Am 17. Jänner begehen Österreichs Christen den „Tag des Judentums“
Vergessen kann die Zukunft kosten
„Die Ahnung von der Vergangenheit hat sich wie ein Herbstblatt verfärbt.“ Der Autor Lukas Pallitsch ist Lehrer am katholischen Privatgymnasium Wolfgarten und Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog der Diözese Eisenstadt.
Auf der Suche nach der Familie Wolf stieß ich über kuriose Umwege auf Paul Wolf, der heute knapp 70-jährig in Oxford (England) lebt. Seine Eltern sind im Frühjahr 1939 aus Eisenstadt nach England geflohen. Den Großeltern gelang sprichwörtlich in letzter Stunde 1941 noch die Flucht von Eisenstadt in die Türkei und von dort über Syrien weiter nach Israel, wo sie in Haifa auf weitere Familienmitglieder trafen. Später emigrierten auch sie nach England.Einst war die Familie Wolf eine wohlhabende Großfamilie in Eisenstadt. Die späten 1930er Jahre hatten einen tiefen Riss durch die Stadt gezogen. Das Burgenland wurde „judenfrei“ und damit waren bald die menschlichen Spuren ausgelöscht. Der synagogale Gesang verstummte und das rege Treiben im jüdischen Viertel Eisenstadts erlahmte. Geblieben ist neben den leeren Häusern die Erinnerung an eine Zeit, die es so nicht mehr gibt.
Wo einst der Garten der Familie Wolf war, findet sich heute eine Bildungseinrichtung, das Gymnasium der Diözese Eisenstadt. Der Name der Familie Wolf wird von der Schulgemeinschaft des Gymnasiums als der sogenannte Wolfgarten getragen. Für viele ist der Name Wolfgarten zu selbstverständlich geworden, um zu wissen, was genau es damit auf sich hat. Die einen sagen fälschlich „Wolfsgarten“, andere assoziieren mit dem Wolf das Tier oder Fabelwesen. Die Ahnung von der Vergangenheit hat sich wie ein Herbstblatt verfärbt. Doch eigentlich wäre diese so wichtig, ist sie doch Teil unserer Identität: von uns als Lehrer, Schüler, Stadtbewohner, Christen und vor allem als Menschen. Besonders für den schulischen Bereich sollen daher in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum in Eisenstadt konkrete Erinnerungsorte (siehe Bild) pädagogisch aufbereitet werden.
Ohne das Wissen um den jüdischen Teil wird der Kreis einer Gesellschaft eckig! Damit bricht etwas weg, das nicht ersetzt werden kann. Zudem erleben wir aktuell einen Epochenumbruch: Weil die letzten Zeugen der Shoah sterben, erlischt das lebendige Gedächtnis. Daher steht es einer Gesellschaft an, die Erinnerung an das Judentum wach zu halten. Vergessen kostet den Preis der Zukunft. Denn mit vergessener Erinnerung an die Opfer der Geschichte setzt sich die Logik der Auslöschung fort. Zudem müssen mit dem Tod der letzten Zeugen die Archive und Erinnerungsorte das lebendige Zeugnis ersetzen, sodass Schule als Lern- und Bildungsort auch die Funktion als Gedächtnisort übernimmt. Weil nach 1945 verabsäumt wurde, den vertriebenen Juden eine Rückkehr zu erleichtern, ist es umso wichtiger, das jüdische Erbe dieser Schule und damit auch dieser Stadt nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Daran soll am Tag des Judentums gedacht werden und dies soll auch künftig ein fixer Bestandteil burgenländischer Gedenkkultur sein.
Online-Veranstaltung.
Am Freitag vor dem Tag des Judentums (15. Jänner 2021, 10 Uhr) soll diese Vergangenheit über ein Zoom-Meeting als Teil der Schul- und Stadtvergangenheit historisch (Johannes Reiss), religiös (Lukas Pallitsch) und künstlerisch (Siegmund Kleinl) aufgearbeitet werden. Interessierte sind herzlich eingeladen.
Zoom Einladungslink: https://rb.gy/yiqdi2
Meeting-ID: 825 2575 0275
Kenncode: 013866 260328
Autor:Redaktion martinus aus Burgenland | martinus |
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