„Glaubt dieser guten Nachricht“
Pfarrer Christian Öhler begibt sich in der Osterserie „Glaube konkret“ auf die Spuren von heutigen Glaubenserfahrungen. Natur und Kultur sind wichtige Impulsgeberinnen dafür.
Erstmals gibt es eine Osterserie in der Kirchenzeitung. Was ist Ihr Anliegen?
Christian Öhler: Mein Anliegen ist es, möglichst konkret über Glaubenserfahrungen zu schreiben, einen Erfahrungsaustausch anzuregen. Ich bin mit vielen Menschen in Kontakt, bei der Vorbereitung und Feier der Sakramente, etwa bei Taufen oder seit November letzten Jahres wieder mit Jugendlichen, die sich auf die Firmung vorbereiten. An einigen Freitagen habe ich auf dem Ischler Wochenmarkt selbstgemachte Orangenmarmelade für die Orgelrenovierung verkauft. Das alles sind Gelegenheiten für ausführliche Gespräche oder für einen kurzen Austausch, sozusagen im Vorbeigehen. Was trägt im Leben, wenn zum Beispiel etwas passiert ist, das mich gehörig durchrüttelt, eine schwere Krankheit, ein Problem in der Familie oder in der Beziehung?
Leiden, Passion und Sterben sind in der Karwoche besonders präsent. Dem Christentum wird vorgeworfen, zu schwer, zu leidensfähig zu sein. Die frohe Botschaft ist oft nicht spürbar. Was sagen Sie dazu?
Öhler: Am Palmsonntag hat mir ein junges Paar im Anschluss an den Gottesdienst dafür gedankt, dass ich die Botschaft so befreiend vermittelt habe und dass das in diesen schwierigen Zeiten eine Wohltat sei. Die Karwoche zeigt wie unser Leben im Zeitraffer, worum es im Leben geht. Unser tägliches Bemühen um ein gutes Leben, um ein geheiltes und befriedetes Zusammenleben, unser Ringen mit dem Negativen und mit dem vermeidbaren und dem unvermeidbaren Leid.
Ostern feiern wir, dass wir erlöst sind. In dem einen Menschen Jesus ist exemplarisch schon da, was gilt, durch Sterben und Tod hindurch das Leben. Wir sprechen von Jesus zu Recht als von Gottes Sohn, weil sich in der Jesusgeschichte etwas ereignet hat, was unwiderruflich ist, was nicht zurückgenommen wird, weil es einer himmlischen Regie folgt. Die Hauptübel Tod, Leid, Krankheit, Hunger, Dummheit, gewaltsam ausgetragene Konflikte – alles ist überwindbar. Berge können versetzt werden, auch Berge der Schuld. Keine ist so groß, dass Gott sie nicht vergeben könnte.
Was ist für Sie die wichtigste Botschaft Jesu?
Öhler: Jesus hat viele Leitbilder und -sätze hinterlassen, die mir wichtig sind, zum Beispiel in den Gleichnissen. Besonders ist es aber der folgende Satz: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt dieser guten Nachricht, dieser frohen Botschaft“ (Mk 1,14–15)
Was bedeutet das für Sie?
Öhler: Das bedeutet für mich, dass die Zeit immer eine erfüllte Zeit mit vielen Chancen ist, die man einfach sehen und nutzen muss. Visionäre und tatkräftige Menschen engagieren sich für Frieden, Klimagerechtigkeit, zwischenmenschliche, versöhnte Beziehungen. Ich leiste meinen Beitrag dazu im Vertrauen, dass es im Sinne des Gottesreichs ist, das schon mitten unter uns ist.
„Die Kirche ist ein Zeichen für das Reich Gottes. Sie ist aber nicht die Suppe, sie ist das Salz in der Suppe.“
CHRISTIAN ÖHLER, PFARRER VON BAD ISCHL
Die Kirche ist Zeichen und Werkzeug dafür, in aller Ambivalenz. Sie ist nicht das Reich Gottes, sie ist Zeichen und Werkzeug. Sie ist nicht die Suppe, sie ist das Salz in der Suppe!
Natur, die Trost spendet und Dankbarkeit aufkommen lässt: Was ist Ihre Art, sich in der Natur zu bewegen?
