jetzt muss erstmal den ankommenden UkrainerInnen geholfen werden.
Autor:Martina Mihaljević aus Burgenland | martinus |
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