Sterbebegleitung statt aktiver Sterbehilfe
Gut sterben dürfen

Der Ausbau professioneller Pflege sei daher in jeder Hinsicht ein Gebot der Stunde. Kein Mensch soll sich am Ende seines Leben Sorgen darüber machen müssen, ob er sich Begleitung und Pflege bis zum Schluss leisten kann. | Foto: iStock/Pornpak Khunatorn
  • Der Ausbau professioneller Pflege sei daher in jeder Hinsicht ein Gebot der Stunde. Kein Mensch soll sich am Ende seines Leben Sorgen darüber machen müssen, ob er sich Begleitung und Pflege bis zum Schluss leisten kann.
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Wer über aktive Sterbehilfe nachdenkt, kommt um die Frage, was es bedeutet, gut und in Würde zu sterben, nicht herum, ist Martina Kronthaler, Generalsekretärin von aktion leben österreich überzeugt.

Welche Rolle dabei Hospiz- und Palliativbetreuung spielen und welche Signale die Zulassung aktiver Sterbehilfe an alte und kranke Menschen und an Menschen mit Behinderung senden würde, erläutert sie im Gespräch mit dem SONNTAG.

Wenn es zum Thema Tötung auf Verlangen und Mitwirkung am Suizid kommt, dann ist die Gesetzeslage in Österreich klar: Das österreichische Strafgesetzbuch untersagt beide Praktiken eindeutig und unter Strafandrohung.

Seit der vergangenen Woche berät der Verfassungsgerichtshof allerdings über eine Lockerung dieses Verbotes der aktiven Sterbehilfe. Anlass sind vier vom Schweizer Sterbehilfe-Verein Dignitas unterstützte und von Österreichern eingebrachte Anträge, die das Verbot der aktiven Sterbehilfe als verfassungswidrig erachten. Von der Einschränkung der persönlichen Freiheit und vom Recht auf Selbstbestimmung ist da die Rede und vom daraus abgeleiteten Recht, ganz alleine entscheiden zu können, wann, wo und wie man stirbt.

Der Staat hat eine Schutzpflicht
„Das geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung“, sagt Martina Kronthaler, Generalsekretärin von aktion leben österreich, einem unabhängigen Verein, der sich seit vielen Jahren für den Schutz des Lebens vom Anfang bis zum Ende einsetzt: „Wenn es um Themen wie Leben und Tod geht, dürfen – wenn auch tragische – Einzelfälle und wirtschaftliche Interessen nicht Gesetze bestimmen, die enorme Folgen für viele Menschen haben. Hier ist vielmehr humanes, gesamtgesellschaftliches Denken gefragt.“

Der Staat habe gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern eine Schutzpflicht. Das gelte für jede und jeden einzelnen und in ganz besonderer Weise für die Schwachen in unserer Gesellschaft – für alte und kranke Menschen etwa, oder für Menschen mit Behinderung. „Wir leben in einer Zeit, in der Menschen einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden. Es wird uns vorgerechnet, was wir am Ende des Lebens kosten, wenn wir Pflege brauchen.

Erlaubt der Staat die Beihilfe zum Suizid oder das Töten auf Verlangen, so sendet er ein fatales Signal an chronisch kranke, sterbende Menschen oder an Menschen, die wegen einer Behinderung dauerhaft auf Assistenz oder Pflege angewiesen sind.“ Ältere Menschen, oder kranke – auch psychisch kranke – Menschen oder auch Menschen, die mit einer Behinderung leben, könnten dadurch einem ungeheuren Druck ausgesetzt sein.

Aus dem Recht auf Sterbehilfe, könne ganz schnell auch eine Pflicht zur Inanspruchnahme von Sterbehilfe werden. Erst vor kurzem sei in den Niederlanden eine Studie präsentiert worden. Deren Ergebnisse hätten gezeigt, dass 10.000 aller über 55-Jährigen den Wunsch haben, ihr Leben frühzeitig zu beenden, auch ohne krank zu sein. Hauptmotiv dafür waren Einsamkeit, Geldsorgen und die Befürchtung, anderen zur Last zu fallen. „Das ist eine erschreckende Entwicklung und zeigt, was die staatliche Erlaubnis der aktiven Sterbehilfe langfristig mit Menschen macht“, ist Kronthaler überzeugt.

