Buchtipp
Wenn der Himmel ein Zeichen setzt
Es sind nicht nur unbedingt „Prestige-Gipfel“ der Alpen wie Glockner & Co., deren Gipfelkreuz-Geschichten Hans-Joachim Löwer in seinem Buch erzählt. Viele „Perlen“ habe er abseits der Karawanen, die zu den Klassikern ziehen, gefunden. „Die Hintergründe, die ich herausfand, spiegeln mehr als 200 Jahre europäische Geschichte, ganze Epochen von Leid und Leidenschaft – und oft den stillen, ganz persönlichen Drang,mit so einem Werk ein Zeichen zu setzen“, schreibt er im Vorwort.
Da wäre etwa das nur schwer erreichbare „literarische“ Kreuz auf dem 2300 Meter hohen Traunspitzl in den Loferer Steinbergen. Drei Freunde aus dem Pillerseetal haben da vor zwanzig Jahren „ihre Ambitionen, Talente und Erfahrungen“ zusammengeworfen und ein Kreuz der besonderen Art aus Glas und Nirostastahl gebaut, in dessen Tragbalken mit Laserstrahlen ein Text eingraviert wurde. Ein Zeichen für einen „respektvollen Umgang mit der Umwelt“. Das Kreuz wurde auch ganz im Stillen auf den Berg getragen, ohne Hubschraubereinsatz.
Weil der „Himmel ein Zeichen“ gesetzt hat. Das ist der Hintergrund für jenes große Holzkreuz, das die wilde Freispitze in den Lechtaler Alpen ziert. Zwei Mal sogar: Vor bald 70 Jahren löste ein Wirt aus dem Lechtal sein Versprechen ein, dort oben ein Kreuz aufzustellen, wenn seine schwer kranke Frau Leopoldine nochmals auf die Beine kommt. Sie kam, und selbst der Dorfpfarrer trug ein Stück Kreuz mit hinauf. Jahrzehnte später, knapp vor der Jahrtausendwende, wurde das zerstörte alte durch ein neues Kreuz ersetzt – weil erneut ein Gelübde in Erfüllung gegangen war. Wieder hatte sich ein Wirt, im Wissen um die alte Geschichte, die Genesung eines todkranken Freundes erwünscht.
Gipfelkreuze werden auch als Gedenken an Tragödien aufgestellt. Wie jenes auf dem unscheinbaren Gipfel im Toten Gebirge mit dem „ellenlangen“ Namen „Bärenfeichtenmölbing“ (1770 m). Hier, auf dem über einen malerischen, schmalen Pfad erreichbaren Berg über seiner Alm, hat Fred Kerschbaumer ein einfaches Holzkreuz errichtet, das an jene zehn Bergleute erinnert, die 1998 beim Grubenunglück im steirischen Lassing ums Leben gekommen sind. Viele Freunde von ihm waren darunter. Bei der Kreuz-Einweihung haben Angehörige der Toten zehn Erinnerungsnägel in das Holz geschlagen. Das Kreuz sei wie eine Antenne, die Gefühle senden und empfangen kann.
Das eiserne Kreuz der „aufgetürmten Berufe“ am markanten Brunnkogel im Höllengebirge, dessen hölzerner Vorgänger einst zu Ehren der Kriegsopfer errichtet worden war, ist aus der innigen Freundschaft zweier Männer entstanden, die sich gegenseitig halfen, ihre Träume zu verwirklichen. Die Erneuerung des Kreuzes nach seiner Zerstörung 2013 durch Sturm, Schnee und Eis wurde für 35 HTL-Schüler aus Vöcklabruck zum begeistert absolvierten 1000-Stunden-Projekt.
Löwers Gipfelkreuz-Geschichten erfahren mitunter auch nach Erscheinen seines Buches Fortsetzungen. Wie jene über die „Holz-Pietà“ auf der Schönfeld-Spitze im Steinernen Meer. 49 Jahre lang hielt das berühmte Gipfelkreuz in Form einer Pietà des bekannten Bildhauers Anton Thuswaldner der extremen Witterung stand, bis es im Sommer 2020 ein Unwetter schwer beschädigte. Der junge Künstler Raphael Gschwandtl aus Maria Alm fertigte wenig später eine neue Pietà aus Lärchenholz an, übernahm Heiligenschein und Dornenkrone von der alten Figur. Noch im September wurde das Kreuz auf seinen angestammten Platz geflogen. Anton Thuswaldner, dessen Kreuz einst für heftige Debatten und kulturelle Grabenkämpfe gesorgt hat, ist Anfang März 2021 im Alter von 92 Jahren gestorben.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.