Kirche hier und anderswo

Erzbischof Franz Lackner
„Erfolg ist keine Vokabel Gottes“

Erzbischof Franz Lackner ist zum neuen Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt worden. Er folgt damit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn nach, der nach 22 Jahren das Amt aus Altersgründen aufgegeben hat. Als Metropolit der Salzburger Kirchenprovinz steht Erzbischof Lackner an der Spitze der westösterreichischen Diözesen. 2015 wurde er bei der Frühjahrsvollversammlung zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt. Wie er sein neues Amt...

Erzbischof Franz Lackner
„Erfolg ist keine Vokabel Gottes“

Erzbischof Franz Lackner ist zum neuen Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt worden. Er folgt damit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn nach, der nach 22 Jahren das Amt aus Altersgründen aufgegeben hat. Als Metropolit der Salzburger Kirchenprovinz steht Erzbischof Lackner an der Spitze der westösterreichischen Diözesen. 2015 wurde er bei der Frühjahrsvollversammlung zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt. Wie er sein neues Amt anlegt, erklärt er im Interview.

RB: Herr Erzbischof, Sie sind zum Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt worden. Was bedeutet das für Sie, Pflicht oder Freude?

Erzbischof Lackner: Wohl beides; es ist eine Aufgabe, die mir zugewachsen ist. Alles, was ich aus meiner Berufung heraus tue ist aber zugleich Freude – auch wenn es manchmal schwer ist. Nach dem, ich glaube jesuitischen, Ideal: Wenn schon, dann gern!

RB: Nach mehr als 20 Jahren kommt der Vorsitzende wieder einmal „aus der Provinz“. Ist davon eine andere Sichtweise zu erwarten?

Erzbischof Lackner: Die direkte Wahrnehmung ist in Salzburg gewiss eine andere als in der Millionenstadt Wien. Durch die modernen Kommunikationsmittel gleicht sich das aber gut aus. Am Ende wird der Unterschied nicht sehr groß sein. Grundsätzlich halte ich es aber für gut, wenn der Vorsitz von Zeit zu Zeit wechselt.

RB: Mit dem Vorsitz übernehmen Sie eine Führungsposition. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Erzbischof Lackner: Führungsposition in einem strengen Wortsinn ist es nicht. Jeder Bischof ist in seinem Denken und Handeln grundsätzlich eigenständig und nur dem Papst verpflichtet. Papst Franziskus will die Bischofskonferenzen an sich schon stärken, indem sich Bischöfe zusammentun und gemeinsame Wege in unsere Zeit hinein erschließen – und dabei hat der Vorsitzende eine moderierende Funktion. Mein Weg ist es, wahrzunehmen, was gesagt wird und was sich zeigt, und in einen gemeinsamen Kontext zu stellen; es mit der Weltkirche zu verbinden.

RB: Wie wichtig ist ein Team für den Erfolg? Was ist überhaupt Erfolg?

Erzbischof Lackner: Das Team ist für mich dabei unheimlich wichtig – ich bin ein Teammensch; Gespräch und Austausch halte ich für essentiell. Und Erfolg ist für mich erstens einmal, sich ehrlich vor Gott und für die Menschen bemüht zu haben – das ist für mich ein Grundbestand von Erfolg; Ich unterschreibe, was Martin Buber gesagt hat, dass Erfolg im Sinn von erzielter Wirkung keine Vokabel Gottes ist.

RB: Der Vorsitzende fungiert nach innen quasi als Moderator unter den Bischöfen. Wie ist denn derzeit die Stimmung zwischen den Mitgliedern der Bischofskonferenz?

Erzbischof Lackner: Ich bin seit 18 Jahren in der Bischofskonferenz und erlebe die Stimmung der Bischöfe untereinander als gut.

RB: Nach außen sind nun Sie „Stimme und Gesicht des österreichischen Episkopats“. Wie verstehen Sie diese Aufgabe?

Erzbischof Lackner: Was ich wirklich sein möchte ist, Zeuge der frohmachenden Botschaft Gottes, so wie sie in der katholischen Kirche bewahrt, weitergegeben und bis in die letzten Wirklichkeiten des gesellschaftlichen Lebens auch gelebt wird und gegenwärtig ist.

RB: Sie sind für die nächsten sechs Jahre erster Ansprechpartner für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Wie steht’s denn derzeit um diese Beziehungen?

Erzbischof Lackner: Natürlich habe ich den Kontakt mit den staatlichen Instanzen des Landes und dort wo ich referatsmäßig zuständig war gepflogen; Was diesen neuen Bereich betrifft, werde ich mich gut einarbeiten müssen, um engagiert die Sorgen und Nöte der Menschen den politischen Verantwortlichen anzuvertrauen.

RB: Sie haben angekündigt, die „Sorgen, Nöte, aber auch Hoffnungen und Visionen der Kirche in Österreich in die Weltkirche“ einzubringen. Welche werden das denn sein? Und Papst Franziskus hat die Bischöfe in aller Welt aufgefordert: „Macht mir mutige Vorschläge!“ Kann er Vorschläge aus Österreich erwarten?

