Erzbischof Franz Lackner
„Wir brauchen ein tragfähiges Fundament“

Zusammenhalt wünscht sich Erzbischof Franz Lackner für das Jahr 2023. „Wir sind ein gemeinsames Volk Gottes.“                      | Foto: RB/Hiwa Naqshi
  • Zusammenhalt wünscht sich Erzbischof Franz Lackner für das Jahr 2023. „Wir sind ein gemeinsames Volk Gottes.“
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Erzbischof Franz Lackner. „Verlieren wir unseren Mut nicht und versuchen wir, im Anderen das Antlitz Gottes zu erblicken “, sagt Erzbischof Franz Lackner angesichts einer Zeit der Mehrfachkrisen. Er spricht im Interview mit dem Rupertusblatt zum Jahresanfang auch von einer Begegnung mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. im Anschluss an den Ad-limina-Besuch in Rom. „Das war eine große Gnade.“

RB: Herr Erzbischof, das vergangene Jahr war sehr dicht. Zuletzt stand der Ad-limina-Besuch nach Rom an. Sie haben auch gesundheitlich eine schwierige Zeit erlebt. Wie geht es Ihnen?
Erzbischof Franz Lackner: Eine normale Gallenblasen-Operation ist an sich kein Problem. Bei mir war es nun schon sehr entzündet. Bereits in den Wochen vorher hatte ich starke Schmerzen und bin dann sogar noch in die Türkei geflogen, um den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios zu treffen. Mittlerweile geht es mir gesundheitlich wieder sehr gut. Es war ein Zeichen, mehr achtzugeben. Der Alltag als Bischof war und ist immer herausfordernd. Aber ich bin gerne in Salzburg. Wenn ich nach einer Reise mit dem Auto heimfahre und den Gaisberg sehe, dann denke ich mir: „Ich bin wieder daheim.“ Früher habe ich noch öfters gesagt, „bei uns in der Steiermark“. Das mache ich jetzt nicht mehr. Salzburg und die Menschen hier sind mir zur Heimat geworden.

RB: Kommen wir noch einmal zum Ad-limina-Besuch. Welches Erlebnis hat Sie am meisten beeindruckt bei den zahlreichen Terminen und Besprechungen?
Erzbischof Lackner: Er musste pandemiebedingt zweimal verschoben werden. Wir haben uns also dreimal vorbereitet. Gott sei Dank konnte der Besuch jetzt stattfinden. Die Grundstimmung war gut. So ist es uns leichtgefallen auszusprechen, wie es uns geht und was die Menschen in unserem Land bewegt. Das war auch beim wichtigsten Termin, dem Treffen mit dem Papst so. Franziskus ist sehr unkompliziert. „Nein, kein Statement“, meinte er und forderte uns auf, spontan alles anzusprechen, auch kritische Themen. Es war deutlich zu spüren: Hier darf Wahrheit gesprochen werden – in jede Richtung. Der Papst ist ein hervorragender Zuhörer und er versteht Deutsch gut. Nur manches Mal ließ er sich etwas vom Dolmetscher, einem Priester aus Bayern, übersetzen.

In den Dikasterien (vatikanischen Behörden) gab es ebenfalls eine große Offenheit und Bereitschaft zum Austausch, wenngleich in schwierigen Fragen ein gewisser Vorbehalt spürbar war. Es gibt ohnehin keine Fertigprodukte bei religiösen Fragen, denn es geht wie so oft im Leben um den Samen, der sich entfalten soll und für den es ein Umfeld braucht, damit er wachsen kann. Ich bin gestärkt heimgekommen.

