Kirche nach der Corona-Pandemie
Kommen die Schafe zurück?

Wir alle haben die Wahl, der Markt ist offen.“ Ganz nach dem Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher: „Die Gatter sind geöffnet. Die Schafe gehen dorthin, wo sie wollen, wo sie für sich subjektiv die bessere Weide vorfinden, und bleiben nicht nur weil der Hirte sagt: ‚Bei mir ist es aber schön.‘“  | Foto: iStock/bunhill
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  • Wir alle haben die Wahl, der Markt ist offen.“ Ganz nach dem Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher: „Die Gatter sind geöffnet. Die Schafe gehen dorthin, wo sie wollen, wo sie für sich subjektiv die bessere Weide vorfinden, und bleiben nicht nur weil der Hirte sagt: ‚Bei mir ist es aber schön.‘“
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Viele Menschen können mit „verfasster Kirche“, Kirche als Organisation, nichts mehr anfangen oder wollen es gar nicht mehr.

„Die Rückgänge der Gottesdienstbesucher und sich bekennender Christen in der westlichen Welt haben einerseits natürlich gesamtgesellschaftliche Gründe, die wir oft nicht ändern können“, sagt der Theologe und Unternehmensberater Georg Plank.

„Wir segeln in gewissen Gewässern und können das Wetter nicht ändern. Aber wir können das Segel anders setzen und anders steuern.“ Aber es hat auch massiv interne Gründe, wie unsere „organisationale Körpersprache“ nach außen wirkt. Plank: „Die Frohe Botschaft wird entweder verstärkt, sichtbar und erlebbar gemacht, oder verdunkelt. Dazwischen gibt es nichts.“

Die Menschen empfinden laut dem Pastoralinnovator Georg Plank ganz schnell, was die Kultur einer Organisation ausmacht. Einfach gesagt: Ist eine Kultur der Gastfreundschaft spürbar? Und diese Kultur der Gastfreundschaft kann unterschiedlich aussehen. Das ist nicht immer nur eine Sache der Bewirtung. Für eine Sitzung kann es auch bedeuten: Ist der Raum angenehm temperiert, sind die Sessel einigermaßen bequem oder hat man schon nach einer Stunde Kreuzweh? Ist die Technik so vorbereitet, dass man nicht dauernd Probleme hat?

Wenn wir hoffentlich bald wieder Pfarrfeste feiern können, ist die Frage: Wer achtet auf die, die neu dabei sind? „Oder gilt die Gastfreundschaft nur für die, die eh schon da sind. Das wäre nämlich paradox“, so Plank. „Denn die Gastfreundschaft gilt immer für die Fremden, nicht für die Insider. Es gibt immer wieder Gelegenheiten, wo Menschen kommen, die gewöhnlich nur selten dabei sind, etwa bei einer Firmung, bei einem Begräbnis oder Elternabend. Diese muss man nicht bewerben, diese kommen zu solchen Ereignissen automatisch. Sie spüren aber sofort, ob es eine Kultur der Gastfreundschaft gibt oder nicht.“

Plank empfiehlt Pfarren einen Plan für die Betreuung der Nicht-Insider aufzustellen, denn ohne einen solchen funktioniert es nicht.

Drei Kennzeichen für Wachstum
Plank erkennt drei Merkmale, die allen gegen den Trend wachsenden Gemeinden in der westlichen Welt gemeinsam ist.

  • Erstens: Die Verkündigung der Frohen Botschaft, des Evangeliums, geschieht vor allem durch Tun, weniger durch Reden. Und das Tun soll so sein, dass Leute dies spüren: Gemeinschaft, Liebe, Solidarität, Gerechtigkeit, Gastfreundschaft usw.
  • Der zweite Punkt ist, dass Gemeinden von einer Behauptungs- zu einer Erlebniskultur kommen. Nicht nur zu behaupten: „Wir formulieren das in unseren Leitbildern und Pastoralplänen.“ Sondern tatsächlich auch zu überprüfen: „Passiert das? Erleben die Leute das tatsächlich so?“
  • „Ganz entscheidend ist drittens, dass wir nicht um unsere Systemrelevanz kämpfen – um in der Corona-Sprache zu bleiben – sondern dass wir sagen: ‚Wir wollen den Menschen jetzt in dieser Situation beweisen, dass wir existenzrelevant für sie sind, ihnen einen Mehrwert bieten, mit dem, was wir tun, wie wir für sie in der momentanen Krise da sind‘“, betont Georg Plank. „Dann könnte sich die Stimmung drehen und die Menschen sagen: ‚Gut, dass es die Kirche, die Pfarre, den Sonntag gibt.‘

