EIN_BLICK
Die Tücken der Arbeitsmigration

Glorie Seno (links außen) und Inorisa S. Elento (rechts außen) mit weiteren Frauen des kfbö-Partnerinnenprojekts MMCEAI. Sie setzen sich u. a. für sichere Arbeitsmigration ein, wie auf ihren gelben T-Shirts zu lesen ist („Migrate safely“ ).  | Foto: Keith Bacongco
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  • Glorie Seno (links außen) und Inorisa S. Elento (rechts außen) mit weiteren Frauen des kfbö-Partnerinnenprojekts MMCEAI. Sie setzen sich u. a. für sichere Arbeitsmigration ein, wie auf ihren gelben T-Shirts zu lesen ist („Migrate safely“ ).
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Um den Lebensunterhalt in Notsituationen zu sichern, entscheiden sich viele Philippiner:innen eine Zeit lang im Ausland zu arbeiten. Die Gefahren, ausgebeutet und mit Gewalt konfrontiert zu werden, sind groß. Hilfe für Betroffene und deren Familien bietet die philippinische Organisation MMCEAI, Projektpartnerin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

Sie arbeiten in aller Welt, vor allem aber in Saudi-Arabien, Dubai, Malaysia oder Singapur. Für die meisten Philippiner:innen ist es eine schwere Entscheidung, ihrer Heimat für ein bis drei Jahre den Rücken zu kehren. Doch Armut, unmenschliche Arbeitsbedingungen und hohe Arbeitslosigkeit sind die Hauptantriebsfaktoren ins Ausland zu gehen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu Hause zu sichern.

RÜCKÜBERWEISUNGEN

Auf den Philippinen leben rund 115,6 Millionen Menschen, 2,3 Millionen davon arbeiten als so genannte „Overseas Filipino Workers“ (OFW) im Ausland. Mehr als die ­Hälfte der OFWs sind Frauen (62 Prozent) im Alter von 25 bis 45 Jahren. Sie sind vor allem als Haushaltshilfen, Pflegekräfte, Kindermädchen und Krankenschwestern tätig und leisten somit großteils Sorge arbeiten außerhalb ihrer Heimat. Diese wären aber auch vor Ort dringend notwendig. Doch die Löhne fern der Heimat sind attraktiv und oft doppelt so hoch als im Ursprungsland. Und so ziehen viele schweren Herzens los und trennen sich eine Zeit lang von ihren Lieben.

Die Rücküberweisungen machen laut Informationen der Katholischen Frauenbewegung mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus und stellen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor auf den Philippinen dar. Arbeitsmigration wird deshalb von der Regierung des südostasiatischen Landes gefördert. Der Staat verdient zusätzlich an den notwendigen Gebühren, die von den Arbeitsmigrantinnen und -migranten entrichtet werden müssen.

GEFAHREN UND RISIKEN

Doch der Auslandsaufenthalt birgt oft große Gefahren und Risiken in sich. Davon können Inorisa S. Elento und Glorie Seno ein Lied singen. Die beiden sind Mitarbeiterinnen der Organisation „Mindanao Migrants Center“ ( MMCEAI) in Davao City, mit 1,6 Millionen Einwohnern die größte Stadt der philippinischen Insel Mindanao. Die Projektpartnerinnen der Katholischen Frauenbewegung, die MMCEAI mit Mitteln der „Aktion Familienfasttag“ unterstützt, sind derzeit in Österreich unterwegs und berichten über ihre Arbeit.

„Ein zentraler Teil unserer Tätigkeit besteht darin, in Not geratene Arbeitsmigrantinnen u. a. durch soziale, psychologische und rechtliche Begleitung zu unterstützen und auch ihren Familien, die zu Hause geblieben sind, Hilfe anzubieten, denn auch sie müssen große Herausforderungen ertragen und bewältigen. Hilfe vom Staat gibt es für Betroffene nicht“, sagt Inorisa S. Elento, Geschäftsführerin von ­MMCEAI. Weiters werden jene, die vor einem Arbeitsaufenthalt im Ausland stehen, über die Risiken und ihre Rechte aufgeklärt, damit sie nicht in die illegale Arbeitsmigration und in die Fänge von Menschenhändlern geraten. Diese nutzen die Not der Armutsgefährdeten in den sozial schwachen Bezirken oft gezielt aus. Solche Beratungen führen meistens ehemalige Arbeitsmigrantinnen, die von MMCEAI geschult wurden.

