Caritas: Jahr der Kinder
Hier bekommen Kinder Flügel
„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen“, soll Johann Wolfgang von Goethe einmal gesagt haben. „Wurzeln, solange sie klein sind, und Flügel, wenn sie größer werden.“ Diesen wohlwollenden Erziehungstipp in Zeiten einer weltweiten Pandemie umzusetzen, ist keine Kleinigkeit, für manche Eltern ist es unmöglich.
Perspektivlosigkeit, Kinderarmut oder Einsamkeit dürfen für die heranwachsende Generation nicht zu den bestimmenden Faktoren in ihrem Leben werden. Davor warnt Salzburgs Caritas-Direktor Johannes Dines. Bei allen Herausforderungen infolge der Coronakrise „dürfen wir nicht auf unsere Zukunft vergessen: auf die Kinder“. Die Hilfsorganisation erklärte daher 2021 zum „Jahr der Kinder“.Die Caritas richtet dabei ihren Blick auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie Familien in der Erzdiözese Salzburg – aber nicht nur. Speziell im Februar stehen die Projekte in ihren Schwerpunktländern Libanon, Syrien und Ägypten im Vordergrund und Kinder wie Samuell (Bild). Seine Wurzeln zum Wachsen und Flügel zum Fliegen geben ihm die Lehrerinnen in der Flüchtlings- und Migrantenschule Beth Aleph in Beirut mit.
Kindsein in der Pandemie
Covid-19 hat den Alltag von Kindern und Jugendlichen vollkommen verändert. Keine Schule, keine Freunde, kein geregelter Tagesablauf. Viele empfinden diese Zeit als sehr belastend. Da geht es den Heranwachsenden in Österreich nicht anders als Mädchen und Buben im Nahen Osten. Der große Unterschied ist, dass in Ägypten, Syrien oder dem LIbanon noch ein Faktor hinzukommt: Hunger.
Ein Händler, der nicht raus darf, verdient nichts. Eine Putzfrau, die keinen Job mehr hat, weil das Restaurant schließen musste, steht mit leeren Händen da. „Der Nahe Osten durchlebt schon seit Jahren heftige Krisen. Das Coronavirus ist eine weitere Belastungsprobe. Staatliche Hilfen gibt es nicht“, weiß die Leiterin der Caritas-Auslandshilfe, Claudia Prantl.„Im Libanon hat sich die Situation zuletzt dramatisch verschärft. Das Land hat weltweit eine der höchsten Infektionszahlen. Der rigorose Lockdown treibt die Menschen, denen jegliche Verdienstmöglichkeit fehlt, auf die Straßen“, berichtet Prantl. Sie befürchtet, dass Corona das Risiko von Kinderarmut und Kinderarbeit noch einmal dras-tisch erhöht und immer mehr den Zugang zu Bildung verlieren. „Familien sind gezwungen am Nötigsten zu sparen: am Essen, der medizinischen Versorgung und eben auch beim Schulbesuch.“
Bestätigung für diese düstere Prognose kommt von Unicef. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen rechnet damit, dass rund 150 Millionen Kinder durch Covid-19 zusätzlich in Armut aufwachsen müssen, zu den fast 400 Millionen, die bereits vor der Pandemie einem Überlebenskampf ausgesetzt waren.
Lernen, spielen und essen
Mit Schulen, Streetwork, Kinderkrippen oder Tageszentren hilft die Caritas Salzburg in ihren Schwerpunktländern Syrien, Libanon und Ägypten. „Bildung liegt uns besonders am Herzen und ist alles andere als selbstverständlich. Dabei bedeutet der Schulbesuch neben dem Lernen für die Kinder so viel: den tristen Wohnverhältnissen entfliehen, sich beschützt fühlen und die einzige warme Mahlzeit am Tag“, beschreibt der Salzburger Caritas-Direktor Johannes Dines die „Nebeneffekte“ von Bildung. 2021 hat die Caritas zum „Jahr der Kinder“ erklärt. Das sei ein zusätzlicher Ansporn alles dafür zu tun, damit Perspektivlosigkeit, Gewalt, Armut oder Unsicherheit nicht das Leben der Heranwachsenden bestimmen – „weder in Österreich noch irgendwo sonst auf der Welt“, hält Dines unmissverständlich fest.