Erzbischof Lackner: Gewiss, wir bereiten uns derzeit für den Ad-Limina-Besuch in Rom im kommenden Jahr vor. Dort wird es darum gehen, welche Akzente und Visionen die Kirche in Österreich in die Weltkirche einzubringen hat. Diese Themen gilt es, in den nächsten Monaten zu erarbeiten. Das Reich Gottes unter den Menschen lebt und pulsiert in den kleinen Gemeinschaften, in den Pfarren, in den Bewegungen und allen Einrichtungen des kirchlichen Lebens. Für die Kirche ist der Einzelne mit seiner ehrlichen und aufrichtigen Motivation, die aus einer Berührung mit Gott heraus entsteht, unabdingbar wichtig. Diese Zusammenflüsse gilt es weiterzuleiten in den großen Strom der Weltkirche. Meine Aufgabe ist es dabei, Sprachrohr, Anwalt und Botschafter der österreichischen Kirche in Rom zu sein; wie umgekehrt gleiches gilt: von der Universalkirche zur Ortskirche.

RB: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing sagt: Geschlechtergerechtigkeit ist die „entscheidende Zukunftsfrage“ der Kirche. Stimmen Sie ihm zu?

Erzbischof Lackner: In der Tat, es ist eine brennende Angelegenheit. Die Frage lautet, auf welche Weise diese Gerechtigkeit erreicht werden soll. Wenn das bedeutet, dass es grundsätzlich keine Unterschiede mehr geben darf, dass es aus der Heilsgeschichte heraus keine Spezifika in den Ämtern und Funktionen mehr geben darf, dann bin ich vorsichtig. Mich leitet der Grundsatz, dass eine absolute Gerechtigkeit, die für jeden und für jede gleich ist, nicht möglich ist; aber gerade weil dem so ist, müssen wir immer auf Ausgleich bedacht sein; das heißt, wenn sich gewisse Möglichkeiten verschließen, dann müssen sich andere Möglichkeiten ergeben. Ich glaube auch, dass es einen theologischen Ausgleich in unserer Kirche braucht.

RB: Wie schätzen Sie den Stellenwert der Kirche in der österreichischen Gesellschaft derzeit ein?

Erzbischof Lackner: Die Kirche verliert an Einfluss; aber eine Gesellschaft ohne diese religiöse Stimme und Kraft wird die hohen moralischen und ethischen Ansprüche, die es in unserer modernen Gesellschaft immer noch gibt, auf Dauer nicht halten können.

RB: Kirche in Zeiten von Corona ist gefordert – wo am meisten?

Erzbischof Lackner: Bei den Menschen – der heilige Papst Johannes Paul II. schreibt einmal „Der Weg der Kirche ist der Mensch.“ Es ging und geht darum – trotz Distanz – das zu leben, was uns als Kirche ausmacht: ganz nah zu sein im Alltag und auch an den neuralgischen Punkten des Lebens unserer Mitbrüder und -schwestern. In diesem Bereich werden wir auch weiterhin gefordert sein; das ist unser kirchlicher Grundauftrag. Es bräuchte für derlei Fragestellungen sicherlich auch so etwas wie einen theologischen Krisenplan.

RB: Gibt es weitere Lehren, die die Kirche, die Sie persönlich aus der Coronakrise ziehen?

Erzbischof Lackner: Die Entdeckung des Digitalen war ein großer Gewinn in dieser herausfordernden Zeit. Hier ist – auch bei uns in der Erzdiözese – Großartiges entstanden, das es nun gilt, weiterzutragen. Bei den Gottesdienstübertragungen haben wir erfreulicherweise hohe Zugriffszahlen verzeichnet; mehr als 4.000 Zugriffe allein in der Osternacht. Auch die Videoimpulse und Online-Aktionen stießen, so höre ich, auf großes Interesse.

RB: Was muss passieren, damit Kirche in der Gesellschaft relevant bleibt? Wie kann und soll Mission heute aussehen?

Erzbischof Lackner: In die Welt hineinwirken kann man nur dann, wenn man für eine Sache brennt. Das Führen und Leiten ist für so ein großes System wichtig; aber nicht um seiner selbst willen, sondern weil eine Mission uns antreibt. – In Apg 4,20 heißt es: Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.

RB: Kann es auf Österreichebene ein Rezept gegen den Mitgliederschwund aus der katholischen Kirche geben oder soll jede Diözese ihren Weg allein gehen? Was müsste dieses Rezept denn beinhalten?

Erzbischof Lackner: Die Not trifft uns alle mehr oder weniger gleich. Rezepte sind im Glaubensleben immer mit Vorsicht zu verschreiben – es braucht aber in jedem Fall Glaubwürdigkeit, Empathie mit den Menschen, Hellhörigkeit auf Gott hin und Freude im Herzen.

RB: Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger?

Erzbischof Lackner: Fürs Erste gehe ich einen Weg weiter; anders könnte ich gar nicht anfangen. Da jeder Mensch ein einmalig einzigartiges Wesen Gottes ist, werden sich gewiss Akzente herauskristallisieren, die von meiner persönlichen Erfahrung mit der Geschichte Gottes mit den Menschen geprägt sind.

Fragen: Ingrid Burgstaller, Michaela Hessenberger, Karl Roithinger

Foto: RB/kathpress/Klingen

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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