Wenn der Vorhang fällt
Gedankenschauspiel auf einem Blatt Papier
Die „theatergalerie“ würdigt das bis dato wenig beachtete grafische Schaffen des Bühnenbildners Hannes Rader und gewährt Einblick in die komplexe Welt theatraler Wirkmacht.
von Florian Gucher
Dreh- und Angelpunkt der sich auf 12 m² ausbreitenden Sonderausstellung Hannes Raders sind die Urfaust-Darstellungen. Mehr als ein Duzend zu Goethes wohl bekanntestem Drama zählenden Vorarbeiten für Bühnenkulissen und Kostüme haben sich hier versammelt, darunter Figurinen, Illustrationen und Raumtopografien. Gerahmt werden sie von Skizzen anderer Produktionen aus Raders Karriere. Bühnenentwürfe aus Schnitzlers Das weite Land und Mozarts Singspiel Zaide sind zu sehen, aber auch aufwendige Kostümentwürfe wie jene des Spielzeugverkäufers Parpignol aus La Bohéme. Miniaturnachbauten von Bühnen in 3D haben sich hinzugesellt. Der Titel der Schau, Phantastische Bühnenwelten, bezieht sich in erster Linie auf die Vorstellungskraft des Publikums, sind die Darstellungen so gezeichnet, dass sie die Realisierung auf der Bühne mit bedenken.
Pflanzen und Bäume in Marthens Garten wachsen in der auf Papier gebrachten Skizze auf aufgestellten Wänden empor, der Dom als Bußort Gretchens verneint als Zeichnung seinen künstlichen Aufbau nicht. Temporär ist das Stichwort, weil eine Bühne für den Auf- und Abbau bestimmt ist und nach zweckmäßigen, aber funktionierenden Lösungen sucht. Das gezeichnete Setting wirkt konstruiert und führt vor, wie Theater funktioniert. Es geht darum, wie man sich einer Raumillusion hingeben und sie als „real“ fühlen kann, wenn sie nur ausgeklügelt konzipiert ist.
Anhand der Ausstellung wird deutlich, wie umfassend Bühnenbildnerei ist. Mehr als einmal zeichnet sie exem-
plarisch den Weg vom Entwurf und Modellbau bis hin zum fertigen Bild nach und demonstriert neben dem malerischen Können des Szenografen auch seine technische Ausgefeiltheit. Mit Rader wurde ein Künstler ausgewählt, der diese Facette des Theaters wie kaum ein anderer zur Geltung bringt. Sein knapp 3.000 Blätter umfassendes grafisches Werk, von dem ein Großteil über Jahrzehnte im Planschrank schlummerte, um in der Ausstellungsvorbereitung von ihm wiederentdeckt zu werden, geht über den Zweck reiner Vorarbeit späterer Bühnenproduktionen hinaus. Die Arbeiten besitzen ein Eigenleben. Der Einfluss seines Lehrers Caspar Neher an der Akademie der Bildenden Künste sickert durch. Mit ihm teilt er die Vorstellung, der zeichnerische Entwurf sei maßgebliches Handwerkzeug des Bühnenbildners. Rader arbeitete an gefragten Bühnen sowie über 20 Jahre am Stadttheater Klagenfurt. Theater muss für ihn eines sein: authentisch. Es sind die Emotionen der Figuren, die mit ihrer Lust, Trauer, Wut, ihrem Hass und ihrem Tod das spiegeln, was den Zuschauer selbst ausmacht. Der Schwenk zu den Skizzen Fausts, die Rader als 21-jähriger Student anfertigte, ist nicht weit. Das Besondere daran: Die Geschichten, die sie erzählen, wirken heute noch, sie sind zeitlos: „Für mein Gefühl könnte das heutzutage genauso wieder auf eine Bühne kommen wie damals, vor mehr als 60 Jahren“, so Rader.
Autor:Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag |
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