Leben als Missionarin
Ein ganz einfaches Leben

Sr. Hanni Denifl FMA (Mitte) hat eine gute Beziehung zu den Mädchen. "Kinder haben das Recht, weltweit gleich behandelt zu werden." | Foto: Jugend Eine Welt
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  • Sr. Hanni Denifl FMA (Mitte) hat eine gute Beziehung zu den Mädchen. "Kinder haben das Recht, weltweit gleich behandelt zu werden."
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Ein besonderes Charisma in den Ordensgemeinschaften haben die Missionarinnen und Missionare. Hinter dem Begriff steckt eine eigene Berufung.

Wie sie das lebt, erzählt Don Bosco Schwester Hanni Denifl im Gespräch mit dem SONNTAG. Die aus Tirol stammende Ordensfrau hat ihre Lebensaufgabe in Afrika gefunden.

Schon als Schulmädchen habe ich Fotos von Afrika gesehen, das hat mich fasziniert. Später habe ich ein Seminar beim Österreichischen Entwicklungsdienst (heute Horizont 3000) gemacht. Als ich einen Vortrag des österreichischen Missionars, Pater Johann Kiesling, gehört hatte, fragte ich gleich, ob ich einmal in die Demokratische Republik Kongo kommen darf: Da war ich Feuer und Flamme.“

Man sieht Hanni Denifl, Don Bosco Schwester aus dem Tiroler Fulpmes, heute an, dass sie vor mehr als 30 Jahren eine richtige Entscheidung getroffen hat.

Denn 1990 begann ein Abenteuer, das zur Lebensberufung der jungen Tirolerin wurde. 22 Jahre war sie damals alt und setzte sich in ein Flugzeug. Wegen eines fehlenden Visums war sie sogar kurzzeitig verhaftet. Der Aufenthalt zeigte Hanni Denifl jedoch eine neue Welt, in der sie sich schnell aktiv einbringen konnte und wo man ihr gleich viel zutraute.

Pater Kiesling, Salesianer Don Boscos und wie Hanni aus Österreich, vermittelte die junge Frau zu den Don Bosco Schwestern, die gerade dabei waren, eine neue Krankenstation im Busch aufzubauen. Den zwei Frauen gelang das, Hannis Erfahrung als Altenpflegerin kam ihr dabei zugute. Was sie immer schon wollte, war hier Standard: ein ganz einfaches Leben. Es gab keinen Strom, kein fließendes Wasser, geduscht wurde mit Wasser aus dem Kanister, das extra geholt werden musste. Das WC war eine Latrine, das Haus war mit einem Strohdach gedeckt, die Türe war ein Stück Wellblech.

Hanni lernte damals die Demokratische Republik Kongo und den schwarzafrikanischen Kontinent lieben: „Bei einer Messe, zu der mich Pater Kiesling in ein Dorf mitgenommen hat, wurde mir ein Huhn auf den Schoß gesetzt und geschenkt. Die Menschen hatten noch nie zuvor eine weiße Frau gesehen. Und ich hatte Angst, dass mich das Huhn piekst.“

Der Kontakt mit Zuhause war in Zeiten vor E-Mail, Internet und Smartphones beschränkt, aber für Hanni wichtig: Die Mutter schrieb alle zwei Wochen einen Brief. Aber es war Zeit zum Lesen, zum Gebet und zum Nachdenken über die eigene Berufung.

Zurück in Österreich arbeitete Hanni für weitere 1 1/2 Jahre als Krankenpflegerin und unternahm dann eine Pilgerfahrt nach Assisi. Am Grab des heiligen Franz kam sie zur Entscheidung: „Ja, ich will Missionarin werden. Dann bin ich gleich zu den Don Bosco Schwestern nach Innsbruck gefahren und habe mich gemeldet, dann haben es meine Eltern erfahren.“

Nach einem kurzen Schockmoment unterstützte die Familie die junge Ordensfrau – und das tut sie bis heute. Überhaupt hat das Elternhaus viel in Sr. Hanni grundgelegt: Geboren 1968 im Stubaital in Tirol, wuchs sie in einer traditionell katholischen Familie mit drei Geschwistern auf. Der Vater war Schmied und Jäger. Von Kindheit an waren die Geschwister Denifl der Natur und den Bergen verbunden. Sr. Hanni sagt heute: „Da habe ich meine erste Gotteserfahrung gemacht!“

Zurück zur jungen Don Bosco Schwester: 1993 folgen die Ausbildungsjahre bis zu den Ewigen Gelübden, der Ewigen Profess. Schwester Hanni arbeitete viel in der Pflege ihrer Mitschwestern und dann im sozialpädagogischen Internat in Stams: „Da habe ich noch viel gelernt.“

Sie stellt die offizielle Anfrage um Zulassung zur Mission, absolviert den einjährigen vorbereitenden Kurs und bricht 2006 als Missionarin in der Elfenbeinküste auf. Weitere Stationen sind Benin und Ghana.