Öhler: Es ist tatsächlich ein Geschenk, in einer so wunderschönen Gegend leben zu dürfen, wie es das Salzkammergut ist. Ich liebe es, von Bergen umgeben zu sein. Das vermittelt irgendwie ein Gefühl der Geborgenheit. Dazu die Flüsse, die Bäche und die Seen mit ihrem reinen Wasser. Die Ischlerinnen und Ischler nutzen jede sich bietende Gelegenheit, um in die Natur hinauszugehen. Da kommt tatsächlich Dankbarkeit auf. Meine Art, mich in der Natur zu bewegen, ist das Gehen, auch das Weitwandern und das Pilgern. Im vergangenen Jahr zum Beispiel auf einem Weitwanderweg über den Peloponnes in Griechenland im Frühling. Alles hat geblüht und gesummt. Wir sind über Blütenmeere gegangen, das Leben hat pulsiert. Es war herrlich. Das alles macht einen schon dankbar für die Schöpfung. So vieles ist uns geschenkt noch vor jeder eigenen Leistung.
Bad Ischl ist mit 23 Gemeinden im Salzkammergut Kulturhauptstadt im Jahr 2024. Welche Zugänge haben Sie zu Kunst und Kultur? Was kann Kunst?
Öhler: Der erste Zugang passiert über die Werke, aber dann interessieren mich besonders die Künstlerinnen und Künstler, die hinter diesen Werken stehen und diese Werke schaffen. Das war für mich immer das Interessanteste und ist es nach wie vor: ihnen zu begegnen und zu spüren, aus welcher Lebenserfahrung, aus welcher Geschichte kommt dieses Werk.
Gibt es ein konkretes Beispiel aus der Region?
Öhler: Ja, zum Beispiel die Arbeiten von Haruko Maeda, die noch bis Karfreitag in Hallstatt im Kirchenraum, in der Krypta und im Beinhaus zu sehen sind. Die Ausstellung trägt den Titel „Über die Schwelle“. Tod und Vergänglichkeit werden thematisiert.
Die junge japanische Künstlerin hat einerseits ihre Erfahrungen mit dem Tod ihrer Großeltern und dem Töten von Tieren verarbeitet und sich andererseits mit Hallstatt auseinandergesetzt. Dort ist der Tod etwa im Beinhaus in Form der bemalten Totenköpfe in einer besonders einprägsamen Weise präsent.
Es ist spannend, eine Sicht auf das Leben kennenzulernen, die mir zunächst fremd ist, die mich in der Folge aber inspiriert und bereichert.
Warum bringt sich Kirche hier so stark ein? Warum will Kirche im Orchester der Europäischen Kulturhauptstadt mitspielen?
Öhler: Salzkammergut 2024 versteht Kultur als „das neue Salz“, das unserer Region einen unverwechselbaren Geschmack verleiht. Jesus ermächtigt uns in seiner Bergpredigt dazu, Salz der Erde zu sein. Da ist es doch naheliegend, ein Jahr lang auszutesten, wie es um unsere Würze bestellt ist. Das Netzwerk von Pfarrgemeinden, engagierten Menschen und offenen Räumen in der Region hat sich jedenfalls schon im Zugehen auf das Kulturhauptstadtjahr als recht brauchbar und alles andere als fad erwiesen. Neben dem „Wasserpilgern“ entlang der Traun bis zu ihrem Ursprung ist der „Große Welt-Raum-Weg“ einer unserer wichtigsten Beiträge. Der Audio-Weg führt behutsam aus unserer scheinbar perfekt eingerichteten Welt in die wilde Natur des Toten Gebirges. – Ein erstes Resümee: Es ist uns gelungen, Kirche als kulturelle Nahversorgerin über kirchennahe Kreise hinaus ins Gespräch zu bringen.
ELISABETH LEITNER
STADTPFARRER VON BAD ISCHL, REGIONALDECHANT FÜR DAS TRAUNVIERTEL, PFARRPROVISOR ST. WOLFGANG UND PFANDL
Christian Öhler ist auf dem Bindermichl in Linz aufgewachsen. Als Kind und Jugendlicher engagierte er sich in der Pfarre St. Michael und studierte später Theologie in Linz und Frankfurt. 1985 wurde er von Bischof Maximilian Aichern zum Priester geweiht. Er prägte in Linz die Seelsorge in der Kirche in der Tuchfabrik (Pfarre Linz-Auwiesen/Marcel Callo), 2010 wechselte er nach Bad Ischl und vernetzt dort unentwegt Land, Leute und Kirche.
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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