Weltmissions-Sonntag
„Wir sind dort, wo sonst niemand hilft“
„Wir reden nicht nur, wir tun etwas.“ Diesem Motto folgt Mervyn Lobo. Ausgegeben hat es seine einstige „Chefin“, Sr. Ruth Pfau. Sie war 1960 eher zufällig in seiner Heimat Pakistan gelandet. Am Leid der Menschen konnte und wollte sie nicht vorübergehen. Bis zu ihrem Tod 2017 kümmerte sie sich um Kranke und Ausgestoßene in Armenvierteln. Lobo führt ihr Lebenswerk fort. Lepra, sagt er, sei heute unter Kontrolle. Doch es gibt neue Herausforderungen.
Die junge Ärztin und Ordensschwester Ruth Pfau war auf dem Weg nach Indien. Das fehlende Visa zwang sie zu einem Stopp in Pakistan. Ihre Mitschwestern von der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä führten sie in eine Leprakolonie. „Das verdreckte Wasser reichte ihnen bis zu den Knien. Die Schwestern baten die junge Ärztin aus Deutschland zu helfen“, berichtet Mervyn Lobo über den Anfang von Sr. Ruth Pfaus Mission. Doch diese lehnte zunächst ab. „Das kann ich nicht.“ Ihre Berufung erfuhr sie nachts, alleine in ihrem Zimmer: „Das ist, was der Herr von mir möchte. Ich bleibe.“
Die Menschen kamen von überall in Pakistan, um sich behandeln zu lassen. Dr. Pfau reiste schließlich selbst in die entlegendsten Winkel des Landes und nahm dafür große Strapazen auf sich. „Einmal sollten wir in ein Dorf in den Bergen. Öffentliche Verkehrsmittel brauchen dafür 18 Stunden. Ihr wäre ein Geländewagen zur Verfügung gestanden. Sie rechnete und entschied, der Bus ist billiger.“ Da es unterwegs keine Toilettenpausen gab, fing sie für solche Reisen eine Woche vorher an zu fasten. Sie trank wenig und aß kaum. „Das machte sie noch als sie schon in ihren 80ern war“, erzählt Lobo.
Die Armut ist noch immer da
Das Marie-Adelaide-Leprosy-Centre (MALC) von Ruth Pfau in Karachi ist heute eine der bedeutendsten Hilfsorganisationen Pakistans. 150 „Ableger“ in allen Regionen entstanden, die 150.000 Menschen erreichen. Der anfangs hoffnungslose Einsatz gegen die hochansteckende Krankheit Lepra hat mit den Jahren den Schrecken verloren. Die Armut der Ausgestoßenen jedoch verschwand nicht. MALC ist mittlerweile auch im Kampf gegen andere Leiden wie Tuberkulose aktiv. Ein anderer Bereich ist das Mutter-Kind-Programm. „Damit starteten wir Mitte der 90er Jahre in einem afghanischen Flüchtlingscamp. Vor allem Mütter und Kinder waren unterernährt. Wir verteilten Nahrungsmittel. Doch die Mädchen entwickelten sich nicht. Warum? Die Eltern gaben das Essen nur den Buben. Wir mussten die Rationen verdoppeln.“
Lobo spricht an, was nach wie vor ein Problem in der männerdominierten Gesellschaft und in den Familien ist: Die Benachteiligung der Mädchen und Frauen. „Viele werden schon sehr jung verheiratet. Sie bekommen früh Kinder. Die Todesrate bei der Geburt ist hoch, weil die Mädchen einfach oft zu schwach sind.“
Mervyn Lobo führt als Geschäftsführer Pfaus Werk fort. Voller Wärme erinnert er sich an sie. „Sie achtete andere Meinungen sehr. Sie mochte keine Ja-Sager.“ Er verweist auf den Stellenwert des Glaubens in ihrem Leben. „Sie war jeden Morgen bei der Messe in der Spitalskapelle. Einmal dauerte der Gottesdienst länger. Sie entschuldigte sich bei mir, dass sie ihre Arbeit erst mit Verspätung aufnehmen konnte. Das war typisch für sie.“
Corona und Flüchtlinge
Pakistan liegt zwischen dem Iran und Indien im Südwesten Asiens. Christinnen und Christen stellen mit drei Millionen Menschen eine kleine Minderheit dar. Sie sind Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. „Es gibt Regeln. Der Druck von bestimmten Gruppen macht es schwierig“, beschreibt Lobo mit vorsichtig gewählten Worten die Lage. Er muss Diplomat sein, da MALC nur im Einvernehmen mit der Regierung arbeiten kann. Eine immense Herausforderung seien die Folgen von Corona und die regelmäßigen Lockdowns. „Wer als Tagelöhner arbeitet, verdient dann nichts. Immer mehr Familien können kaum mehr überleben.“ MALC habe ebenfalls seine Not, den Betrieb am Laufen zu halten. „Die Inflation ist enorm. Die Preise für Medikamente oder Strom steigen ständig.“ Mit Sorge blickt er in das Nachbarland Afghanistan. „Mit noch mehr Flüchtlingen kann Pakistan nicht fertig werden. Die Armut ist jetzt schon so groß.“
Hoffnung gibt ihm da die Solidarität von Partnern wie den Päpstlichen Missionswerken (Missio). Und er hält sich an Sr. Ruth Pfaus Vermächtnis, die in einem Interview zu ihrem 85. Geburtstag sagte: „Wir können nicht jedem helfen. Aber so wie in dem biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter geht es darum, dem zu helfen, an dem man gerade vorbeigeht.“
Mit Pakistan im Herzen
Im Oktober, dem Monat der Weltmission, feiern wir die weltweite Kirchengemeinschaft. Heuer stellten die Päpstlichen Missionswerke (Missio) Pakistan in den Mittelpunkt. In der Erzdiözese war Mervyn Lobo aus dem Schwerpunktland zu Besuch. „Für viele war die Wallfahrt nach Maria Plain, die wir gemeinsam mit Missio-Linz geplant haben, ein besonderes Erlebnis. Mit blauem Himmel und Sonne gesegnet und dem Rosenkranz in der Hand pilgerten rund 50 Gläubige hinauf zur Basilika und haben dabei die Christen in Pakistan im Herzen getragen“, berichtet Missio-Referentin Therese Mayrhofer.
◆ Höhepunkt des Monats der Weltmission ist der Weltmissions-Sonntag (WMS): Gottesdienst im Dom zu Salzburg, 10 Uhr, mit Missio-Diözesandirektor Virgil Zach; Musik: Rhythmischer Chor Wals, Leitung: Hannah Klinger.
◆ Die Sammlung am Weltmissions-Sonntag ermöglicht, dass die jungen Kirchen in den ärmsten Ländern der Welt leben und wachsen können.
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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