Kein Zwang, sondern Bewusstsein und Kreativität
Wir alle sollen klimafreundlich leben und unseren ökologischen Fußabdruck möglichst klein halten, heißt es immer wieder von Politiker:innen oder auch Umweltorganisationen. Doch selbst wenn der Wille da ist, die Umsetzung ins reale Leben ist nicht immer ganz einfach. Das stellten auch die fünf Gäste und die Moderatorin der ersten „GesprächsKLIMA“-Talkrunde fest.
Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, fleischlose Ernährung bevorzugen, das Fliegen vermeiden, Müll trennen, im Hofladen einkaufen – die Anforderungen für ein klimabewusstes Leben sind hoch und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Viele Menschen wollen durchaus versuchen, ihren Lebensstil grüner zu gestalten, doch die guten Absichten kollidieren meist mit dem ganz normalen Alltag oder werden durch nicht beeinflussbare Umstände erschwert.
Im neuen Talkformat „GesprächsKLIMA“, ins Leben gerufen und organisiert von der (Klima-)Kommunikationsexpertin Julia Neubauer und der Kreislaufwirtschaftsexpertin und EMAS-Umweltgutachterin Birgit Gahleitner, geht es genau darum. In der Gesprächsrunde, deren Premiere letzte Woche via Internet gestreamt wurde, treffen unterschiedliche Menschen am runden Tisch aufeinander, „um ihre Perspektiven zur Klimakrise aus privater und professioneller Sicht zu teilen.“ Über die harten Fakten soll dabei nicht gesprochen werden, sagt Julia Neubauer, „an denen gibt es unserer Meinung nach keinen Zweifel. Wir wollten mit Menschen darüber reden, was das Thema für sie beruflich und persönlich bedeutet, welche Gedanken sie sich dazu machen und wo ihre persönlichen Grenzen liegen. Es geht uns darum, Verbindendes sichtbar zu machen.“
MOBILITÄT UND ARBEITSWEGE
Eines der Themen, bei dem sich Parallelen zwischen den Teilnehmer:innen zeigten, war der Weg von und zur Arbeit. Hier spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. „Ich bin bereit, einen gewissen Komfortverlust in Kauf zu nehmen, doch manchmal ist der Weg mit dem Auto naheliegender, wegen der Zeitersparnis“, sagt etwa Christian Scheinecker, Leiter der Energieerzeugung bei der Linz AG. „Busfahrten kosten oft zu viel Zeit“, sagt auch Martina Bergsleitner, verantwortlich für Customer Research & Experience Management bei der Sparkasse Oberösterreich.„Mit dem Rad von Hofladen zu Hofladen zu fahren, ist am Wochenende ein netter Familienausflug. Unter der Woche geht das nicht.“
Albert Vogl-Bader ist überzeugt, dass es ein Set an Maßnahmen und eine entsprechende Infrastruktur in Unternehmen braucht, um Mitarbeiter:innen für umweltfreundliche Arbeitswege zu begeistern. Er ist Geschäftsführer von „pave commute“, einer App, mit der Teams ihre Arbeitswege aufzeichnen können und für jede nachhaltige Fahrt Coins (Münzen) bekommen, die wiederum gegen Belohnungen eingelöst werden können. Vogl-Bader selbst fährt so weit als möglich öffentlich oder mit dem Fahrrad. Er spricht von der Diskrepanz zwischen der Absicht, etwas zu tun, und der tatsächlichen Umsetzung: „In Umfragen sagen 60 Prozent der Leute, dass sie Fahrgemeinschaften nutzen würden, in Wirklichkeit tun es aber viele nicht.“
ÖKOLOGISCHER URLAUB
Ein anderes Thema, das auch diskutiert wurde in der Fünferrunde, ist Reisen und Urlaub. Scheinecker und Bergsleitner ist ein ökologischer Familienurlaub ein Anliegen. Bergsleitner beschreibt etwa, wie sie die nähere Umgebung in der Coronazeit zu schätzen gelernt habe und einfach direkt aus der Haustüre rausgegangen sei, um wandern zu gehen. „Aber ab und zu müssen es die Berge sein und ein Campingurlaub.“ Dies sei immer noch naturverbundener, als sich ins Flugzeug zu setzen. Scheinecker sieht ein Dilemma darin, einerseits ökologisches Urlauben zu favorisieren mit Reisen innerhalb Österreichs oder dem näheren Umfeld, andererseits aber seinen Kindern die Welt und andere Kulturen zeigen zu wollen.
EINKAUFEN
Der Anteil vom Einkommen, der für Lebensmittel ausgegeben wird, werde immer weniger, also wäre es für die meisten Menschen möglic h, sich nachhaltiger zu ernähren, meint Albert Vogl-Bader. Produkte aus dem Bio- oder Hofladen seien aber häufig teuer, gibt Martina Bergsleitner zu bedenken. Man muss überlegen, ob man sich Nachhaltigkeit leisten kann. Dazu kommt noch der Zeitfaktor: „Mit dem Rad von Hofladen zu Hofladen zu fahren, ist ein netter Familienausflug am Wochenende, aber unter der Woche geht das nicht.“ Anita Hu-ber-Katzengruber, Geschäftsführerin von „Kleider machen Leute “, machte deutlich, dass es keinen Zwang geben sollte, sondern Wege, „den Alltag bewusst und kreativ nachhaltig zu gestalten“ und dann zu sehen, wie auch kleine Veränderungen etwas bewirken. In eine ähnliche Kerbe schlägt Maia Emilia Parussel, Geschäftsführerin und Art Dire ctorin von Superbrilliand: „Wenn sich ein nachhaltiger Lebensstil ausbreiten soll, darf das kein Budgetthema sein, sondern alle sollten die Möglichkeit dazu haben. Denn wenn ich jeden Euro umdrehen muss, überlege ich es mir sehr genau, ob ich Bio kaufe.“
WERTSCHÄTZUNG
Das Fazit der Organisatorinnen zur ersten Gesprächsrunde dieser Art fiel positiv aus: „Es wurde sehr schön sichtbar, dass uns mehr verbindet, als uns trennt.“ Die Teilnehmer:innen hätten sich alle vorher nicht gekannt, seien aber wertschätzend miteinander umgegangen und hätten sich gegenseitig zum Nachdenken gebracht. „Wir sind überzeu gt, dass wir die guten Gespräche für eine Zukunft, in der alle gut leben können, brauchen “, sagen die Organisatorinnen.
LISA-MARIA HAMMERL
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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