Franziskus im Irak
Was bleibt von der historischen Reise?

Im Papamobil gelangt der Papst zu Gläubigen und Messen. | Foto: RB/ICO
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Mit 84 Jahren, in vier Tagen, mit einer Botschaft: Papst Franziskus hat seine Reise in den Irak im Namen des Friedens abgeschlossen. In der aktuellenAusgabe des Rupertusblattes schätzen zwei Orient-Experten aus Salzburg ein, was die in diesem Jahr wohl einzige Reise des Papstes bedeutet und auslöst. Stefan Maier (Initiative Christlicher Orient) berichtet von den Menschen in Hilfsprojekten vor Ort; Universitätsprofessor Dietmar W. Winkler spricht über die interreligiöse Dimension und streicht heraus, welche Schritte er für besonders bemerkenswert hält – und warum.

Hört man dem Orient-Experten Dietmar Winkler über Papst Franziskus und seine erste Auslandsreise 2021 reden, klingt viel Anerkennung durch. Respekt dafür, dass der Heilige Vater trotz Pandemie in ein krisen- und kriegsgebeuteltes Land reist. Respekt dafür, dass er feine Töne anschlägt und mit Worten weit über die Grenzen des Christentums hinausgeht. Respekt dafür, dass er diplomatisches Geschick für Geschwisterlichkeit und Solidarität einsetzt

Was ist passiert?

Papst Franziskus (84) hat als erster Papst in der Geschichte den Irak besucht. Er hielt sich vom 5. bis 8. März in dem vielfältigen, vornehmlich islamisch geprägten Krisenstaat auf, um Teile des Landes zu besuchen. Die Visite stand im Zeichen des interreligiösen Dialogs und der Begegnung mit der bedrängten christlichen Minderheit. In Bagdad und Erbil feierte er Gottesdienste mit örtlichen Katholiken unter ökumenischer Teilnahme, darunter erstmals eine Messe im ostsyrischen Ritus. In seinen Ansprachen im Irak trat er für interreligiöse Verständigung ein. Deutlich verurteilte er hingegen Gewalt und Terror im Namen der Religion.

Was leistet ein 84 Jahre alter Mann für die Friedenspolitik?

„Der Papst geht für mich noch viel weiter über die Grenzen der Kirche hinaus, als seine Vorgänger“, sagt Winkler. Das habe durchaus mit Franziskus‘ Haupt-Botschaft der Barmherzigkeit zu tun, das auch die letzte Enzyklika „Fratelli tutti“ weiter prägte. Alle, nicht nur Christen, seien Teile und Mitglieder der großen Menschheitsfamilie.

Als bemerkenswert bezeichnet Winkler auch, dass Franziskus sich gleich am ersten Tag vor Politikern, Zivilgesellschaft und Diplomaten in Bagdad deutlich für ein friedvolles Zusammenleben und einen konstruktiven Wiederaufbau ausgesprochen hat. „Dieser kann nur gemeinsam funktionieren und in geschwisterlicher Solidarität“, betont der Kirchenhistoriker der Universität Salzburg.

Bedeutet der Besuch im Irak für Christen weltweit viel?

Winkler: „Ja. Denn es ist ausgesprochen bemerkenswert, was wir in diesen vier Tagen in dem ethnisch und religiös so vielfältigen Land verfolgen durften, in dem das Christentum essentielle Minderheit ist. Es herrscht Ungleichheit, Christen sind häufig benachteiligt. Das Land versucht, inmitten der Spannungen und Konflikte des Mittleren Ostens Zusammenhalt zu finden. Und genau dorthin ging nun der Papst.“

Sein Appell, dass Gerechtigkeit und die Achtung des Rechts für alle gelten, sei ebenso wichtig wie der Grundsatz, dass Rivalität und Gegenteile zu überwinden seien, ganz nach dem Leitgedanken „Es gibt keine Bürger zweiter Klasse“.

Winkler berichtet, dass er bei Franziskus den schönen ökumenebezogenen Satz gefunden habe: Die verschiedenen Kirchen im Irak seien „wie viele einzelne bunte Fäden, die miteinander verflochten einen einzigen wunderschönen Teppich ergeben“. Gesagt habe er ihn, während er Märtyrern gedachte. „Das Teppichbild im Orient zu verwenden, ist geistreich, denn es leuchtet sofort ein, dass ein Faden ohne den anderen nicht auskommt.“ Es brauche für ein gelingendes Zusammenwirken die Kraft aller. Nur so stimme letztlich das Gesamtbild.

