Walter Ludescher im Gespräch mit Alexandra Hogan
„Die ganze Bandbreite an Emotionen ist da präsent“

Foto: Foto: Alexandra Hogan

Die Fußball-Europameisterschaft ist in vollem Gange. Einer, der sie genau verfolgt, ist Walter Ludescher. Der ehemalige Profi-Kicker blickt zurück auf Glanzmomente seiner Karriere im Londoner Wembley Stadion und in der Schule und erklärt, was die Jugend von heute vom beliebten Ballsport lernen kann.

Herr Ludescher, wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Ludescher: Als ich mit zehn Jahren ins Gymnasium gekommen bin, habe ich angefangen, zu spielen. Da hat es mich gleich gepackt. Von da an bis zur Matura hat es kaum einen Tag gegeben, an dem ich nicht Fußball gespielt habe – zuerst nicht organisiert, sondern einfach aus Freude. Zu einem Club bin ich mit zwölf Jahren gegangen. Das war der KAC.

Nach der Matura ging es für Sie nach Wien.
Ludescher: Genau. Als Verein kam für mich damals nur Rapid Wien in Frage. Warum ich so ein Fanatiker war, das kann ich wirklich nicht sagen – ich hatte das Team ja noch nie gesehen. Aber wenn Rapid international gespielt hat, habe ich beim Zuhören am Radio so geschrien, dass ich teilweise drei Tage lang keine Stimme hatte (lacht). Drei Jahre lang bin ich fast nie in der Kampfmannschaft zum Einsatz gekommen. Das war sehr hart für mich. Mir wurde also klar, dass ich zu einem anderen Verein gehen sollte. Also bin ich zu Wacker Innsbruck gewechselt.

Wie war für Sie der Umstieg nach Tirol?
Ludescher: Gleich beim ersten Heimspiel in Innsbruck war – wie könnte es anders sein – Rapid Wien der Gegner. Ich habe mir vor dem Spiel gedacht: Heute werde ich ihnen zeigen, was für ein Fehler es war, mich gehen zu lassen. In der dritten Minute habe ich gleich das erste Tor geschossen. Wir haben schließlich 1:0 gewonnen. Das war natürlich eine Genugtuung und so war es ein toller Wechsel nach Tirol. Nach fünf Spielen war ich dann in der Nationalmannschaft.

Bald folgte der große Höhepunkt Ihrer Fußballer-Karriere.
Ludescher: Der Sieg gegen England im Wembley Stadion in London, richtig. 3:2 haben wir gewonnen. Wir waren die dritte Mannschaft in 100 Jahren, die dort gegen England gesiegt hat. Leider ist mir bald darauf unser Tormann aufs Bein gefallen. Alle Bänder und der Miniskus sind gerissen. Das war das Ende meiner aktiven Karriere.

Wie war für Sie dann der Übergang vom aktiven Spieler zum Trainer?
Ludescher: Das war überhaupt kein Problem und hat mir viel Freude bereitet. Heute noch bekomme ich Nachrichten von meinen Spielern. Einmal im Jahr fahre ich nach Innsbruck und treffe meine Buben, die jetzt auch bald 70 werden (lacht). Zwei Mal wurden wir österreichischer Meister – davor waren sie nicht ein einziges Mal Tiroler Meister. Der ehemalige Teamchef Dietmar Constantini war beispielsweise in meinem Team.Es folgten noch verschiedene Stationen als Trainer.

Sie haben also viel Zeit und Energie in Ihrem Leben in den Fußball investiert. Was fasziniert Sie daran?Ludescher: Ich beschreibe das immer wie einen Bacillus: Wenn dich einer hat, dann hat er dich. Das ist ein Phönomen auf der ganzen Welt; eine Sportart, die überall gespielt wird. Das Gute ist, dass man als Spieler nicht viel braucht. Da sind ein paar Buben und ein Ball. Das ist sehr niederschwellig. Und auch für die Zuschauer ist es ein mitreißender Sport: Wenn die Lieblingsmannschaft gewinnt, dann ist da so eine kollektive Begeisterung. Gleichzeitig kann der Fan der gegnerischen Mannschaft zum erbitterten Feind werden. Die ganze Bandbreite an Emotionen ist dapräsent. Und auch der Glaube zeigt sich immer wieder, wenn zum Beispiel ein Spieler sich vor dem Match bekreuzigt.

