Doppelinterview
Gute Gründe für Zölibat – und für Ehe

Dem Interview rund um Ehe und Zölibat stellten sich Albert Hötzer (l.) und Tobias Giglmayr.� | Foto: RB/mih
  • Dem Interview rund um Ehe und Zölibat stellten sich Albert Hötzer (l.) und Tobias Giglmayr.
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Ein Priester und ein Diakon stellen sich Fragen zum Zölibat. Beide bilden Männer aus, begleiten sie auf ihrem Weg – Tobias Giglmayr als Regens im Priesterseminar und Albert Hötzer als Seelsorger sowie Ausbildungsleiter der Ständigen Diakone. Ein Gespräch über Beziehungen, Einsamkeit und jene Menschen, die mit ihrem offenen Blick auf ihr Gegenüber recht nützliche Fragen stellen.

von Michaela Hessenberger

RB: Herr Regens, wenn der Pflichtzölibat fällt, werden dann plötzlich alle Priester heiraten?
Tobias Giglmayr: Nein, das glaube ich nicht. Es wird vereinzelt Männer geben, die diesen Schritt tun würden. Der Großteil hat sich den Weg gut überlegt und jeder hat intensiv darüber nachgedacht, auf was er sich mit der Priesterweihe einlässt.

RB: Blicken wir auf die Diakone. Gibt es unter ihnen Männer, die gerne Priester wären, aber auch verheiratet – und die sich so für den Weg als Ständiger Diakon entscheiden, bei dem sie Ehe, Familie und Weihe vereinen können?
Albert Hötzer: Ja. Ich spreche nicht nur als Seelsorger, der selbst verheiratet ist, sondern auch als Ausbildungsleiter für die Ständigen Diakone. Da erlebe ich, dass unverheiratete Kandidaten forschen, ob sie die Berufung zum Diakon spüren oder eine Priesterberufung. Außerdem kenne ich Kandidaten, die Priester werden wollten und vor der Weihe doch entschieden, dass sie Familie haben und mit einer Partnerin ihr Leben bestreiten möchten. Also gehen sie den Weg des Diakonats.

RB: Ein Diakon, der nicht in Richtung Priesterweihe unterwegs ist, kann zwischen einem ehelosen Leben und einem mit Partnerschaft wählen. Gibt es Männer, die bewusst unverheiratet diesen Dienst ausüben?
Albert Hötzer: Tatsächlich gibt es auch innerhalb der Diakone jene, die Diakon werden und nicht verheiratet sein möchten. Deshalb leisten sie bei ihrer Weihe das Zölibatsversprechen.

RB: Wie viele sind das?
Albert Hötzer: Sie bilden die Ausnahme. Vielleicht sind es nicht einmal zehn Prozent der Diakone, die unverheiratet leben. Darunter waren bereits einige, die nach dieser Weihe doch das Priesteramt anstrebten. Das ist in diesem Fall – also wenn sie ehelos bleiben – nämlich möglich.

RB: Wer auf dem Weg zur Priesterweihe ist, ist durchschnittlich Ende 20, Anfang 30. Wie spricht man mit jungen Männern am besten darüber, was der Zölibat für das weitere Leben bedeutet?
Tobias Giglmayr: Der Zölibat ist sicher nicht das erste Thema, wenn ein junger Mann bei uns im Priesterseminar anklopft. Doch schon im ersten Jahr ist ein Schwerpunkt die Persönlichkeitsbildung. An den Gesprächen sind Kleriker und Laien beteiligt. Wir reden offen über unsere Lebensform. Die menschliche Dimension der Ausbildung zieht sich durch die Zeit hindurch und bildet die Grundlage einer Entscheidung.

RB: Es gibt verschiedenste Argumente für und gegen den Zölibat. Ihre Sichtweisen?
Tobias Giglmayr: Oft wird Einsamkeit als negativer Punkt genannt. Doch niemand sollte ein einsames Leben führen müssen! Es gibt genug Freundschaften, die tragen. Als Argument für den Zölibat wird auch angeführt, dass wir ganz zur Verfügung stehen können – für Gott und die Menschen. Das ist für mich kein Hauptgrund. Im Kern geht es darum, ob jemand in die volle Jüngerschaft eintreten möchte. In der „Ratio fundamentalis“, den Vorgaben der Priesterausbildung, wird das betont. Wichtig ist, dass jeder Einzelne reifen und mit Zölibat ein authentisches Leben führen kann.

Albert Hötzer: Ich höre oft die Diskussion um die Einsamkeit. Die gibt es leider auch in der Ehe. Niemand ist einsamer als derjenige, der mit einem Partner lebt, mit dem er sich nicht versteht. Eine geglückte Partnerschaft ist ein Geschenk – doch man muss schon auch etwas dafür tun, dass sie stark bleibt.

