Pädagogische Werktagung
Das innere Kind lebt immer

Thomas Brezina über das Spiel: Es ist herausfordernd und anstrengend, aber nicht erschöpfend. Kinder bekommen davon kein Burnout. Und: Spiel ist eine Lebensform – auch für Erwachsene. � | Foto: RB/Lukas Beck
  • Thomas Brezina über das Spiel: Es ist herausfordernd und anstrengend, aber nicht erschöpfend. Kinder bekommen davon kein Burnout. Und: Spiel ist eine Lebensform – auch für Erwachsene. 
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„Faszination Spiel“ heißt es bei der Internationalen Pädagogischen Werktagung in Salzburg. Eröffnungsredner ist Thomas Brezina. Der Erfolgsautor spricht im Interview über das Spiel als Lebensform und was Kinder in herausfordernden Zeiten brauchen.

RB: Welche Faszination und welche Kraft stecken im Spiel?
Thomas Brezina: Kinder, die spielen, entdecken und erleben die Welt rund um sich, machen Erfahrungen, spüren Gefühle, lernen sich selbst kennen, versinken in ihrer Tätigkeit. Man könnte sagen: Im Flow. Spiel ist herausfordernd und anstrengend, aber nicht erschöpfend. Kinder bekommen da-von kein Burnout. Spiel ist eine Lebensform, die Leichtigkeit in sich trägt, dazu aber große Ernsthaftigkeit und Tiefe.

RB: Ist Spielen nur etwas für Kinder?
Brezina: Wie gerade beschrieben, kann Spiel als Zugang zum Leben und zu vielen Tätigkeiten gesehen werden. Das Spiel von Kindern hat oft Ziele und einen Zweck. Sie haben unterschiedliche Zugänge und spielen auf ihre individuelle Art. Erwachsene können von diesem Zugang lernen. Das Leben ist herausfordernd und anstrengend, wird aber wesentlich angenehmer und oft erfolgreicher, wenn wir uns nicht zu Dingen zwingen, die wir nicht tun wollen und so oft wie möglich einen spielerischen Zugang suchen.

RB: Wie können Erwachsene ihr inneres Kind lebendig halten?
Brezina: Das innere Kind lebt immer. Die Frage ist, ob man es erkennen, annehmen und ernst nehmen will. Das innere Kind bereitet nicht nur Freude, weil es Verletzungen aus der Kindheit hat, die dem erwachsenen Menschen Probleme machen können. Deshalb wollen viele mit diesem inneren Kind nichts mehr zu tun haben. Doch das Kind, das wir einmal waren, mit allen Stärken und Schwächen, das sind wir. Je lieber wir an uns als Kind denken, desto mehr Freude aus der Kindheit können wir erfühlen und nutzen.

RB: Sie schreiben seit Jahren erfolgreich Kinderbücher. Wie gelingt es, im Zeitalter von Social Media, Kindern das Lesen von Büchern schmackhaft zu machen?
Brezina: Heute gibt es so viel mehr Medien als vor 30, 20 und 10 Jahren. Wichtig erscheint mir, sie alle nebeneinander darzustellen und Kindern die optimale Nutzung zu zeigen und zu erlauben. Also kein Schwarz-Weiß-Malen und keine Aufteilung in gut oder schlecht. Wichtig ist es, dass Kinder mit Büchern immer einen guten, freien Kontakt bekommen und vor allem Bücher wählen dürfen, die sie wirklich wollen. Ihnen müssen sie Spaß machen. Vorlesen ist und bleibt der beste erste Kontakt mit Büchern. Gemeinsam Büchereien zu entdecken und Buchhandlungen als ein Ort des Erlebens zu sehen, hilft sehr.

RB: Was raten Sie Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, wenn Kinder nicht gerne lesen?
Brezina: Zuerst fragen: Was verstehe ich selbst unter Lesen? Wie viel lese ich selbst? Welches Vorbild gebe ich? Dann unterscheiden: Lesefertigkeit und Lesefreude. Die Lesefertigkeit muss trainiert werden, je nach Zugang des Kindes zu Herausforderungen. Lesen muss jeder können, Text muss sinnhaft und schnell erfasst werden können. Wenn Kinder das erreichen und keine Bücher lesen, dann halte ich es für gut zu akzeptieren, dass auch nicht alle Erwachsenen Bücher lesen. Ich kenne Kinder, die viele Informationen mit Begeisterung online lesen. Lesen hat viele Facetten.

RB: Die Coronakrise hat vielen Kindern psychisch zugesetzt. Was brauchen sie jetzt?
Brezina: In erster Linie brauchen Kinder Zuwendung. Es gilt herauszufinden, wie es im Inneren des Kindes aussieht. Das ist im Gespräch erst in zweiter Linie zu entdecken, aber mehr im Verhalten zu sehen. Kinder tragen derzeit Hoffnungslosigkeit in sich. Sie haben immer noch Angst. Sind überwältigt. Spüren die Sorgen der Eltern. Spiele können helfen, wenn sie Freude machen, begeistern, Gefühle anregen, konstruktiv sind, gemeinsamen Spaß bieten. Geschichten können das auch. Das Abtauchen aus dem Alltag, sich mit Buchfiguren zu identifizieren, beim Lesen Abenteuer erleben – das ist derzeit wichtiger als je zuvor. Die größte heilende Kraft ist sicherlich das Stärken der Zuversicht, statt Ängste und Probleme noch mehr zu schüren oder zu zerreden.

70-mal Bildung auf höchstem Niveau

Die Internationale Pädagogische Werktagung hat Tradition. Die 70. Auflage widmet sich der Faszination Spiel. Veranstalter ist das Katholische Bildungswerk Salzburg in Kooperation mit Caritas Österreich und Universität Salzburg. Eröffnungsredner Thomas Brezina ist als Kinder- und Jugendbuchautor, Moderator und Produzent bekannt und erfolgreich. In seinen Werken setzt er sich innovativ mit der Frage einer spielebasierten Bildung und Unterhaltung junger Menschen auseinander.

Tageskarten (Do., 14. 7., Fr., 15. 7.) gibt es im Foyer der Großen Universitätsaula in Salzburg.
Infos: www.bildungskirche.at

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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