Und was nehmen sich Muslime von diesem Besuch mit?

Dietmar Winkler hat mit Interesse wahrgenommen, dass der Papst nicht „die Muslime“ an sich besucht hat, sondern vornehmlich die Schiiten. In Nadschaf traf er den einflussreichen schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani zu einer privaten Unterredung. Viele Beobachter werteten dies als historischen Brückenschlag zwischen katholischer Kirche und schiitischem Islam.

Winkler: „In gewissen Punkten treffen stimmen diese beiden religiösen Führer inhaltlich gut überein. So sieht auch Al-Sistani Religion als Brücke, als orientierende Stimme in einer pluralen Zivilgesellschaft und einem vielgesichtigen Staat.“

Winkler geht davon aus, dass Iraks Nachbar Iran gerade bei diesem Termin gut aufgepasst und die Vorgänge mit hoher Aufmerksamkeit wahrgenommen hat – denn anders als im Irak wird im schiitischen Islam des Iran Macht und Politik miteinander verwoben. Vor allem junge Iraner seien damit aber nicht mehr einverstanden. Und mit Franziskus sieht man, dass Glaube in Bescheidenheit und ohne Macht bezeugt werden kann.

„Al-Sistani konterkariert auch, was viele bei uns fälschlicherweise als Grundsatz annehmen: Nämlich, dass der Islam ohne Politik nicht sein kann“, erklärt der Orientexperte.

Hinter den Kulissen im Irak

Stefan Maier ist Projektkoordinator beim Hilfswerk Initiative Christlicher Orient, kurz ICO. Einer seiner Ansprechpartner im Irak ist P. Samir Yousif. Der Pfarrer von Enishke meinte nach dem Papstbesuch: „Bisher haben die Leute mit dem Irak nur Krieg, Gewalt und Terror verbunden. Jetzt haben wir einmal ein positives Bild in die Welt geschickt.“

Welche Bedeutung hat der Papstbesuch für die Iraker?

Stefan Maier: Wir arbeiten eng mit der chaldäischen Pfarre Enishke zusammen. Eine Delegation war bei der Messe in Erbil. Sie sind im Buskonvoi angereist und mit Fahnen ins Stadion eingezogen. Pfarrer Samir Yousif hat mir bei einem Telefonat beschrieben wie sehr sich die Leute freuten. Vor allem für die Christen war es ein lange herbeigesehntes Jahrhundertereignis; Papst Johannes Paul II. durfte ja einst nicht kommen. Das Bemerkenswerte war die Berichterstattung schon Wochen vorher. Da kam in den Medien vieles über die Geschichte der Christen, die vor allem die jungen muslimischen Iraker gar nicht kannten. Sie erfuhren, dass Christen seit Urzeiten ein Teil der Be-völkerung sind. Für die Rolle der Christen in der irakischen Gesellschaft ist das sehr wichtig.

Patriarch Louis Raphael Sako I. sagte: Der Papst kann nicht all unsere Probleme lösen. Was konnte er erreichen?

Maier: Der Aufruf zu Dialog und Brüderlichkeit hat Christen wie Muslime erreicht. Jens Petzold, ein weiterer ICO-Partner meinte: „Die Christen als kleine Minderheit machten so schwere Zeiten durch, jetzt spüren sie die Solidarität der Weltkirche.“ Der Papst ermutigte die Christen dazu, sich positiv in die Gesellschaft einzubringen. Das Wichtigste für ihre Zukunft sind aus meiner Sicht zwei Dinge: die Überwindung des Konfessionalismus und Sicherheit.

Von den einst rund 1,5 Millionen Christen leben nach Krieg und Terror nur noch wenige Hunderttausende im Land. Welche Perspektive haben sie?

Maier: Früher waren Christen in allen großen Städten vertreten. In Mossul lebten tausende Christen, geblieben sind nur noch 70 Familien. Alle Kirchen sind zerstört, die christliche Präsenz ist fast völlig ausgelöscht. Wer nicht ins Ausland fliehen konnte, ist im Norden gelandet, in der autonomen Kurdenregion. Die Regierung hat einiges für die Christen getan, sogar Dörfer, die unter Saddam Hussein zerstört wurden, aufgebaut. Freilich machen das die Kurden nicht aus reiner Nächstenliebe. Dahinter stehen handfeste politische Interessen. Sie hoffen auf staatliche Unabhängigkeit und die Unterstützung des christlichen Westens für ihre Sache.

Die gesamten Interviews finden Sie in der aktuellen Printausgabe des Rupertusblatts.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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