Bis 1969 erschien in Tirol und Vorarlberg eine gemeinsame Kirchenzeitung
Was in Trümmern begann
Es war eine Pioniertat: Bereits vier Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschien erstmalig das „Kirchenblatt“. Ein Exemplar der vier Seiten starken Zeitung kostete 10 Pfennig.
Papier war ein Luxusartikel in den Monaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs. So sehr, dass viele Zeitungen nur wenige Seiten umfassten. Auch das „Kirchenblatt“, das erstmals am 2. September 1945 erschien – „herausgegeben und verlegt vom Seelsorgeamt der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch“. Aufmacher der ersten Ausgabe war ein selbstbewusstes „Grüß Gott“. Nach Jahren der Diktatur muss die Erleichterung groß gewesen sein: War doch dieser Gruß nicht nur jahrelang verboten. Wem statt „Heil Hitler“ ein „Grüß Gott“ über die Lippen kam, musste mit schwersten persönlichen Konsequenzen rechnen. Der erste Titel der neuen Kirchenzeitung ist daher wohl als politisches Statement zu lesen. Als Gegenbild zum Hitlergruß brachte es die große Dankbarkeit für die wiedergewonnene Freiheit zum Ausdruck.
Unglaublich schnell. Wie schnell die Kirche eine eigene Zeitung und den dafür notwendigen Vertrieb auf die Beine stellte, lässt sich auch daran ablesen, dass erst am 1. Oktober 1945 eine „Deklaration über die demokratische Presse“ in Österreich verabschiedet wurde. Wer eine eigene Zeitung herausgeben wollte, brauchte die Erlaubnis der zuständigen Besatzungsmacht. Wer gegen die Zulassungsbedingungen verstieß, musste mit ernsten Konsequenzen rechnen – bis hin zu einem Erscheinungsverbot. Das „Kirchenblatt“ kam von Anfang an wöchentlich heraus und wurde zur weiteren Verteilung an die Pfarren in Tirol und Vorarlberg verschickt. Für jedes Bundesland gab es einen zuständigen Redakteur. Für Tirol war dies Pfarrer Eugen Bischof aus Innsbruck-St. Nikolaus, für Vorarlberg Edwin Fasching – beide enge Vertraute von Bischof Paulus Rusch. Erster Herausgeber war Seelsorgeamtsleiter Michael Weiskopf.
Freudig und sorgenvoll. Der erste Beitrag des „Kirchenblatts“ liest sich wie ein Programm: „Nun ist es da und will als ein guter Hausfreund bei euch bleiben, will Freude und Sorgen mit Euch teilen und mithelfen, Euch die Schönheit des Glaubens mehr und mehr zu zeigen.“ Anschließend folgen eine Meditation über das Schutzengelfest, ein Gedicht und Beiträge über Selbsttäuschungen, das Gebet, die Vorsehung und der liturgische Wochenkalender. Zum Inhalt der Erstausgabe gehören auch eine Zitatensammlung und eine Rubrik „Aus dem Leben“ mit Anekdoten aus aller Welt. Den Abschluss bilden Fragen und Antworten aus der Welt in und um den Kirchturm: Was ist ein Dogma? Ist für die Messe weißer Wein vorgeschrieben? Usw.
Neu ist in der Nummer zwei die Einführung des Sonntagsevangeliums und die Anführung der Kirchenpatrozinien für den Monat September. Auffallend ist, dass auch jene von Südtirol genannt sind. Die schmerzliche Teilung des Landes war wohl noch nicht verwunden. Vorarlberg kommt in der Liste hingegen gar nicht vor.
Christliche Helden. Erstaunlich ist, dass das „Kirchenblatt“ seine wöchentliche Erscheinungsweise trotz widrigster Umstände beibehalten konnte. Im Wochenrhythmus änderten sich auch Inhalte und Rubriken. So fanden sich in der Nummer 3 erstmals „Gedenktage christlicher Helden“.
Die Auseinandersetzung mit aktuellen Ereignissen hält mit jeder Ausgabe mehr Eingang in das Kirchenblatt. So widmet die Nummer 6 einen Schwerpunkt ihrer Berichterstattung dem Religionsunterricht und der Aufgabe der Eltern, diesen zu unterstützen – mit einer eindeutigen Schlussfolgerung: „Der Religionsunterricht wäre ein Leerlauf, wenn sich die Religion nicht auch im praktischen Leben zeigen und bewähren müsste.“ Und: „Wenn Sie alle Katechismusfragen von 1 bis 500 und die ganze Bibel von Adam bis zum Ende der Welt auswendig kennen, aber kein praktisches Christentum haben, sind Sie ein schlechter Christ.“
Aus der Gefangenschaft. Und auch die Not des Krieges kommt zu Wort. So wird von einem „Brief aus der Gefangenschaft“ berichtet. Die Gefangenen eines Lagers hätten keine Arbeit. Das sei auf Dauer nicht zu ertragen – daher die Bitte „um etwas zum Lesen“. Wer Literatur zur geistigen Weiterbildung verschenken könne, möge diese zur „Karitasstelle beim Seelsorgeamt“ bringen.
Grundsätzliches zum Thema Caritas findet sich in der Nummer 7. Verfasser ist Dr. Josef Steinkelderer, erster Caritas-Direktor und fünf Jahre lang in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau inhaftiert. Wohl auf die Verbrechen während der NS-Zeit Bezug nehmend schreibt er: „Die Forderung nach Gerechtigkeit entspricht dem christlichen Sittengesetz … doch Sühne darf nur im ordentlichen Gerichtsverfahren zustandekommen.“
Auch gesellschaftspolitischen Fragen wurde bald mehr Raum gegeben. So heißt es in der Nummer 8 zum Thema Demokratie: „Das Recht freier Mitsprache schließt in sich die Möglichkeit und Erlaubtheit zur Kritik an den herrschenden Zuständen, an Gesetzen und Verfügungen, an Amtspersonen. Soweit diese Kritik sachlich und gerecht bleibt …“
Wort des Bischofs. Erstmals im „Kirchenblatt“ zu Wort meldet sich Bischof Paulus Rusch zum „Karitas-Sonntag“ Mitte November 1945. Er schreibt: „Der Krieg ist zu Ende, die Waffen ruhen, aber die Menschheit gleicht einem Schwerkranken … Groß und vielfach ist die Not ringsum. Wir können nicht allen helfen und nicht immer helfen, aber wir wollen, ja müssen tun, was wir können.“
Gilbert Rosenkranz; Mitarbeit: H. Niederleitner, Hp. Kathrein
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