RB: Gab es die Möglichkeit zu einer Begegnung mit dem em. Papst Benedikt XVI.?
Erzbischof Lackner: Ja, ich durfte Papst Benedikt im Anschluss an den Ad-limina-Besuch treffen. Er hat ganz leise gesprochen. Es war sehr berührend, bei ihm zu sein und mit ihm die Messe zu feiern. Dass wir nach dem tiefsinnigen Theologen Benedikt mit Franziskus einen Papst bekommen haben, der so ganz anders auftritt, ist ein Zeichen der Lebendigkeit in unserer Kirche. Sie sind sehr verschieden und doch im Innersten ähnlich. Ich habe mich von beiden verstanden gefühlt. Ihnen zu begegnen empfinde ich als große Gnade.

RB: 2022 war ein Wahljahr in der Kirche. Es wurden neue Pfarrgemeindrätinnen und -räte gewählt.
Erzbischof Lackner: Ich bin sehr dankbar für alle, die sich ehrenamtlich einbringen. Es ist viel guter Wille. Das erlebe ich sehr deutlich bei meinen Visitationen in den Pfarren. Manchmal staune ich, wer hier alles mittut. Wir haben gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche. Das sind auch junge Leute, die Ideen mitbringen und die wir in die Verantwortung hineinehmen müssen. Ich habe schon öfters über die Idee eines „Generationenvertrags“ mit der Jugend nachgedacht. Da ist mir der Synodale Prozess dazwischengekommen, der jedoch in eine ähnliche Richtung zielt. Ich bin in acht Jahren 75 und dann nicht mehr im Bischofsamt. Wie können die Jungen gut weiterarbeiten? Worauf müssen wir jetzt schauen? Diese Fragen beschäftigen mich sehr. Es braucht schließlich ein Glaubens- und Kirchenfundament, das tragfähig ist.

RB: Stichwort Synodaler Prozess: Wie geht es weiter? Worauf muss oder soll sich die Weltkirche und die Kirche in Österreich einstellen?
Erzbischof Lackner: Erst einmal möchte ich Danke sagen.Wir haben die diözesane Phase in Salzburg besonders intensiv gestaltet. Viele haben sich bemüht und das unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie. Ich war bei 25 Anhörkreisen dabei. Das Schweigen, Sprechen und Hören – aufeinander und auf den Hl. Geist – ist, wie ich finde, eine sehr zukunftstaugliche Methode. Jetzt, nachdem der Österreich-Bericht nach Rom gegangen ist, kommt im Februar in Prag die Fortsetzung des Prozesses auf Kontinentalebene. In Prag dabei sind noch Petra Steinmair-Pösel, die Rektorin der KPH Edith Stein, Pastoraltheologin Regina Polak und Markus Welte, der Bildungsrefent in der Erzdiözese Salzburg. Wie bringen wir uns ein? Darauf müssen wir uns intensiv vorbereiten. Klar ist, wir können nicht alleine gehen. Wir müssen mit Blick auf die Universalkirche empfänglich, andockfähig, ergänzungsfähig bleiben. Dabei sollten wir nicht der Gefahr von 100-Prozent-Antworten verfallen oder uns auf konkrete Erwartungen fixieren. Natürlich orientieren wir uns nach vorne. Themen wie Geschlechtergerechtigkeit sind wichtig. Wir haben in Salzburg Frauen in Leitungspositionen. Im Vatikan haben wir in den Behörden kompetente Frauen erlebt. Gleichzeitig können wir die Herkunftsgeschichte nicht umschreiben. Es bedarf einer Theologie des Ausgleichs, in der verschiedene Begabungen und Charismen zur Geltung kommen können.

RB: Gelebte Weltkirche ist Anfang Jänner in Salzburg das Treffen der Partnerdiözesen. Was bedeuten diese Diözesanpartnerschaften für Sie?
Erzbischof Lackner: Ich bin über die nun schon sehr lange bestehenden Partnerschaften mit Daegu in Südkorea, Bokungu-Ikela in der Demokratischen Republik Kongo und San Ignacio de Velasco in Bolivien sehr dankbar. Der Ausblick in andere Kulturen und Traditionen ist wichtig. Wir können voneinander lernen. Bereits im Sommer haben wir uns mit jungen Leuten aus Daegu über die Erfahrungen im Synodalen Prozess ausgetauscht. Jetzt im Jänner möchten wir das mit unseren Freunden aus allen Partnerdiözesen fortsetzen.