Die Schule ist ein Zuhause
Yenmai ist im Libanon geboren. Willkommen ist er hier trotzdem nicht, genauso wenig wie seine Mutter. Seid mehr als einem Jahr sind sie obdachlos. Einziger Lichtblick für den Vierjährigen ist Beth Aleph, eine (Kindergarten)schule für Flüchtlings- und Migrantenkinder wie er eines ist. Jeden Morgen läuft er mit einem Lachen, zumindest wenn die Coronaregeln es erlauben, durch das Schultor. Für bis zu 130 Kinder ist Beth Aleph weit mehr als eine Schule, es ist wie ein Zuhause – für Yenmai das einzige, das er zur Zeit hat.
Bedroht war dieser sichere Ort des Glücks nach der Beiruter Explosionskatastrophe im Sommer. Die Schule liegt in Hafennähe und war komplett verwüstet. „Das ganze Team half mit, Trümmer, Glas und zerstörte Gegenstände wegzuschaffen“, berichtet Schulkoordinatorin Suzanne Abi Ghanem. Sie schildert wie sehr das Chaos und vor allem die anhaltende Wirtschaftskrise und Corona die Menschen immer weiter in die Abwärtsspirale treiben. Kaum zu schultern sei der Druck für die Migrantengemeinschaft und damit für die Familien ihrer Schützlinge.
Die wiederholten pandemiebedingten Schulschließungen machen es nicht leichter. „Die Kinder vermissen ihre Lehrer und ihre Freunde. Und ihnen fehlt das tägliche warme Mittagessen.“ Als Ersatz für Letzteres verteilte die Caritas Libanon Lebensmittelpakete an die Familien. Eine Lösung musste auch her, damit der Fernunterricht zumindest halbwegs klappt. Die notwendigen Voraussetzungen – Computer und Internet – stehen den Kindern nämlich oft nicht zur Verfügung. Die Beth-Aleph-Verantwortlichen reagierten und schafften Handywertkarten an. „So können die Lehrerinnen per WhatsApp-Videoanrufe die Verbindung halten, Lernvideos verschicken und fragen wie es den Kindern geht.“ Einfach sei diese Art des Unterrichtens freilich nicht. Es komme nämlich häufig vor, dass sich mehrere Familien ein Mobiltelefon teilen.
In der Not nicht alleine
Marie Ghiya ist Mitarbeiterin einer Ordensschule der Barmherzigen Schwestern in Broumana. Sie berichtet ebenfalls von täglich wachsenden Problemen. Bei Claudia Prantl trifft sie auf offene Ohren. Die Leiterin der Caritas-Auslandshilfe ist in ständigem Kontakt mit den langjährigen Projektpartnern im Libanon. Gemeinsam arbeiten sie an einem Ziel: „Wir setzen alles daran, dass die Kinder weiter zur Schule gehen können.“ Gemeint sind Mädchen wie die 8-jährige Badiaa. Sie drückt in Broumana die Schulbank. Schon in Normalzeiten hat es ihre Mutter schwer, die Familie durchzubringen. Jetzt hat die Alleinerzieherin ihren Job als Reinigungskraft verloren. Schulgeld zu zahlen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Doch Badiaa und ihre Schwestern können wie 130 Kinder aus armen Familien in Broumana lernen. „Das geht nur mit der Unterstützung der Caritas Salzburg und ihrer Spenderinnen und Spender“, sagt Marie Ghiya stellvertretend für ihre Schülerinnen danke.
