„Der größte Skandal ist die Zerrissenheit der Kirche“

Ökumenischer Geist. Bischof Ägidius J. Zsifkovics mit Superintendent Robert Jonischkeit im St. Martinsdom. | Foto: FOTOSTUDIO STEFAN MILLESICH
5Bilder
  • Ökumenischer Geist. Bischof Ägidius J. Zsifkovics mit Superintendent Robert Jonischkeit im St. Martinsdom.
  • Foto: FOTOSTUDIO STEFAN MILLESICH
  • hochgeladen von Martina Mihaljević

Ökumenischer Gottesdienst im Martinsdom

Im Eisenstädter Martinsdom fand ein ökumenischer Gottesdienst zur Weltgebetswoche für die Einheit der Christen statt. Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics und Superintendent Robert Jonischkeit betonten: Der neue Weg der Kirchen sei „der Weg der sichtbaren Einheit“. GERALD GOSSMANN

Am wichtigsten Ökumene-Termin für die Weltkirche kamen Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche des Burgenlandes zu einem gemeinsamen Gottesdienst im Eisenstädter Martinsdom zusammen. Der Gottesdienst stand unter dem biblischen Motto der Weisen aus dem Morgenland, die zum Jesuskind nach Bethlehem gezogen sind: „Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten“ (Matthäus 2,2). Die Liturgie griff damit den Besuch der Sterndeuter auf, von dem das Evangelium berichtet. Während der Gebetswoche für die Einheit der Christen versammeln sich weltweit Gläubige aus verschiedenen Konfessionen, um für die Einheit der Kirche zu beten. Auch im Burgenland wird das so praktiziert: abwechselnd in einem evangelischen oder katholischen Gotteshaus. Der Nahe Osten habe Tausende christliche Zeugen und Märtyrer hervor gebracht, betonte Bischof Ägidius in seiner Ansprache, um anzufügen: „Heute ist die Existenz der kleinen christlichen Gemeinschaft im Nahen Osten bedroht und das Licht des Christentums scheint im Land Jesu langsam zu erlöschen.“
Der größte Skandal des Christentums. Im Rahmen des Gottesdienstes wurde für die Christen im Nahen Osten gebetet, aber auch für die Krisen- und Kriegsgebiete in Syrien, Irak, Afghanistan, in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Ukraine. Bischof Zsifkovics ergänzte: „Nicht nur die Welt wird von vielen Krisen und Konflikten gebeutelt, von der Pandemie mit ihren wirtschaftlichen, psychischen und sozialen Folgen schwer heimgesucht, sondern auch die Kirche, der Leib Christi, ist zerrissen, von Krisen, Streit und Missbrauch tief erschüttert.“ Wörtlich sagte Zsifkovics: „Der größte Skandal des Christentums“ sei die Zerrissenheit und Uneinigkeit der Kirche Jesu Christi. Die Kirche habe „den Auftrag, der Stern zu sein, der den Menschen den Weg zu Christus, dem Licht der Welt weist. Dies kann sie aber nur sein, wenn sie auf Jesus schaut, immer wieder zu ihm kommt, sich an seinem Wort aufrichtet und ihn gemeinsam anbetet – wie es die Sterndeuter damals gemacht haben.“ „Der neue Weg der Kirchen“, so Zsifkovics abschließend, sei „der Weg der sichtbaren Einheit.“
Weggemeinschaft. Auch Superintendent Robert Jonischkeit schlug in seiner Predigt in diese Kerbe: „Wir kommen aus unterschiedlichen christlichen Konfessionen, aus unterschiedlichen Traditionen mit unserer jeweils ganz eigenen Glaubens- und Lebensgeschichte. Aber eines haben wir alle gemeinsam. Wir folgen dem Stern, der uns zu Christus führen will. Das macht uns zu einer Weggemeinschaft. Und diese Gemeinschaft steht in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen im Mittelpunkt.“ Besonderes Augenmerk legte der burgenländische Superintendent auf die Deutung, „dass drei unterschiedliche Personen mit unterschiedlicher Hautfarbe aus den drei damals bekannten Weltteilen Asien, Afrika und Europa den Weg zu Jesus gefunden haben“. Diese „symbolische Darstellung“ halte er „für immens wichtig“. Sie sei „eine Absage an jeglichen Rassismus, an jegliche Fremdenfeindlichkeit und an jede religiöse Überheblichkeit. Nach den Hirten waren es die Fremden aus anderen Kulturen und mit einer anderen Religion, die dem Stern gefolgt sind und den Weg zu Christus gefunden haben“, so Jonischkeit im Martinsdom. Ob römisch-katholisch, evangelisch, orthodox, anglikanisch oder apostolisch: „Wir folgen dem gleichen Stern und haben das gleiche Ziel: Christus“, betonte Jonischkeit.
Vom Gegeneinander zum herzlichen Miteinander. „Aus einem ursprünglichen Gegeneinander und einem vorsichtigen Nebeneinander“ sei „ein herzliches Miteinander geworden, das wirklich ein Grund zum Feiern ist.“ Jonischkeit stellte seiner Freude aber auch einen hoffnungsvollen Appell gegenüber: „Auch wenn es natürlich noch einiges in der Ökumene zu tun gibt. Einen wirklichen Grund zur Freude haben wir erst, wenn Mitglieder aller christlichen Konfessionen vereint um den Tisch des Herren stehen können, um gemeinsam Eucharistie zu feiern, wie auch die Weisen aus unserer Geschichte gemeinsam vor dem Jesuskind gestanden sind, um ihm ihre Gaben zu reichen.“ Im „offenen Umgang miteinander“ müssten die Kirchen „auch Vorbild für die Gesellschaft sein, in der Vorurteile und Ängste gegenüber Fremden, Ausgrenzung und ein neuer Nationalismus immer wieder um sich greifen. Überall dort, wo in dieser Weise Unrecht geschieht, haben die Kirchen ihre Stimme zu erheben“, betonte Jonischkeit. Der christliche Glaube sei „machtlos und mächtig zugleich“. Denn, so Jonischkeit: „Glaube, Liebe und Hoffnung sind beständiger als Regierungen. Sie sind nicht von gesellschaftlichen Stimmungen oder dem Wählerverhalten abhängig und setzen nicht auf fragile Herrschaftsverhältnisse.“ Der Weg zu Christus sei „nie Selbstzweck. Er ist immer auch ein Weg zu den Menschen. Die Kirche müsse für die Menschen da sein. „Für alle Menschen. Aus welchem Land sie auch sein mögen. Unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung.“

Autor:

Martina Mihaljević aus Burgenland | martinus

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