Coronakrise
Angst um Chor-Kultur
Die „Chorantäne“ gefährdet, was über Jahre und Jahrzehnte in der musikalischen Landschaft der Erzdiözese und des ganzen Landes aufgebaut wurde. Gerade musste der Kirchenmusikalische Herbst abgesagt werden. Andreas Gassner kennt die Sorgen von Sängerinnen und Musikern – und warnt davor, sie in Coronazeiten zu kriminalisieren.
Andreas Gassner ist die Verzweiflung in diesen Tagen ins Gesicht geschrieben. Wegen der Coronapandemie sieht der Referent für Kirchenmusik in der Erzdiözese Salzburg jahrelange und liebevolle Aufbauarbeit in Gefahr. „Ich befürchte, dass viele, die heuer nicht mehr zu den Proben gekommen sind, in Zukunft gar nicht mehr dabei sind“, sagt er. Ihn koste es unendlich viel Energie, Großereignisse wie den Kirchenmusikalischen Herbst oder die Orgelwoche über Monate und lediglich auf Verdacht zu planen und zu organisieren, während wegen steigender Infektionszahlen und neuen Erlässen zum Schutz der Menschen stets Absagen im Raum stehen.
Gerade musste Gassner die Orgelwoche abblasen. Und nun, kurz vor Redaktionsschluss, war klar, dass auch der Kirchenmusikalische Herbst nicht durchzuführen ist. „Maximal sechs Leute, die in einem Raum und mit Masken singen – das geht einfach nicht“, lautet die Erklärung.
„Chor lebt von der Gemeinschaft“
„Singen ist gesund für Geist, Körper und Seele“, sagt der Kirchenmusik-Experte, der in seiner Heimatpfarre Bischofshofen selbst singt und leitet. Er weiß, dass ein Chor durch die Gemeinschaft lebt. „So gut wie der Zusammenhalt ist, so gut ist auch der Chor.“Seit Wochen beobachtete er immer wieder, dass die Gemeinschaft breche, weil vor und nach den Proben keine Treffen mehr stattfinden können. Es herrsche viel Unsicherheit, was zu welchem Zeitpunkt erlaubt und schlau sei. Er hört von Sängerinnen und Sängern, dass ihnen ein schlechtes Gewissen von anderen Leuten gemacht werde, wenn sie zu Proben gingen. „Es darf nicht sein, dass sie kriminalisiert werden“, mahnt Gassner.
Ob diese Einschnitte zu reparieren seien, wenn die Coronapandemie eingedämmt und im Griff ist? Gassner zuckt mit den Schultern. „Ich hoffe es“, sagt er.
Singen darf nicht in Verruf geraten
Mehr als 420 Chöre sind Mitglied im Salzburger Chorverband. Auch sein Vorstand kennt die Stimmung in der Bevölkerung sowie die Bedürfnisse der Sängerinnen und Sänger. Karl-Gerhard Straßl betonte als Präsident des Chorverbands Österreich kürzlich die Bedeutung des Singens in dieser schwierigen Zeit: „Gerade das Chorsingen ist in Corona-Zeiten in Verruf geraten. Zu Unrecht“, betonte er.
Chorsingen sei – wie einige internationale Studien nachweisen – nicht gefährlicher als Sprechen, argumentiert er. „Uns muss klar sein, dass nicht das Singen selbst gefährlich ist, sondern die Nähe und der Austausch nach dem Singen“, sagte Straßl und rief damit alle Beteiligten zu besonderer Vorsicht auf.
Rücksicht in Coronazeiten gestiegen
Trotz aller Bedenken in diesen Tagen sieht Andreas Gassner vom Kirchenmusik-refereat der Erzdiözese Salzburg auch das Gute in der aktuellen Lage: „Die Rücksicht war wirklich spürbar. Wer sich für Kurse angemeldet hat, ist besonders verlässlich gekommen. Und die Zuhörerinnen und Zuhörer waren dankbar für alles, das wir nicht absagen mussten.“ Er selbst sei jedenfalls Anlaufstelle für Fragen aller Art und versuche, zwischen kirchlichen und weltlichen Chören zu vermitteln. Sein Ziel dabei: So klar wie möglich zu kommunizieren. Das nehme Unsicherheit – soweit das eben möglich ist.
Michaela Hessenberger
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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