SOMMERSERIE 2021 | Beten mit den Füßen_9: Salzburg
Zur Salzachquelle geht‘s über Tirol
Mit leisem Gurgeln treffen dünne Rinnsale aufeinander. Sie drängen aus dem Almboden. Vereint klingt ihr Plätschern lauter. Hoch oben, wo Salzburg und Tirol aufeinandertreffen, liegt der Ursprung der Salzach. Eine Wanderung zu den Quellen – zu jenen des Flusses und zu jenen der Seele.
Michaela Hessenberger
„Je näher wir dem Ursprung des Wassers kommen, desto sprudelnder werden die Ideen“, sagt Hermann Signitzer mit beschwingtem Ton. Er zieht die Bänder seiner Bergschuhe fest, denn auf einer Höhe von etwa 2.300 Metern sollte jeder Schritt sitzen – auch, wenn der federnde Weg nur sanft ansteigt. Doch die Kühe, die ihn benutzen, haben mit der Zeit ein paar durch Gras gut getarnte Löcher in den Almboden getreten. Sicher ist sicher. Auf dem Kopf trägt er seinen hellgrauen Filzhut. Der ist dabei, wenn er zum Pilgern aufbricht. Ein Geschenk seiner Schwester, erzählt er.
Gottes Schöpfung ordentlich spüren
Signitzer ist in der Erzdiözese Salzburg für Freizeit- und Tourismuspastoral zuständig. Gefragt nach einem stillen und außergewöhnlichen Weg, der den Salzburger und den Tiroler Anteil verbindet, antwortet er: „Auf zum Salzachgeier!“ Genau dorthin führt sein Weg.
Unterwegs kann sich das Auge kaum sattsehen. Der Almrausch blüht und die Insekten stürzen sich gierig brummend in seine pinke Farbenpacht. Der Wind zieht leicht an den Zirben; an der runden Form, in der sie oben an den Spitzen zusammenlaufen, sind sie leicht zu erkennen. Ihr Duft räumt letzte Zweifel aus. Hoch genug für diese besonderen Bäume ist Signitzer längst aufgestiegen. Den Weg hat er über Kelchsau im Tirolerischen genommen. Eine lange, unebene Forststaße führt über mehrere Stunden bergauf. Talentiert im Wandern muss für diesen Weg niemand sein, Ausdauer ist allerdings gefragt. Oben hat die Sonne den letzten Schnee des Winters weggeschmolzen. Außer dem Salzburger ist an diesem Freitag nur ein älterer Herr unterwegs.
In der Ferne lacht ein Bub, der Wind trägt seine Stimme hinauf, bevor er mitsamt seiner Freude an einer Weggabelung verschwindet. Eine Strecke mit so atemberaubender Aussicht und derart wenigen Menschen ist eine Wohltat für Ruhesuchende.
Das Markkirchl als besonderes Kleinod
Der Boden macht unter jedem von Signitzers Schritten schmatzende Geräusche. Das fette Gras leuchtet dunkelgrün. Dann streckt der Pilger seinen Finger aus und zeigt erst auf ein paar Felsen in der Ferne. „Dort“, sagt der wanderfreudige Theologe, „dort ist der Salzachgeier.“ Obwohl im Bundesland Salzburg, Gemeinde Wald im Pinzgau, gelegen, ist er die höchste Erhebung in diesem Teil der Kitzbüheler Alpen; die Form erinnert an den „König der Lüfte“ und der ist namensgebend.
Dann wandert Signitzers Zeigefinger etwas nach links und bleibt über einem dunklen Fleck stehen. „Das ist das Markkirchl“, erklärt er, erntet verständnisloses Stirnrunzeln und geht so lange auf den Punkt zu, bis sich das Kreuz auf dem mit Lärchenholz gedeckten Turmdächlein abhebt. Viel früher und auch viel besser zu sehen ist allerdings das stattliche Tiroler Wappen, das neben dem Kirchlein am Salzachjoch weithin sichtbar die Grenze zwischen Tirol und Salzburg markiert.
Mit einem langgezogenen und knarzenden Geräusch geht die Holztür des Kirchleins auf. Sonnenlicht fällt hinein. Hunderte Gesichter schauen einem entgegen. Sie gehören zu den Sterbebildchen, die die Angehörigen der Toten aus den Nachbargemeinden Stück für Stück auf den Berg getragen haben. „Zum Gedenken an die Verstorbenen“, sagt Signitzer. Zwischen all den Frauen und Männern lächelt Maria ihrem Erstgeborenen am Altarbild milde zu. Und weil das Kirchlein zu Tirol gehört, darf ein Herz-Jesu-Bild mit züngelnden Flammen an der Wand nicht fehlen.
Aus unzähligen Rinnsalen wird der Fluss
Signitzer springt flott über einen Weidezaun – es gäbe auch ein Tor, durch das weniger Sportliche schlüpfen können – und folgt dem Weg bergab. Mit jedem Schritt verschluckt Wasserplätschern das Vogelgezwitscher und das Gesumme der Hummeln. Plötzlich scheint es, als ströme Wasser aus jedem Grasbüschel und hinter jedem Felsen hervor. „Die Salzach hat nicht nur eine einzelne Quelle. Das Nass tritt wie ein Fächer aus dem Boden und alle paar Meter vereinen sich ein paar Rinnsale – so lange, bis ein Bach entsteht.“
„Erste Brücke der Salzach. TVB Wald“ steht in eine Holztafel graviert an einem kleinen Übergang. Ab hier nennt sich die Salzach also Salzach. Mehr Informationen liefert ein blaues Metallschild. „Die Salzach ist mit 225 Kilometern Länge der wasserreichste und längste Nebenfluss des Inns“, ist dort zu lesen. Der Name komme von der Salzschifffahrt, bis 1800 war der Name „Salza“ gebräuchlich.
Wenn es um Quellen und Wasser geht, fallen Hermann Signitzer sofort Bibelstellen ein und er beginnt von der Schöpfungsgeschichte zu erzählen, von Noah und der regenfesten Ache. „Erst musste das Wasser weichen, damit Land und Berge werden konnten. Und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“, sagt er. Zu pilgern, wo Wasser sprudelt, ist für ihn besonders sinnvoll. Genau der richtige Treibstoff für Gedanken, Gebete, Ideen. Sein Blick schweift über die Hohen Tauern, in deren Richtung der Anfang der Salzach fließt, dann spricht er von Taufe und von Mose, der seinen Stab gegen den Felsen schlägt und den Israeliten so in der Wüste Wasser geben kann. „Wo Wasser ist, ist Leben. Und wo Leben ist, ist Gott“, lautet seine Schlussfolgerung. Dann schließt er die Augen. Um ihn klare Luft, die Wärme der Sonne und das überbordende Leben im Plätschern der Salzachquellen.
Am Weg
Über die Inntalautobahn Ausfahrt Wörgl Ost, dann Richtung Kitzbühel, bis man nach Bruckhäusl nach rechts ins Brixental oder Hopfgarten abzweigt. In Hopfgarten nach der Eisenbahnunterführung gerade in die Kelchsau und weiter bis zur Kreuzung Langer und Kurzer Grund (Mautstelle, 4 Euro). Nun links in den Kurzen Grund bis zum Ende der Fahrmöglichkeit beim Gasthof Wegscheid. Der Parkplatz dort ist kostenlos.
Autor:RUPERTUSBLATT Redaktion aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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