Also bei den ganzen Debatten auch um Religions- oder Ethikunterricht usw. steckt immer wieder das Kirchenbild dahinter: ‚Naja, die wollen halt ihre Felle verteidigen.‘ Und kirchenintern ist die Sprache oft unglaublich sehr militärisch, als ob man ein Rückzugsgefecht führen würde. Man weiß, man hat schon verloren, aber man gibt trotzdem nicht auf.“

Plank zitiert dabei seinen Doktorvater und Pastoraltheologie-Professor Rainer Bucher, der immer wieder betont: „Wir erleben das Ende der konstantinischen Formatierung von Kirche“ und Georg Plank erklärt diese Aussage folgendermaßen: „Wir tendieren wieder zu einer Positionierung von Kirche in all ihren Ausformungen, wie es in den ersten drei Jahrhunderten war. Wir sind ein eher ohnmächtiger Teil der Gesellschaft. Krisen sind immer Trendverstärker. Und der Trend, dass das Sich-an die-Macht-Klammern letztlich nichts mehr bringt, wird jetzt noch verstärkt.“

Nach Ansicht von Georg Plank erleben wir eine gewisse Relativierung des hierarchischen Prinzips, Glauben anschaffen und erzwingen zu können. In dieser Unmächtigkeit sieht Plank die Riesenchance, dass, wenn Kirche weniger potestas (Macht) hat, sie wieder mehr auctoritas (Glaubwürdigkeit) gewinnen kann. „Damit kommen wir eigentlich mehr in die Spur Jesu, der auch nicht gekommen ist zu herrschen, sondern zu dienen. Und dort, wo das passiert, und es passiert in wunderbar vielen Kleinigkeiten, da tut sich was. Da wächst was Neues. Da entstehen neue Hoffnungspflanzen für die Kirche in dieser Welt“, sagt Georg Plank.

Grundfrage nach dem Mehrwert
Wovor sich manche natürlich fürchten, sei die Relativierung des kirchlichen Territorialprinzips. „Ich will, dass der Mensch bei mir in die Kirche geht. Ich möchte, dass er/sie bei meiner Bibelrunde teilnimmt.“ Darauf findet Plank nur eine Antwort:

„Lieber Pfarrer, lieber Bibelgruppenleiter! Du wirst das nicht mehr erzwingen können. Mit Vorschreiben, mit Moralisieren geht nichts mehr. Du musst einfach besser sein, du musst attraktiver sein. Du musst einen Mehrwert liefern, den man sonst nicht hat, sonst sind die Menschen nicht mehr bei dir. Wir alle haben die Wahl, der Markt ist offen.“ Ganz nach dem Grazer Pastoraltheologen Rainer Bucher: „Die Gatter sind geöffnet. Die Schafe gehen dorthin, wo sie wollen, wo sie für sich subjektiv die bessere Weide vorfinden, und bleiben nicht, nur weil der Hirte sagt: ‚Bei mir ist es aber schön.‘“

Georg Plank sieht die digitale Welt als Teil des Lebens, des gesellschaftlichen, aber auch des kirchlichen. „Die digitalen Räume, die sehr vielgestaltig sind, sind auch Orte der Pastoral, wo wir unseren Missionsauftrag wahrnehmen können. Wenn wir das wollen, dann reicht es nicht, einfach irgendwas zu machen. Da sollten wir uns schon wie bei allen pastoralen Feldern kundig machen, wie das geht.

Da stellt sich die große Frage, ob wir wirklich bereit sind zu lernen, um uns in diesen Welten als Kirche glaubwürdig, ansprechend, professionell zu bewegen oder nicht? Ich sage, nutzen wir alle Möglichkeiten, die der Herrgott uns schenkt, durch Technik und Digitalisierung, um seinem Reich den Weg zu bereiten und zu ebnen und nicht um unnötige Hindernisse aufzustellen.“

Autor:

Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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