RB: Was uns Menschen weltweit Sorge und Angst bereitet, sind die Krisen, mit denen wir konfrontiert sind. Wie gehen wir am besten damit um?
Erzbischof Lackner: Auf keinen Fall den Mut verlieren. Mein Rat: Wage der zu sein, der du bist und als der du in die Welt geschickt worden bist. Wage der zu sein, der im Anderen das Antlitz Gottes ein bisschen zu erblicken vermag. Dann würde es weniger Kriege geben. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Ich bin überzeugt, Friede braucht Mut. Und Friede fängt mit Zufriedenheit an. Es bringt uns nicht weiter, immer nur an unserer Existenz herumzunörgeln. Wir sollten nicht vergessen: Wir müssen nicht alles von unserer eigenen Festplatte herunterladen. Wir müssen nicht alles allein schaffen.

Der heilige Augustinus sagt sinngemäß: Gehe in dich, du wirst dich entdecken und steige über dich hinaus. Ein Mensch, der Gott fernsteht, steht auch sich selbst fern, er ist sich selbst entfremdet und kann sich selbst nur in der Begegnung mit Gott wiederfinden. Geben wir also Gott die Ehre und achten wir den Nächsten. Dann wird Friede sein. Das ist im Prinzip die „Goldene Regel“: Sie ermuntert uns dazu, andere so zu behandeln, wie wir gern selbst behandelt werden möchten. „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12)

RB: Am 1. Jänner war Weltfriedenstag. Nicht nur in der Ukraine wüschen sich die Menschen nichts sehnlicher als Frieden. Sie waren im Sommer kurz in der Ukraine.
Erzbischof Lackner: Ich wurde vom Weihbischof von Kiew zur Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche eingeladen. Die Vollversammlung der Bischöfe fand wegen des Krieges im polnischen Przemysl statt. Für einen Tag sind wir von Polen nach Lwiw (Lemberg) gefahren. Es war eine berührende Zeit. Zum einen, weil wir erlebt haben, wie sich trotz des Krieges die Normalität Bahn bricht. Zum anderen sahen wir Panzersperren, hörten den Luftalarm und die Berichte über die Not der geflüchteten Menschen. Tief eingebrannt hat sich das Bild einer Frau am Friedhof von Lytschakiwski. Sie hat nicht geweint, sondern blickte nur stumm auf das Grab ihres Kindes. Als es zur regnen begann, blieb sie alleine zurück. In diesem Moment war mein innigster Wunsch, es möge wahr sein, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Es möge wahr sein, Gott wischt alle Tränen ab. Es möge wahr sein, dass diese Mutter ihren im Krieg getöteten Sohn wieder trifft.

Das Positive ist die Hilfe, die geleistet wird. Vor Kurzem hat sich die Erzdiözese an einer Lieferung von Generatoren beteiligt. Von uns kamen acht. Insgesamt konnte Pfarrer Vitaliy Mykytyn von der ukrainischen griechisch-katholischen Pfarre in Salzburg dank Spenden 48 Generatoren in die Ukraine schicken. Meine Bitte: Vergessen wir nicht, unter welch schwierigen Bedingungen Menschen leben müssen. Das Leid, das Krieg, Flucht und Gewalt bringen, ist groß – nicht nur in der Ukraine. Vergessen wir Syrien und die anderen Kriegsschauplätze nicht.

RB: Zum Abschluss: Haben Sie sich für 2023 etwas vorgenommen?
Erzbischof Lackner: Durch die Coronapandemie ging viel verloren. Da war Spaltung und viel Unverständnis füreinander zu spüren. Unsere Berufung ist es, Gottes Volk zu sein, geeint in Freud und Leid. Dafür bete und bemühe ich mich.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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