Es gibt Alternativen zur Sterbehilfe
Sie plädiert deshalb auch, sich verstärkt darüber Gedanken zu machen, was Selbstbestimmung noch bedeutet und was derzeit schon – etwa durch Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht – möglich ist. „Durch Menschen mit Behinderung lernen wir beständig, wie bedeutsam das Ermöglichen eines selbstbestimmten Lebens ist. Und wie viel hier noch zu tun ist.

Wir brauchen etwa einen einfachen Zugang zu Hilfsmitteln, ein Recht auf staatlich finanzierte Pflege und Assistenz, auf Palliativ- und Hospizbetreuung, auf Therapie und auf Entlastung von Angehörigen“, fordert Kronthaler. „Es darf keine Frage des Geldes sein, was Menschen brauchen, um selbstbestimmt leben zu können.

Mit Hilfe der Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht können Menschen zudem heute schon bei der derzeit gültigen Rechtslage vieles in Bezug auf ihr Lebensende regeln. So kann man etwa festlegen, dass man keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte, wenn keine Chance auf Heilung besteht. Man kann sich gegen Behandlungen entscheiden und vieles mehr. Aber das alles ist in Österreich viel zu wenig bekannt.“

Auch der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung gehöre massiv forciert, ist Martina Kronthaler überzeugt. „Bereits bestehende Palliativ-Einrichtungen und Hospize zeigen uns, wie der Wunsch zu sterben auf menschengerechte Weise beantwortet werden kann. Die Aussagen vieler Betroffener und vor allem von Palliativmedizinerinnen und -medizinern bestätigen, dass der Sterbewunsch oft durch Schmerzen, Einsamkeit und Perspektivenlosigkeit entsteht. Gerade aber etwa Schmerzen können oft erträglicher gemacht werden.“

Angehörige sollen die Beziehung zu kranken oder sterbenden Menschen pflegen, Zeit zum Reden, Zeit für Zuwendung aufbringen können. Sind sie für die körperliche Pflegen verantwortlich, so bedeutet das oft eine enorme Überforderung, verweist Kronthaler auf ein anderes Problem. Der Ausbau professioneller Pflege sei daher in jeder Hinsicht ein Gebot der Stunde. Kein Mensch soll sich am Ende seines Leben Sorgen darüber machen müssen, ob er sich Begleitung und Pflege bis zum Schluss leisten kann.“

Wie geht es Ärzten und Angehörigen?
Was sie sich bei der Debatte um aktive Sterbehilfe noch wünsche? „Dass die Sicht der Ärztinnen und Ärzte mehr in den Blick genommen wird“, sagt Martina Kronthaler: „Einen Menschen aktiv beim Sterben zu ,helfen‘, widerspricht dem hippokratischen Eid, den Ärzte geleistet haben. Im Grunde muss man deshalb auch die Frage stellen: Können wir es den Ärzten zumuten, das zu tun? Sollten wir ihnen nicht mehr Rüstzeug geben, um Menschen am Ende ihres Lebens palliativ zu begleiten?“

Und auch die Sicht der Angehörigen sei in der öffentlichen Debatte um Beihilfe zum Suizid viel zu wenig Thema, sagt Martina Kronthaler: „Wenn ein geliebter Mensch entscheidet, sterben zu wollen, dann ist das eine furchtbare Situation. Und man muss schon auch fragen: Wie selbstbestimmt setzt etwa ein Mensch mit Depressionen seinem Leben ein Ende?“

Aktive Sterbehilfe leisten zu sollen, könne Menschen ein Leben lang belasten. Entscheiden zu müssen, ob Maschinen abgeschaltet werden oder nicht, verändere das ganze Leben der Angehörigen – auch hier fehle das Bewusstsein und die Begleitung.

Den bewährten Weg weitergehen

„Österreich hat sich bisher bewusst dafür entschieden, gesetzlich zu regeln, dass Sterbende begleitet, aber nicht getötet werden“, sagt Martina Kronthaler: „Hier gilt es konstruktiv weiterzuarbeiten im Sinne einer humanen, lebensfreundlichen Gesellschaft.“

aktion leben unterstützt die Webseite www.lebensende.at des Instituts für Ehe und Familie (IEF) zu diesem Thema. Auf dieser kann online für den Erhalt des österreichischen Konsenses zur Fragen am Lebensende unterzeichnet werden.

Autor:

Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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