Partnerdiözese San Ignacio
Jedes Kind ist anders
Für die Rechte von Kindern mit Behinderung setzt das Team in der Fundación FASSIV alle Hebel in Bewegung. Sie folgen damit dem Vorbild einer Linzerin, Irmgard Prestel. Sie hat die Stiftung 1989 gegründet. Ihr Ziel: Den Verletzlichsten in der Gesellschaft einen sicheren Ort schaffen.
San Ignacio. Behutsam streichelt Therapeutin Jessica dem vierjährigen Joe Valentino über den Kopf. Alleine ihre Anwesenheit beruhigt den Buben und lockert seine Anspannungen in Armen und Beinen. Täglich bringt ihn seine Mutter zur Physiotherapie in die Fundación, die sich etwas außerhalb des Zentrums von San Ignacio befindetDass Eltern im bolivianischen Tiefland über Physiotherapie Bescheid wissen und ihre Kinder Zugang dazu haben, hat mit Irmgard Prestel zu tun. Sie kam bereits in den 1950er Jahren als Entwicklungshelferin nach Bolivien. In ihrer Pension widmete sie sich dem Aufbau von FASSIV, einer Stiftung, die sich um Kinder mit Behinderung annimmt. Seit ihrem Tod führen Familienmitglieder und Vorstand ihr Lebenswerk weiter.
Zu tun gibt es nach wie vor genug. Und die Praxis zeigt, Verordnungen alleine reichen nicht aus. Bolivien hat zum Beispiel ein Gesetz ratifiziert, das die Inklusion beeinträchtigter Kinder im Bildungswesen vorsieht. An der Umsetzung hapert es jedoch gewaltig. „FASSIV ist in Sachen Inklusion super aufgestellt. Insgesamt muss sich im Land aber noch vieles tun“, bestätigt Julia Eminger. Die junge Österreicherin ist gerade als freiwillige Helferin vor Ort. Sie studiert Soziale Arbeit in Salzburg und kann jetzt ihr Wissen weitergeben.
Musik brachte ihn zum Sprechen
„Rund 300 Kinder und Jugendliche erreicht FASSIV. Manche brauchen Operationen, andere orthopädische Heilbehelfe“, erzählt Vorstandsfrau Maria del Carmen Prestel de Salvatierra. „In den Werkstätten möchten wir sie individuell fördern. Jedes Kind ist anders.“ Prestel de Salvatierra erzählt von einem Jugendlichen aus dem Orchester. „Er spielt jetzt zusätzlich in der Pfarre auf seiner Violine. Das gab ihm Selbstvertrauen. Er hat nie ein Wort gesagt. Musik brachte ihn zum Sprechen.“
Die Stiftung konnte sich in der Vergangenheit auf Unterstützung aus der Erzdiözese verlassen. In San Ignacio sind Salzburg-Nonntal mit Elisabeth Gollhofer oder die Pfarre Rif keine Unbekannten. Immer wieder ist von den Freunden aus Österreich die Rede. Auf den Staat alleine kann FASSIV nicht setzen. Gerade seien 15 weitere Kinder aufgenommen worden. Eigentlich reiche das Budget nicht aus. „30 Prozent müssen wir noch aufbringen, um die Behandlungen zu finanzieren“, sagt Maria Carmen Prestel de Salvatierra. Ihr Lächeln versprüht Zuversicht und ihre Worte beeindrucken: „Die Kinder haben ein Recht darauf.“
Österreicherin legte den Grundstein
von Christian Schamberger, Katholikenanwalt und Ombudsmann in der Erzdiözese Salzburg
Eine kleine Gruppe aus der Erzdiözese macht sich an einem Sommertag in San Ignacio auf, FASSIV zu besuchen. Auf den rotstaubigen Straßen der Stadt frage ich mich: Was erwartet uns? Wir werden freundlich empfangen und wir betreten einen Besprechungsraum. „Käthe Recheis?“, überlege ich, als ich ihr Bild an der Wand erblicke. Ich erfahre, dass die österreichische Schriftstellerin eine enge Verbindung zu FASSIV hatte. Gegründet hat die Einrichtung für Menschen mit Behinderung 1989 eine weitere Österreicherin, Irmgard Prestel, die in Bolivien nur „Mutti“ Prestel genannt wird.
Die Ideale von „Mutti“ Prestel werden heute von den Menschen in der Fundación (Stiftung) weitergetragen. Ich sehe das Feuer in den Augen der Vorstandsmitglieder und höre wie sie begeistert von ihrer Arbeit sprechen. Dieser Enthusiasmus ist auch auf die Physiotherapeutinnen, die Handarbeits- und Musiklehrerinnen übergesprungen. Wir dürfen eine Kostprobe des FASSIV-Orchesters genießen und als Überraschung erklingt die Europahymne. Aber auch die großartigen Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den Werkstätten zeigen, dass FASSIV alles daran gelegen ist, die ihnen anvertrauten Menschen auf ein Bestehen in der Arbeitswelt vorzubereiten. Wie das gelingt, das bezeugen einige Mitbringsel für daheim – ein Hemd und ein Sombrero gehören jetzt mir.
Mein Fazit: Unterstützung aus der Erzdiözese ist wichtig, sie signalisiert, dass wir die Menschen mit ihren Sorgen nicht alleine lassen. Und wie in Österrreich auch bedarf es in Bolivien Lobbyingarbeit, um Familien zu stärken.
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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