Glaubenszeugnis
„Ich streite gerne mit Gott“

Traian Tamas ist verheirateter griechisch-katholischer Priester. Der 41-Jährige leitet die Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge in der Erzdiözese Wien. | Foto: Privat
  • Traian Tamas ist verheirateter griechisch-katholischer Priester. Der 41-Jährige leitet die Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge in der Erzdiözese Wien.
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Als Seelsorger ist Traian Tamas mit seiner ganzen Persönlichkeit involviert. Manchmal, sagt der griechisch-katholische Priester, sind auch Tränen nicht zu vermeiden.


Herr Tamas, welche Begegnung in der Krankenhausseelsorge in letzter Zeit ist Ihnen denn in besonderer Erinnerung geblieben?
Ich bin seit September nur noch hier im Büro. Leider! Ich vermisse es nämlich sehr! Aber ich erinnere mich sehr gut an einen jungen Mann, den ich eineinhalb Jahre im Donauspital begleitet habe, der dann leider infolge einer sehr seltenen Krebsart gestorben ist. Er war wie ich Rumäne. „Traian“, hat er gesagt, „ich glaube, dieses Universum will mich nicht mehr haben.“ Ich war am Anfang unsicher und konnte selber sein Leiden schwer aushalten. Ich habe ihn regelmäßig gefragt, ob ich bei ihm bleiben oder ob ich weggehen soll. „Bitte, bleibe bei mir!“, hat er mir immer gesagt und dieses Bleiben hat zwei Jahre gedauert. Ich war bis zuletzt bei ihm. Diese lange Begleitung hat bei mir Spuren hinterlassen.

Als Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorger haben Sie viele Menschen in Ausnahmesituationen begleitet. Hat Sie das verändert? Hatte das Auswirkungen auf Ihren eigenen Glauben?
Mein Glaube ich nicht wie ein Stein, ich bin immer wieder in einem lebendigen Dialog mit dem Herrn. Ich sage immer: Ich streite gerne mit Gott. Natürlich komme ich auch manchmal an meine Grenzen, frage nach dem Wieso und Warum. Ich werde da fast aggressiv. Dann sind es oft die Patienten, die mir Kraft geben. Weil sie gerade in ihren schwierigen Situationen Gott suchen, und viele gehen versöhnt.

Haben Sie die besonders schweren Schicksale gedanklich mit nach Hause genommen?
Normalerweise nicht. Dafür haben wir Supervision, dazu Raum und Zeit, um uns unter Kollegen auszutauschen. Da ist einerseits professionelle Distanz, gleichzeitig sind wir Seelsorger mit unserer ganzen Persönlichkeit, zeigen Gefühle. Manchmal sind auch Tränen nicht zu vermeiden.

Sie sind griechisch-katholischer Priester. Wie hat sich Ihre Berufung gezeigt?
Ich bin in Rumänien aufgewachsen, in einem Land, in dem es, bis ich etwa zehn Jahre alt war, keine Freiheit gab. Die griechisch-katholische Kirche war verboten. Als ich ein Kind war, kam von Zeit zu Zeit im Geheimen ein Priester auf Besuch, erst ab 1990 änderte sich das. Diese plötzliche Freiheit war eine unglaublich starke Erfahrung für mich. Ich war begeistert, wollte mehr über den Glauben erfahren.

Ich habe begonnen, Theologie zu studieren, ging ins Priesterseminar, habe die Idee, Priester zu werden, aber wieder verworfen. Erst als ich nach Wien gekommen bin, hier als Laie in der Krankenhausseelsorge begonnen habe, dachte ich: Es wäre schon sinnvoll für meine Arbeit, wenn ich auch Priester wäre. Ich habe das mit meiner Frau besprochen und bin heute verheirateter Priester. Wobei Priestersein in der Krankenhausseelsorge nicht nur rosarote Seiten hat.

Inwiefern hat es auch Nachteile?
Als Priester wirst du schnell zum Spezialisten für die Sakramente. In der Klinik Donaustadt wurde ich sehr oft zu Krankensalbungen gerufen. Sakramentenarbeit ist toll, für eine regelmäßige und intensive Betreuung der Patienten bleibt allerdings dadurch weniger Zeit.

Wodurch füllen Sie Ihren persönlichen Tank auf?
Auch wenn es banal klingt: Für mich ist es enorm wichtig, in die Natur zu gehen. Ich liebe die Berge, Skitouren, klettern. Und meine Familie gibt mir Kraft: Ich habe meine Frau und meinen Hund, die zu Hause auf mich warten.

Autor:

Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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