RB: Stichwort Einsamkeit – wie bereitet sich ein Priester auf sein Leben nach der Pension vor?
Tobias Giglmayr: Einsamkeit im Alter ist sicher ein ernstzunehmendes Problem. Immerhin ist ein Priester, der in der Pfarre immer voll integriert war, von heute auf morgen nicht mehr in der Öffentlichkeit. Aber er wird nicht von heute auf morgen auf Beziehungen verzichten müssen. Deshalb ist die Pflege der Kontakte für jeden so wichtig – und dass man das in der Pension auch weiterführt. Übrigens: Mit der Ehe würde das Problem der Einsamkeit im Alter nicht gelöst. Manchmal stirbt ja der Partner und es gibt auch bei Älteren immer mehr Singles.

Albert Hötzer: Bei Priestern sind doch auch die Weihejahrgänge gemeinsam unterwegs, es gibt priesterliche Gemeinschaften. Ich denke, mit Einsatz ist jegliches Leben zu bewältigen und es gibt keine Form, die von allein funktioniert. Ob zölibatär oder nicht.

Tobias Giglmayr: Dazu kommt, dass jüngere Priester angehalten sind – und das verlangt die priesterliche Spiritualität –, sich um die Menschen zu kümmern. Weil wir zum Presbyterium gehören, setzen wir den Schritt, uns um Brüder zu kümmern. Ich appelliere an Nächstenliebe und Mitbrüderlichkeit.

RB: Immer wieder kommt als Grund gegen verheiratete Priester, dass der Pfarrer vollstens für seine Gemeinde da sein soll.
Albert Hötzer: Versuchen Sie doch, in der Nacht jemanden in der Pfarre zu erreichen. Verheiratet oder nicht. Oft ist es leider schon tagsüber schwierig, Seelsorgerinnen und Seelsorger zu erreichen, weil so viele Aufgaben zu erledigen sind. Wenn ein Priester Hauptverantwortung für mehrere Pfarren hat, wird es oft nur mit Termin gehen, ihn in Ruhe zu sprechen. Und selbst ein Diakon schaltet in der Nacht sein Handy leise. Nicht ausschließlich wegen Frau und Familie, sondern weil es für alle Leute Zeiten des Schlafes und der Erholung braucht. Ich stelle mir viel mehr die Frage, wie ein junger Priester die wichtige Aufgabe der Leitung übernehmen kann, wenn hie und da noch die Lebenserfahrung fehlt.

RB: Diese Frage spielen wir an den Regens weiter.
Tobias Giglmayr: Nun, Leitung und Wissen beschränken sich ja nicht nur auf die Gebiete von Ehe und Familie. Nach der Weihe startet ein Priester erst als Kooperator, eine Pfarre als Pfarrer leitet er später. Auf seinem Weg wird er nie ganz alleine dastehen, sondern in einem Team arbeiten Mir selbst war die Sicht des Teams bei Entscheidungen immer hilfreich. Leitung geschieht also, wenn jemand älter wird und auf vielen Ebenen reift.

RB: Welche Rolle hat die Ehefrau eines Diakons?
Albert Hötzer: Sie ist viel mehr als nur Stütze und Hilfe, wenn ich Dinge mit ihr teile, die ich nicht vertraulich behandeln muss. In einer guten Ehe erfahre ich das Infragestellen dessen, was ich tue. Damit reflektiere ich mich und meine Arbeit. Und es blüht der positive Diskurs des gegenseitigen Hinweisens. Der Vorteil dabei ist das gegengeschlechtliche Korrektiv. In einer Ehe kann ich auch nicht so gut ausweichen wie bei Freunden.

RB: Ein Nachteil für Priester?
Tobias Giglmayr: Nein, denn jeder Priester soll tiefe Freundschaften haben, in denen Reflexion passiert. Ich selbst kann mit Kollegen alltägliche Probleme besprechen, wir tauschen uns aus darüber, was in der Pfarre und im Seminar läuft.

RB: Wer sind Ihre Bezugspersonen?
Tobias Giglmayr: Viele Priester, so auch ich, haben eine geistliche Begleitung. Und mir war mein Team immer wichtig, ob in der Pfarre oder jetzt im Seminar.

Albert Hötzer: Bei einem so feinen Priester wie dir ist das ja einfach, Tobias. Dein Ruf ist dir aus dem Pinzgau bis in die Stadt Salzburg vorausgeeilt. Du beherrschst die Kunst, nicht im Mittelpunkt stehen zu wollen und viel zuzuhören.

Tobias Giglmayr: Wir müssen von Jesus ausgehen, der gesagt hat, dass wir nicht da sind um bedient zu werden, sondern um zu dienen. Macht habe ich noch nie verspürt. Da eher noch Ohnmacht. Ohne Team wäre so vieles unmöglich.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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