Gedanken zum Evangelium: 6. Sonntag der Osterzeit
Liebe schenkt den Geist der Wahrheit

Wie Antoine de Saint-Exupéry wusste: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Die Liebe lässt sehen, wo andere nicht sehen, sie lässt Einssein erleben, sie schenkt den Geist der Wahrheit und der Klarheit. Der „Geist der Wahrheit“ ist ein Geist der Klarheit, des Unmissverständlichen, des Wesentlichen.
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  • Wie Antoine de Saint-Exupéry wusste: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Die Liebe lässt sehen, wo andere nicht sehen, sie lässt Einssein erleben, sie schenkt den Geist der Wahrheit und der Klarheit. Der „Geist der Wahrheit“ ist ein Geist der Klarheit, des Unmissverständlichen, des Wesentlichen.
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Johannes 14, 15–21

Vorweg ein Geständnis: Ich sehe mir gerne Liebesfilme an. Nicht so sehr die hochstehenden, problematischen, komplizierten, als vielmehr die seichten, wo schon klar ist, wie sie ausgehen. Trivial, ich weiß. Und doch: Sie sprechen, wenn auch kalkuliert und aus „niederen“ Motiven, ein paar grundlegende Weisheiten an, die zu Herzen gehen.

Der heutige Text ist für mich im wahrsten Sinne des Wortes ein „philosophischer“ Text, also durchtränkt von einer leidenschaftlichen Liebe zur Weisheit. Gleichzeitig ist die Weisheit darin so einfach formuliert, dass sie auch in jedem Liebesfilm vorkommen könnte und unmittelbar berührt. Vielleicht ist das gerade die Kunst des Evangelisten, mit schlichten, einfachen Worten ein ganzes Universum an existenziellen Gedanken zu entwerfen, die genau deshalb unmittelbar zu Herzen gehen.

Wahrheit, Welt, Leben und Liebe sind solche Worte. Allerweltsworte und gleichzeitig gefüllt mit komplexesten Konnotationen.

Jesus verspricht seinen verunsicherten Jüngern einen Beistand: Er nennt ihn den „Geist der Wahrheit“. Wahrheit ist für mich hier das Gegenteil von allem Aufgesetzten, Vorgetäuschten. Das Gegenteil eines Schleiers über den Augen. Der „Geist der Wahrheit“ ist ein Geist der Klarheit, des Unmissverständlichen, des Wesentlichen.

Die „Welt“ – auch so ein prall gefüllter Begriff – kann weder diesen Geist noch Christus sehen. Dieses Motiv finden wir in vielen Fantasygeschichten. Ein Geist, den nur der Held sehen kann, gehört quasi zum Standardrepertoire der Filmindustrie. Aber auch in Liebesfilmen funktioniert das: Die verstorbenen Geliebten werden zu Begleitern, mit denen die Trauernden in ungebrochener Verbindung stehen. Sie sehen sie vor sich. Warum? Der Schlüssel dazu ist die Liebe.

Einen Menschen lebend zu wissen, obwohl er von der „Welt“ nicht mehr gesehen werden kann, obwohl er nach irdischen Maßstäben nicht mehr lebt – das kann nur, wer einerseits selbst „lebt“, also nicht in Trauer, Verzweiflung oder Verbitterung erstarrt, sondern sein Herz offenhält. Und wer andererseits den „Geist der Wahrheit“ hat, also mehr sieht als das Augenscheinliche. Zusammengenommen ist das nichts anderes als Liebe. Wahre Liebe macht nicht blind, sondern sehend. Wie Antoine de Saint-Exupéry wusste: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“

So kommt auch Christus zuletzt wieder auf die Liebe zurück. Die Liebe lässt sehen, wo andere nicht sehen, sie lässt Einssein erleben, sie schenkt den Geist der Wahrheit und der Klarheit. Das ist so komplex, dass es in jeder Philosophie im Zentrum steht. Und gleichzeitig so einfach, dass es in jedem Liebesfilm vorkommt. Und deshalb, gestehe ich, mag ich solche Filme.

Evangeliumskommentar als PDF
Autor:

Elisabeth Birnbaum aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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