Welchen Stellenwert spielt denn der Glaube in ihrem Leben?
Ludescher: Ich bin im Haushalt meiner Großeltern aufgewachsen, da meine Mutter arbeiten musste. Bei den Großeltern haben meine Schwester und ich viel Liebe und Geborgenheit bekommen. Das hat uns enorm viel gegeben. Meine Omi und mein Opi waren tief religiös. Mit fünf Jahren habe ich begonnen, zu ministrieren. Die Domkirche war 50 Meter von dem Haus entfernt, in dem wir gewohnt haben. Bis zur Matura habe ich jeden Tag um 6 Uhr in der Früh ministriert – bis auf ein paar Ausnahmen, wenn es in der Oberstufe abends mal länger geworden ist. Dann habe ich natürlich verschlafen (lacht). Auch bei der katholischen Mittelschuljugend war ich, inklusive Ferienlager, gemeinsamer Messen und Lektorendienst. Ich war voll involviert und hätte mir nichts Schöneres vorstellen können. Das prägt natürlich für das ganze weitere Leben. Die Tiefe Religiosität meiner Großeltern sah man auch in ihren Kindern. Neben meiner Mutti gab es auch drei Söhne. Alle haben Theologie studiert. Leider sind die beiden älteren im Krieg in Russland gefallen. Onkel Willi, der jüngste, wurde Priester und war Pfarrer in Glanhofen.

In der Pfarre Grafenstein sieht man Sie immer wieder am Ambo. Was bedeutet Ihnen der Lektoren-Dienst?Ludescher: Für mich ist das einfach eine schöne Aufgabe. Wenn ich in Grafenstein gebeten werde, den Dienst zu übernehmen, dann sage ich immer sofort ja. Das habe ich schon als Jugendlicher bei der Gemeinschaftmesse des Mittelschulverbands immer freitags in der Benediktinerkirche getan.

Sie waren nicht nur Fußballer, sondern auch Lehrer und Direktor am Klagenfurter Mössinger-Gymnasium und haben daher viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun gehabt. Was kann die Jugend vom Fußball lernen?Ludescher: Vieles, was man im Leben brauchen kann, spielt sich in einer Mannschaft ab, im Training und beim Spiel. Du lernst, dich im Rahmen der Gruppe unterzuordnen und dir eine Position anzueignen. Das hat auch mit Durchsetzungskraft zu tun. Du lernst, mit Erfolg umzugehen, dich mit anderen zu freuen, aber auch mit Negativerfahrungen klarzukommen.

Auffällig ist, dass auch heute, viele Jahre nach Ihrer Karriere als Fußballer und Professor, viele Menschen sehr positiv über Sie sprechen. Wie erklären Sie sich das?

Ludescher: Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, kann ich sagen: Der Fußball, aber auch das Unterrichten waren wirklich meines. Ich habe so gerne unterrichtet und mit den Jugendlichen gearbeitet, ihnen etwas beigebracht. Ich glaube auch, dass ich stets fair war. Als erfolgreicher Trainer hatte ich viele Angbote. Ich hätte es aber nie fertig gebracht, die Schule dafür aufzugeben. Das hätte ich als Verrat an den Mädchen und Burschen gesehen. Das haben die Jugendlichen gemerkt: dass ich sie mag, dass ich ihnen helfen und etwas beibringen will.

Ein Blick auf die kommenden Wochen. Wer ist Ihr Favorit bei der diesjährigen Europameisterschaft?
Ludescher: Einen richtigen Favoriten habe ich nicht, aber natürlich liegen meine Sympathien bei Österreich. Die Niederlage gegen Frankreich war unglücklich. Insgesamt ist unser Team aber auf einem sehr guten Weg. Die diesjährige Spielgruppe ist sehr schwer, Polen und die Niederlande sind starke Gegner. Es ist schwierig zu sagen, wer weiterkommen wird. Das ist ja auch der Reiz am Fußball, dass letztendlich alles möglich ist. Und ein bisschen Glück ist immer dabei.

Zur Person: 
Walter Ludescher, geboren 1942 in Klagenfurt, trat als Jugendlicher dem KAC bei und war dort zwei Mal Kärntner Meister und in der Kampfmannschaft zwei Mal Pokalsieger. 1961 ging Ludescher zu Rapid Wien, 1964 folgte der Wechsel zu Wacker Innsbruck. Der Klagenfurter wurde ständiges Mitglied der Nationalmannschaft. Im August 1966 musste Ludescher seine aktive Karriere wegen einer Knieverletzung beenden. Im Laufe der Jahre trainierte er verschiedene Mannschaften, u.a. die Wacker Jugend, Sturm Graz und den KAC.Ab 1971 unterrichtete Ludescher am 2. Bundesgymnasium in Klagenfurt Englisch und Leibesübungen. Von 1990 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 war er Direktor des BG/BRG Mössingerstraße.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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