Einsiedlerin
„Ich wusste, ich bin nicht allein“
Als Einsiedlerin hat Schwester Wilbirg (75) die letzten 13 Jahre in der Abgeschiedenheit von Maria Blut – nahe St. Johann in Tirol – verbracht. Aus Gesundheitsgründen verlässt sie nun diesen Ort und kehrt ins Kloster der Kreuzschwestern in Linz zurück. „Ich habe nichts vermisst“, sagt die langjährige Eremitin über die selbst gewählte Einsamkeit, die oft gar keine war.
von Thomas Manhart
RB: Sie blicken auf eine lange Zeit als Einsiedlerin in Tirol zurück. Waren das Leben und die Erfahrungen in Maria Blut so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Sr. Wilbirg Wakolbinger: Ich war sehr gerne dort und habe nie gezweifelt, am richtigen Ort zu sein. Allerdings ist man gar nicht so allein, wie ich es erwartet habe. Viele kommen für ein Gespräch vorbei, manche einfach aus Interesse, weil sie das Einsiedlerleben nicht kennen, andere für eine Besinnungszeit. In der Kapelle der Einsiedelei wurden und werden außerdem auch Messen gefeiert.
RB: Hatten Sie dennoch ausreichend Zeit allein für sich? Welche Erfahrungen brachte Ihnen die eremitische Lebensweise?
Sr. Wilbirg: Es liegt an einem selbst, wie man mit der Zeit umgeht. Es stärkt einen sehr, wenn man sich rechtzeitig zurückzieht und abschaltet, sich von den Gesprächen oder der Arbeit zuvor auch gedanklich löst. Dass bestimmte Zeiten nur für Gott da sind, das stärkt unglaublich – nicht nur den Glauben, sondern das ganze Sein.
RB: Wie haben Sie die Zeit an einem typischen Tag als Einsiedlerin verbracht?
Sr. Wilbirg: Der Tag war strukturiert durch die Gebetszeiten mit den Schwerpunkten Morgen-Mittag-Abend. Das sind inklusive Schriftlesung durchschnittlich drei bis vier Stunden. Die Arbeitszeit war gefüllt mit Hausarbeiten wie Kochen, Waschen und Putzen und der Pflege des relativ großen Gartens. Hinzu kamen manchmal eine Wanderung zur höher gelegenen Gmailkapelle oder auch abends ein stilles Sitzen im Grünen.
RB: Wie weit weg war eigentlich der Ort?
Sr. Wilbirg: Wenn ich von der Einsiedelei zügig ging, war ich in 40 Minuten beim Gottesdienst in der Kirche. Und der Rückweg dauerte natürlich länger, besonders im Winter.
RB: Haben Sie etwas aus dem früheren Leben im Orden der Kreuzschwestern vermisst?
Sr. Wilbirg: Ich habe zwar einiges aufgegeben, zum Beispiel die tägliche heilige Messe, und es war nicht immer leicht, diesen Weg zu gehen, aber ich habe von innen her gespürt, dass es für mich richtig ist. Ich könnte nicht sagen, dass ich etwas vermisst habe.
RB: Was waren in den 13 Jahren in Tirol die größten Herausforderungen?
Sr. Wilbirg: Im Winter oft der viele Schnee und einmal eine gebrochene Hand, aber bei Bedarf bekam ich immer Hilfe. Ich spürte von der ganzen Bevölkerung und auch von der Pfarre in St. Johann sehr viel Wohlwollen. Und es gab innere Herausforderungen, denn wer in der Einsamkeit lebt, wird konfrontiert mit den dunklen Seiten des Lebens. Das ist schmerzhaft, aber sich dem zu stellen im Angesicht Gottes ist der Weg zur Heilung.
RB: Es gab in der Einsiedelei also auch einige bedrückende, einsame Zeiten?
Sr. Wilbirg: Ich wusste im Zweifelsfall immer, ich bin nicht allein. Das war für mich das Um und Auf. Als ich im ersten oder zweiten Jahr zu Weihnachten über 39 Grad Fieber hatte und Angst bekam, dachte ich mir „Du bist in Gottes Hand“ und die Angst verschwand. Ich wusste, selbst wenn ich sterben sollte, bin ich nicht allein. Einsam fühlte ich mich nie.
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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