GEWALT UND AUSBEUTUNG

Das Team von MMCEAI arbeitet in acht von insgesamt 182 Bezirken in Davao City. Dort leben viele Menschen aus bildungsbenachteiligten Schichten. Derzeit sind aus diesen Regionen 3700 OFWs registriert. „Die meisten, die zu uns kommen, sind betroffen von Menschenhandel und von körperlicher und sexueller Gewalt durch den Arbeitgeber. Die Opfer berichten auch von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen wie lange Dienstzeiten und kaum Freizeit“, sagt Inorisa S. Elento.

Der Großteil jener, die Gewalt und Ausbeutung erfahren haben, spricht nach ihrer Rückkehr nicht darüber. Oft aus Scham. Erst nach längerer Zeit finden Familienangehörige und Freunde heraus, dass die Betroffenen in der Arbeitsmigration Missbrauchserfahrungen gemacht haben. Häufig leiden die Opfer an Depressionen.

Aber auch die im Land Zurückgelassenen – insbesondere Kinder, kranke und alte Menschen – leiden unter der Abwesenheit der OFWs. „Kinder und Jugendliche brechen deshalb oft die Schule ab, geraten auf die schiefe Bahn, landen in der Kriminalität, die Suchtgefahr steigt und Mädchen werden früh schwanger. Manche sind auch von Missbrauch durch Familienangehörige betroffen“, erzählt Glorie Seno, Programmmanagerin bei MMCEAI. Die Anliegen, Sorgen und Ängste der jungen Leute finden bei der Organisation ebenfalls Gehör. „Wir bieten ihnen u. a. Räume, um über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen und vermitteln bei Bedarf therapeutische Hilfe“, sagt Glorie Seno. Die Organisation bietet zudem u. a. Projekte zur Sicherung des Lebensunterhalts und fördert die persönliche Weiterentwicklung von Frauen durch ein solidarisches Miteinander in Gruppen.

MEHR SICHERE ARBEITSPLÄTZE

Ein großes Anliegen von MMCEAI ist, verstärkt auf die Problematik der Arbeitsmigration aufmerksam zu machen. Dazu arbeitet die Organisation u. a. mit Regierungsstellen, staatlichen Einrichtungen und NGOs zusammen. Beide Frauen sind sich einig: „Es müssen mehr faire und sichere Arbeitsplätze in der Heimat geschaffen werden, damit die Menschen im Land bleiben können und ihnen die Chance auf ein besseres Leben ermöglicht wird.“

SUSANNE HUBER

Familienfasttag

Die entwicklungspolitische Kampagne „Aktion Familienfasttag“ der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö) steht heuer unter dem Slogan „Gemeinsam für faire Care-Arbeit“. Das Augenmerk der größten Frauenorganisation des Landes gilt dabei nicht nur Frauen auf den Philippinen und von dort kommenden Arbeitsmigratinnen (siehe Reportage), die die kfbö mit dem Erlös bundesweiter Fastensuppen-Veranstaltungen unterstützt – wie auch mehr als 70 weitere kfbö-Partnerinnen-Projekte in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die kfbö ist auch Mitinitiatorin des Bündnisses „Fair sorgen!“, das klare Verbesserungen für jene fordert, die hierzulande in Care-Berufen Sorgearbeit leisten.

In der Fastenzeit ist das Angebot von Benefiz-Suppenessen der „Aktion Familienfasttag“ dicht gedrängt. In allen österreichischen Diözesen finden entsprechende Veranstaltungen statt. Top-Event ist das traditionelle Benefizsuppen-Essen in Wien am 6. März im Außenministerium. Daran teilnehmen werden „Weltkirche“-Bischof Werner Freistetter, Österreichs First Lady Doris Schmidauer als langjährige Mentorin sowie philippinische Projektpartnerinnen des „Mindanao Migrants Center“, dem diesjährigen Modellprojekt.

Infos unter: www.teilen.at

Glorie Seno (links außen) und Inorisa S. Elento (rechts außen) mit weiteren Frauen des kfbö-Partnerinnenprojekts MMCEAI. Sie setzen sich u. a. für sichere Arbeitsmigration ein, wie auf ihren gelben T-Shirts zu lesen ist („Migrate safely“ ).  | Foto: Keith Bacongco
Ehemalige Arbeitsmigrantinnen sind Teil des Projekts von MMCEAI zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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