In der Abwärtsspirale
„Es war ein Albtraum“, sagt Rita Rhayem. Die Generaldirektorin der Caritas im Libanon spricht über die verheerende Explosion, die im Sommer große Teile der libanesischen Hauptstadt Beirut zerstörte. Zugleich gibt sie Einblick in ihr Land, das gegen mehrere Krisen gleichzeitig ankämpfen muss.
RB: Wirtschaftskrise, politische Instabiliät und soziale Spannungen – schon vor der Explosionskatastrophe befand sich der Libanon in einer Abwärtsspirale. Wie hält das Land das aus?
Rita Rhayem: Die Wirtschaftskrise trifft alle sehr hart. Die Preise im Supermarkt steigen ständig. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Viele haben ihre Arbeit verloren und teilweise bekommen die Menschen nur die Hälfte ihres Lohns. Damit über die Runden zu kommen, ist kaum möglich. Wir stehen vor einem Berg Problemen und ich befürchte, wir haben immer noch nicht die Spitze erreicht. Junge Leute, darunter Ärzte und Krankenschwestern, sehen in der Auswanderung die einzige Option. Dieser „brain“-drain (Abwanderung von gutausgebildeten Arbeitskräften) ist alarmierend. Die Explosion hat nicht nur Häuser und Geschäfte zerstört. Psychologisch ist es sehr schwierig für die Menschen, mit allem fertig zu werden. Sie sehen ihre verwundete Hauptstadt. Zahlreiche alte Häuser sind komplett vernichtet, es ging damit auch ein Stück Kultur und Identität von Beirut verloren. Die Caritas tut was sie kann. Wir haben Lebensmittelpakete verteilt und helfen beim Wiederaufbau der Wohnungen.
RB: Die Explosion hat auch Beth Aleph, eine Schule mit der Salzburg sehr verbunden ist, getroffen. Ist sie wieder offen?
Rita Rhayem: Das Schulgebäude ist in der Nähe des Hafens. Ich war kurz nach der Explosion dort – es war ein Albtraum. Mittlerweile sind die Schäden repariert. Die Kinder könnten wieder zur Schule gehen, doch wegen der Covid-19-Maßnahmen ist das nicht möglich. Im Libanon gibt es immer wieder Wechsel zwischen Präsenz- und Online-Unterricht. Das ist eine Herausforderung, weil bei weitem nicht alle Kinder die notwendige technische Ausstattung haben. Dazu kommt, dass die Internetverbindungen häufig abbrechen – das ist Normalzustand im Land.RB: Wie geht der Libanon in dieser angespannten Lage mit der Coronapandemie um?
Rita Rhayem: Es ist ungemein schwierig. Ein Lockdown ist nicht so einfach umzusetzen. Die Leute sagen: „Wir haben die Wahl, ob wir an einer Coronainfektion sterben oder an Hunger.“ Dieses Level haben wir erreicht. Ein Taxifahrer, der nicht unterwegs ist, verdient nichts und kann seine Familie nicht ernähren. Das gleiche gilt für Tagelöhner – wer nicht arbeitet, hat am Ende des Tages kein Geld in der Tasche.
RB: Was bedeutet die Unterstützung der Caritas Salzburg?
Rita Rhayem: Wir sind durch tausende Kilometer getrennt. Aber wenn es um Menschlichkeit und Solidarität geht, sind wir uns nahe. Nach der Explosion haben sich unsere Salzburger Partner gleich erkundigt: Seid ihr ok? Wir wissen, da sind Menschen, die an uns denken, uns unterstützen. Verschiedenste Projekte wie Beth Aleph gäbe es ohne Salzburger Hilfe nicht. Wir wissen, wir sind nicht allein.
Tipp: Dank Ihrer Spende von 25 Euro bekommt ein Kind in den ärmsten Regionen der Welt eine Lernbox. Mit 30 Euro finanzieren Sie ein Covid-19-Hilfspaket für eine Familie. Mit 50 Euro schenken Sie einem Kind im Libanon einen Monat ein Leben mit Bildung. Spenden Sie online unter www.caritas-salzburg.at
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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