Welche Projekte sind den Don Bosco Schwestern wichtig? Sr. Hanni beschreibt das „Haus der Hoffnung“ in Coutonou, der Hauptstadt von Benin: „Hier gibt es ein Ausbildungszentrum mit Bäckerei, Konditorei, Seifenproduktion und Koch – für Buben und Mädchen gemeinsam.“

Doch die Missionarin merkte bald: „Wie die jungen Leute ausgebeutet werden – man war machtlos.“ Zwei Burschen haben dann gestohlen und kamen ins Gefängnis. So wurde ein sozial relevantes Projekt gestartet: „Wir wollten alle 44 Buben und 12 Mädchen in dem Gefängnis begleiten. Wir haben alle Freiheiten gehabt. Der Direktor war sehr interessiert an dem Neustart der Jugendlichen.“

Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kümmern sich um Prävention, die Vorsorge, um die Familienarbeit und die Begleitung – auch nach der Haftentlassung. Eine Erfolgsgeschichte – von den ersten beiden Burschen, die hier einsaßen, hat einer, Mariano, den Absprung geschafft und ist auf einem guten Weg, wie sich Sr. Hanni freut.

Wie kommen die Kinder überhaupt in die Notsituationen? „Ein Problem sind viele Patchwork-Familien, wo man sich um Kinder aus früheren Partnerschaften nicht kümmert. So kommen viele Kinder auf die Straße, werden auch kriminell.“ Jetzt konnte Sr. Hanni Einfluss nehmen beim Jugendrichter und vermitteln. Durch eine Gesetzesänderung haben sich aber die Gründe für die Haftstrafen verändert: „Ein Drittel der Jugendlichen ist wegen Vergewaltigung im Gefängnis. Früher wurde das unter den Teppich gekehrt oder in den Familienclans ausgemacht.“

Besonders berührt Sr. Hanni die Geschichte der kleinen Hélène. „Kinderhandel ist ein großes Thema.

Ich habe auch zwei Kinder aus der Elfenbeinküste zurückführen können nach Benin. Hélène kommt aus einem kleinen Dorf, ihr Vater ist Naturheiler, die Mutter ist Analphabetin. Der Onkel gab vor, das Mädchen in eine Schule zu bringen. In Wirklichkeit hat er sie als Arbeitskraft verkauft, wo sie erst drei Jahre später den Behörden aufgefallen ist.“

Sr. Hanni kam mit dem Fall in Kontakt, weil sie gerade die neue Leiterin in einem Kinderschutzzentrum „Foyer Maria Domenic“ in Abidjan, der früheren Hauptstadt des Landes, war. Das Team in Benin konnte helfen, die Familie ausforschen und sogar eine nie abgeholte Geburtsurkunde aus dem Jahr 2007 auftreiben. Aber die Aufnahme in der Familie gelang nicht, zu fremd sind die Eltern dem Kind nach mehr als sechs Jahren Trennung. So ist Hélène zu den Don Bosco Schwestern zurückgekehrt, besucht die Schule und will gerne Schneiderin werden.

Ein anderes Schicksal sind die sogenannten Hexenkinder. Wegen unerklärbarer Vorgänge werden sie aus der Familie vertrieben. Ein Mädchen, das bereits auf dem Sprung ins Berufsleben ist, hilft jetzt selber mit. Sr. Hanni freut sich, das zu erzählen: „Sie ist ein redliches, selbstbewusstes Mädchen.“

Die Geschichten wiederholen sich für uns in Europa. Man kann den Eindruck haben, dass sie nichts ändert. Stimmt das?

Sr. Hanni ist sich sicher: „Durch die Auffangzentren entwickelt sich viel. Es kommen neue Kinderschutzgesetze, es gibt Kampagnen. Die Frauen wehren sich. Früher hat man Lehrlinge richtig ‚hergeschlagen‘, Kinder wurden gedemütigt – das gibt es fast nicht mehr.“ Es gibt vermehrt Schulungen und es entwickelt sich ein Bewusstsein für den Kinderschutz: „Sie werden besser behandelt, auch wenn nicht alles so läuft wie bei uns. Im Gefängnis bekommen sie nur eine Mahlzeit pro Tag oder es gibt keinen Rechtsbeistand für Kinder“, bedauert Sr. Hanni.

Welchen Auftrag sieht sie eigentlich als Missionarin im Jahr 2022?

Für Sr. Hanni ist das einerseits klar ihre Arbeit im Sozialbereich und dann die Familienarbeit und in der Seelsorge in den Gemeinden. Aber heute werden Erfolge in der Mission nicht mehr in der Zahl der Taufen bewertet: „Die Jugend ist bei uns katholisch und sehr offen für religiöse Angebote. Aber wir sprechen keine Muslime an zu konvertieren.“

Ihr persönliches Charisma sieht Sr. Hanni aber ganz in der Tradition ihrer beiden Ordensgründer, der heiligen Maria Mazzarello und des heiligen Don Bosco, dessen Gedenktag am 31. Jänner gefeiert wird.

Die beiden haben auf die soziale Lage im 19. Jahrhundert reagiert, so wie es Sr. Hanni heute macht: „Ich denke schon, dass es unsere Aufgabe ist, Kinder zu schützen. Sie haben das Recht, weltweit gleich behandelt zu werden und gut aufzuwachsen. Das sagt mir mein Gerechtigkeitssinn, da muss ich etwas tun.“

Autor:

Sophie Lauringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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